Arbeiten am Geburtenwunder

Familienpolitik von ron steinke

Wofür bekommt Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ihr Geld? Zuletzt sagte Sachsens Ministerpräsident Georg Mil­bradt (CDU) deutlich, was viele andere noch hinter Formulierungen wie »bessere Vereinbarkeit« oder »Anreize schaffen« verstecken: »Damit wir endlich wieder mehr Kinder kriegen in diesem Lande!« Um das und nichts anderes geht es.

Egal, wie sehr über konkrete Maßnahmen der Familienpolitik gestritten wird, ob das Elterngeld höchstens zwölf oder 14 Monate gezahlt und ob es auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden soll oder nicht: Angesichts demografischer Horrorszenarien herrscht Konsens über das höhere Ziel, das zu erreichen ist.

Diskussionsbedarf dazu ist in keiner Partei vorhanden. Egal scheint sogar, dass der sich abzeichnende Kompromiss zwischen CDU und SPD um einiges teurer ausfallen dürfte als der Vorschlag von der Leyens. Der Staat verlangt nach Bevölkerungswachstum. Deutsche Frauen sollen Ja zum Kind sagen, und die Bundesübungsleiterin macht es ihnen vor. Von der Leyens Erfolg wird an den Geburtenzahlen gemessen werden.

Als Bundeskanzler Konrad Adenauer im Jahr 1952 das Familienministerium ins Leben rief, sagte er dem Bundestag klar und deutlich, zu welchem Zwecke dies geschehe. Als Ziele nann­te er die »konstante Zunahme der Geburten« sowie die »Stärkung der Familie und dadurch Stärkung des Willens zum Kind«. Der erste Familienminister der Bundesrepublik, Franz-Josef Wuermeling (CDU), muss­te sich noch gelegentlich gegen den Vorwurf wehren, er betreibe Bevölkerungspolitik. Zu seiner Rechtfertigung sagte er 1953: »Millionen innerlich gesunder Familien mit rechtschaffen erzogenen Kindern sind als Sicherung gegen die kinderreichen Völker des Ostens mindestens so wichtig wie alle militärischen Sicherungen. Nach den Erkenntnissen der Bevölkerungswissenschaft wird der zahlenmäßige Bestand der Elterngeneration erst dann im gleichen Umfang ersetzt, wenn jede überhaupt fruchtbare Ehe drei Kinder hat.« Zu den bevölkerungspolitischen Instrumenten, deren sich das Familienministerium bediente, gehörten damals strenge Scheidungsgesetze, die staatliche Kontrolle über die Verbreitung von Verhütungsmitteln, die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen und das Abtreibungsverbot.

Die Instrumente der heutigen Familienpolitik sind grundlegend andere, auch wenn die jüngsten Verwünschungen von individueller Lebensplanung und Emanzipation an Zeiten erinnern, von denen man glaubte und hoffte, sie seien endgültig vorbei. Mutterschutz und Elterngeld sind mit den repressiven Maßnahmen von damals nicht zu vergleichen. Aber auch sie stellen Mittel zum großen Zweck dar. Dieser Zweck, das Bevölkerungswachstum politisch anzukurbeln, scheint unter der neuen Familienministerin akzeptiert zu sein wie seit der Nachkriegszeit nicht mehr. Während das Bild der ein Kopftuch tragenden Frau, die einen Kinderwagen schiebt, zum Standardrepertoire der Medienberichte über »Integration« geworden ist, wächst vor den Fernsehbildschirmen dieselbe unerklärliche Angst, die einst Adenauer umtrieb. Es ist die Angst, es könne einmal nicht mehr genug Deutsche geben.

Jeder darf diese Angst dennoch nicht teilen. Als im Europa-Wahlkampf 2004 der deutsch-türkische SPD-Politiker Vural Öger forderte, die Frauen hierzulande müssten mehr Kinder bekommen, empörten sich plötzlich Angehörige verschiedener Parteien und verbaten sich derart frauenfeindliche und anmaßende Äußerungen eines Politikers.