»Die Linkspartei muss sich bewegen«

Ein Gespräch mit lucy redler, Mitglied in der trotzkistischen Sozialistischen Alternative Voran (SAV) und im Landesvorstand der Berliner Wasg, über die geplante Teilnahme der Wasg an den Wahlen zum Abgeordnetenhaus.

Gefährdet die Wasg mit dem geplanten Antreten zu den Wahlen des Berliner Abgeordnetenhauses die Vereinigung von Wasg und Linkspartei?

Nein, weil wir uns weiter für die Neuformierung der Linken im Bund und in Berlin aussprechen. Wir wollen aber, dass dies auf einer klaren inhaltlichen Grundlage geschieht. D.h. wir lehnen Tarifflucht, Privatisierungen und Sozialabbau ab. Die Linkspartei in Berlin muss sich deshalb deutlich bewegen, und das hat sie bisher leider nicht getan.

In einer Presseerklärung von Oskar Lafontaine hieß es, »Sektierer der Splittergruppe SAV« wollten das Projekt einer gemeinsamen Partei verhindern. Klaus Ernst vom Bundesvorstand der Wasg wandte sich gegen Leute, »denen es zur Zeit Spaß macht, mit dem Bild der Zerrissenheit die Wähler zu vertreiben«.

Das Schreckgespenst, Sektierer würden hier den Laden übernehmen, soll nur dazu dienen, die Wasg in Berlin zu spalten. Unsere Mitglieder entscheiden gerade darüber, ob sie dem Beschluss des Landesparteitags, eigenständig anzutreten, zustimmen oder ob sie das ablehnen. Mitten in dieser Urabstimmung versuchen Lafontaine und Ernst, die Mitglieder der SAV zu diffamieren. Die Berliner Wasg ist aber eine Sammlungsbewegung, an ihr beteiligen sich Christen wie Sozialisten. Es sind in erster Linie Erwerbslose und abhängig Beschäftigte, die von der Politik des Senats betroffen sind.

Sie sind selbst in der SAV.

Ja. Ich trage dazu bei, dass wir die Wasg-Berlin aufbauen, und ich weise die Vorwürfe von Lafontaine zurück.

Wofür steht denn die SAV? Im Bundestagswahlkampf 1994 hat sie die SPD unterstützt, 1998 und 2001 die PDS.

Das ist nicht richtig. Wir haben seit 1994 bei den Bundestagswahlen zur Wahl der PDS aufgerufen, gleichzeitig aber die Bildung einer breiten neuen Partei der abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen vorgeschlagen. Aus unserer Sicht ist die Wasg ein Schritt in die Richtung hin zu so einer linken Massenpartei. Ich bin dafür, dass die neue Partei sozialistisch ist.

Der Bundesvorstand der Wasg will eine bundesweite Urabstimmung durchführen, in der die Mitglieder sich äußern sollen, ob sie die Vereinigung befürworten. Was halten Sie davon?

Nichts. Es haben sich vor dieser Abstimmung, die ja von drei Landesverbänden initiiert wurde, acht Landesverbände dagegen ausgesprochen, und zwar mit dem Argument, dass sie die inhaltlichen Differenzen, die wir gerade haben, nicht klärt. Man müsste erst auf einem Bundesparteitag die Frage klären: Wie soll eine neue Linke aussehen? Diese Urabstimmung ist ein Versuch, die Kritiker auszugrenzen.

Wie die Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin regiert, ist ja schon seit längerem bekannt. Trotzdem war im Sommer die Euphorie groß, als man gemeinsam mit der Partei in den Bundestagswahlkampf zog.

Das Ergebnis der Bundestagswahl zeigt das große Potenzial für eine linke Partei, die konsequent die Interessen der abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen vertritt. Spätestens jetzt müssen wir aber die Frage klären, wie so eine Partei inhaltlich aussehen soll. Wir betonen drei Punkte: Die neue Partei muss mehr sein als eine Addition von Wasg und PDS. Die Grundlage muss links und antineoliberal sein. Und die Partei muss demokratisch von unten nach oben gebildet werden.

Ich war für die Bildung einer Partei, in der auch Akteure der außerparlamentarischen Bewegung und andere linke Gruppierungen sich beteiligen können. Die Politik der Linkspartei in den Landesregierungen sorgt für Konfliktstoff. Diese Politik darf nicht die Basis der neuen Partei werden. Es kommt darauf an, ob wir es schaffen, mit dem neuen bundesweiten Projekt die Linkspartei in Berlin dazu zu bringen, eine soziale Politik zu betreiben und aus der Regierung auszutreten.

interview: stefan wirner