Nachrichten

Die spinnen, die Finnen

Song Contest. Früher hieß die Veranstaltung Grand Prix, es herrschte Frackzwang bei den Männern, Frauen mussten in hochgeschlossenen Kleidern traurige Balladen singen oder in Glitzerfummeln einen auf Ekstase machen, die teilnehmenden Länder kannte man aus dem Urlaub oder konnte sie zumindest auf der Landkarte ver­orten, und am Ende der Veranstaltung wurden in einem schier endlosen Ritual die Punkte verlesen, und zwar dreisprachig. Das Schöne am Grand Prix war, dass die so genannte Liedkultur, die dort zele­briert wurde, regelmäßig in die Abgründe des schlechten Geschmacks führte. Das war Camp. Trash-Fernsehen, ein Höllenspaß.

Das alles ist lange vorbei. Inzwischen sorgen Armenier, Molda­wier, Letten, Slowenen für europäische Vielfalt, ehrwürdige Schlagernationen wie die Niederlande verpassen schon mal die Qualifi­kation, gürtelbreite Röcke wurden bei den Damen, Muscle-Shirts bei den Herren Pflicht, das Verlesen der Punkte wurde abgekürzt, die Fachjurys aus Musikjournalisten wurden abgeschafft, abgestimmt wird per SMS, und der bad taste ist als Stilmittel entdeckt.

Mit diesem Konzept gewann dann auch die finnische Rockband Lordi. Mit ihrem Gröl-Song »Hard Rock Hallelujah« sicherte sie sich den Sieg vor den Vertretern aus Russland und Bosnien-Herzegowina. Der deutsche Country-Beitrag »No No Never« der Hamburger Band Texas Lightning kämpfte sich mühsam auf Rang 15 vor. Der Grand-Prix-Experte Irving Wolther erklärte nicht sehr überraschend, dass nach dem Sieg der röhrenden Lordi-Monster im kommenden Jahr noch mehr finnisch inspierte Experimente zu erwarten seien. (her)

Was plant Schmidt?

Buch. Harald Schmidt – ist er gar nicht Gott, sondern vielleicht ei­ne Gefahr fürs demokratische Gemeinwesen, die wir noch gar nicht erkannt haben? Mit dem Mann, seiner Biographie und seiner Macht­fülle beschäftigt sich das Buch »Wer ist Harald Schmidt« des früheren Freundes und Weggefährten des Künstlers, Peter Reinwarth.

Er lernte Schmidt 1982 am Augsburger Stadttheater kennen und begleitete ihn bis Ende der Neunziger. Dann trennten sich die Wege der beiden. Reinwarth behauptet in seinem Buch, die Popularität des Entertainers beruhe auf einem Missverständnis. Wir, das Publikum, würden lachen, dabei seien die vermeintlichen Witze völlig ernst gemeint: »Wenn Harald sagt, dass Frauen an den Herd gehören, denkt jeder, er macht einen guten Witz. Aber ich weiß, dass er das wirklich so meint. Heute hat Harald Geld und Macht, jetzt traut er sich, sein wahres Gesicht zu zeigen.«

Aus diesem Grund hat Reinwarth die Freundschaft dann auch aufgekündigt. Dass sich das Publikum daran ein Beispiel nimmt, steht nicht wirklich zu befürchten. Wie der König der Satire dem Medium gnadenlos seine eigenen Gesetze aufzwingt und warum das funktioniert, haben schließlich schon andere Autoren dargestellt. Sehr über­zeugend Kay Sokolowsky in seiner Analyse »Late Night Solo. Die Methode Harald Schmidt«. (her)

Planet der Affen

Biologie. Affen sind noch menschenähnlicher als bisher angenommen. Nach einer Studie des Leipziger Max-Planck-Instituts seien Orang-Utans und Bonobo-Schimpansen in der Lage, für die Zukunft zu planen. Dies gehe aus einer Reihe von Experimenten hervor, über die das US-Wissenschaftsmagazin Science berichtet. Erhärten sich diese Erkenntnisse, würde das bedeuten, dass diese Affenarten über eine Gabe verfügen, die bisher als spezifisch menschlich galt. Aber heißt das jetzt, dass die Viecher über Familienplanung und Alters­armut grübeln? Nein, Entwarnung, solche Gedankenspiele bleiben erst mal noch Sache der Menschen. In ihren Experimenten stellten die Forscher lediglich fest, dass die Tiere unter mehreren Werkzeugen das richtige auswählen, um sich erst Stunden später damit eine Banane zu besorgen. (her)

Kritik der Kritik

Theater. Erst kürzlich bekam es die Theaterwelt mit einem handfesten Skandal zu tun, als der Schauspieler Thomas Lawinsky einen Kritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung tätlich angriff. Er war unzufrieden gewesen mit den Leistungen Gerhard Stadelmaiers und bedachte ihn während einer Vorstellung mit Beschimpfungen, bedrängte ihn und schubste ihn aus Theater. Macht das Modell »Theaterleute-kritisieren-Kritiker« Schule? Der Intendant der Berliner Festspiele, Joachim Sartorius, beklagte eine Tendenz zur Selbstinszenierung der Theaterrezensenten. Bei vielen Besprechungen verstehe kein Mensch mehr, worum es gehe, sagte er dem Radiosender 100,6 Motor FM in Berlin. Die eigenen Kriterien für die Beurteilung würden nicht offengelegt. Er warf den Journalisten vor, Kulturpolitik machen zu wollen, und nannte die Entwicklung »fatal«. (her)

Blixen blitzt ab

Rassismus. Ganz neu ist die Debatte um Tanja Blixens Roman »Jenseits von Afrika« nicht, aber in Kenia wird sie derzeit wieder geführt. Rund 40 Jahre nach dem Tod der Autorin ist man einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge in Kenia der Meinung, die 1962 gestorbene Autorin habe »das Ansehen Afrikas mit rassistischen Erzählungen über primitive und unzivilisierte Afrikaner zerstört«. Das Karen-Blixen-Museum im dänischen Rungsted spricht von einem »Missverständnis«. Die Kenianer meinen es aber ernst, so fordert eine kenianische Zeitung inzwischen, den nach Blixen benannten Stadtteil von Nairobi umzubenennen. Karen Blixen, die 1954 für den Literaturnobelpreis im Gespräch war, verfasste Erlebnisberichte aus Afrika, fantastische Erzählungen, die meist unter den Pseu­­do­nymen Tania Blixen, Osceola oder Isak Dinesen veröffentlicht wurden. (her)