Ja, spinnt ihr denn jetzt alle?

In einer Welt, in der Profi-Aufreißer mit schlimmen Sprüchen bei euch Frauen ernsthaft landen können, wollen wir metrosexuellen Softies nicht leben. von andreas hartmann

Dieser Aufreißberater für Männer, »Die perfekte Masche« von Neil Strauss, ist entwürdigend, eine echte Katastrophe. Und zwar für uns Männer. Denn falls nur ein Bruchteil von dem stimmen sollte, was man in dem Buch erfährt – Strauss behauptet: »Alles hier Geschilderte ist tatsächlich passiert« – , dann wurden wir Jahre lang belogen und betrogen.

Früher waren wir Machos, Chauvis und schlimme Macker, doch wir haben uns geändert. Wir haben uns mit Gender Studies befasst, Thomas Meinecke und Judith Butler gelesen, uns antrainiert, Frauen nicht mehr ins Wort zu fallen. Wir haben gelernt, unrasierte Beine zu akzeptieren, euch nicht mit unserem Popwissen beeindrucken zu wollen, haben es selbst mit Haarspangen, Männerröcken und vorsichtig aufgetragenem Kajal versucht. Wir helfen euch nicht mehr in den Mantel, weil wir euch zutrauen, dass ihr das selbst hinbekommt, und wären sowieso niemals auf die Idee gekommen, euch hinterherzupfeifen oder mit plumpen Anbaggersprüchen zu kommen.

Und nun müssen wir lernen: Das war alles falsch. Ihr wollt das, ihr wollt mit nicht ernst gemeinten Komplimenten und durch unsägliche Anmachspielchen beeindruckt werden, ihr braucht das. Selbst die allerpeinlichsten Sprüche und Ins-Ohr-Flüstereien gingen in Ordnung, wenn’s dem Flirt, ach, sagen wir doch gleich: dem Aufriss dienlich ist, müssen wir erfahren. Und Typen mit out-of-bed-Frisuren und T-Shirts mit lustigen Motiven, echte Spaßkanonen mit antrainiertem Dauergrinsen, die euch auch noch allzu eindeutig kommen, findet ihr nicht unerträglich, wie wir bislang dachten, sondern eher »interessant«.

Jahrelang hatten wir gehofft, dass wir irgendwann einmal dafür belohnt werden würden, mit dazu beigetragen zu haben, dass die tradierten Geschlechterverhältnisse endlich umgekrempelt würden. Wir hatten uns gewünscht, ihr würdet endlich auch einmal die Sache in die Hand nehmen und uns, die netten Eckensteher mit den guten Manieren und dem schüchternen Gebaren, ansprechen, und fühlten uns den Obermackern moralisch irgendwie überlegen.

Um nun jedoch bei Strauss zu erfahren, wir seien nichts weiter als »EFLs«, »Ewig frustrierte Loser«, die ihr Lebtag bei Frauen keinen Stich machen werden, wenn sie nicht wieder damit beginnen, ihre »Zielobjekte« (Neil Strauss) mit eiskalt kalkulierten Baggertechniken zu bearbeiten.

Die Vorstellung, dass demnächst ganze Männerpulks mit den gesammelten Lehren aus »Die perfekte Masche« auf Parties auftauchen werden, die Mädchen nach Strich und Faden mit Zaubertricks, unmöglichen »Openern«, indiskutablen Tricks (mitgebrachte Flusen auf den T-Shirts der Frauen verteilen, sie wieder herunterklauben und so ins Gespräch kommen) und jenseitigen Sprüchen (»Wenn ich nicht schwul wäre, würde ich total auf dich abfahren«) belagern und damit auch noch Erfolg haben, bringt uns beinahe um den Verstand.

Wenn der Typ okay ist, dann kann er ruhig auch mit einem grenzdebilen Spruch ankommen und mich mit dämlichen Streichholzschachtel-Tricks beeindrucken wollen, erzählen mir nun Bekannte und Freundinnen, von denen ich eigentlich erhofft hatte, sie würden »perfekte Maschen« rundherum ablehnen. Ja, spinnt ihr denn jetzt alle? Ich dachte immer, Kerle, die einem mit peinlichen Sprüchen und Streichholzschachtel-Tricks kommen, könnten niemals okay sein?

Sich-Kennenlernen als Strategiespiel, das auf dem Grundmuster »EAAK« (Strauss) – »Erfassen, Annähern, Anmachen, Klarmachen« – aufbaut, das findet ihr also in Wahrheit gut? Wo bleiben da die Romantik, der Zufall, die Liebe, all das, woran wir nach Jahrhun­derten des Zweifels endlich auch glauben? Hat denn gar nichts mehr irgendeine Bedeutung für euch?

»Hey, ich bin Manny, der Marsianer. Welche Bowlingkugeln magst du am liebsten?« Derartig stumpfsinnige Anmachsprüche findet ihr ernsthaft gut? Wir metrosexuellen Softies, wir, die wir dachten, wir seien die »neuen Männer«, eine neue Spezies der Alphatierchen, sind ernsthaft ratlos.