Seit im Jahr 1836 bei der Belagerung von Alamo als einziger ein Franzose die Festung verließ, betrachten viele US-Amerikaner alle seine Landsleute als Feiglinge. Der traditionelle Vorwurf der Feigheit vor dem Feind wird nun durch einen neuen ergänzt: Feigheit vor dem Markt.
Über die »verrückt machende Unreife der französischen Protestierenden« erregt sich Elisabeth Eaves, die in Paris die Demonstrationen beobachtete, im Online-Magazin Slate. »Warum schreibt die Regierung den Unternehmen überhaupt vor, wen sie einstellen und wen sie entlassen können?« fragt sie sich ratlos. Es sei »schwer zu glauben, dass allein der CPE so viele Menschen auf die Straße brachte«, wo doch der »Wandel nicht sehr groß« sei. Was sie wirklich umtreibt, fand sie auch im Gespräch mit Demonstranten nicht heraus. Sie ist sich aber sicher, dass der Protest »kindisch« ist, da die Demonstranten »keine Alternative vorschlagen«. Bedauerlicherweise fehle auch den Politikern der Mut, selbst in der Regierungspartei sei die Unterstützung für den CPE »ziemlich schwach«.
Die Ansicht, dass Lohnabhängige und Arbeitslose mit konstruktiven Vorschlägen zu ihrer weiteren Entrechtung aufwarten müssen, bevor sie die Straße betreten dürfen, wird jedoch nicht von allen Slate-Lesern geteilt. »Was ist falsch daran, seine Bürgerrechte auszuüben?« fragt Delli. »Ich finde es erfreulich, dass wirkliche Menschen in anderen Ländern Rechte haben, die Wirtschaft beeinflussen und auf die Straße gehen.« Ein anderer Leser fände es tröstlich zu wissen, dass »man mit einem langfristigen Job belohnt wird, wenn man hart arbeitet. Was ist daran falsch?« Steelbucket dagegen bemüht sich um eine historische Einordnung der Ereignisse: »Die Franzosen haben seit Jahrhunderten auf der Straße demonstriert.« Er glaubt, dass die französische Regierung sich »wie üblich allen Forderungen beugen wird«.
So wie der Franzose in Alamo sich den Forderungen der spanischen Belagerer beugte. Falls die Geschichte stimmt. Von den Verteidigern überlebte niemand. Sollte ein Franzose sich damals wirklich beizeiten aus dem Staub gemacht haben, war das ein kluge Entscheidung.
jörn schulz