Bitte nicht drängeln

Die Zusammenstellung der UN-Friedenstruppe von jörn schulz

Gerade war das Ansehen Frankreichs in den USA wieder gestiegen. Präsident George W. Bush ließ verkünden, dass er im Urlaub ein Buch von Albert Camus gelesen habe, und seit Anfang August werden in der Kantine des Kongresses wieder »french fries« statt »freedom fries« serviert. Nun aber sehen sich viele Konservative in den USA in ihrem Ressentiment gegen die »feigen« Franzosen bestätigt. Doch auch in der Uno war die Enttäuschung groß, nachdem die französische Regierung bekannt gegeben hatte, dass sie vorerst nur etwa 400 Soldaten zur Verstärkung der Unifil beisteuern will.

Im Fall Frankreichs wirkte es besonders kurios, sich über die mangelnde Klarheit der UN-Resolution zu beklagen, die schließlich maßgeblich von französischen Diplomaten formuliert wurde. Die Resolution 1 701 ist nicht schwammiger gehalten als vergleichbare Beschlüsse über den Einsatz von UN-Truppen. Die Unifil soll mit »allen notwendigen Aktionen« verhindern, dass der Waffenstillstand in ihrem Stationierungsgebiet gebrochen wird, und der libanesischen Regierung helfen, illegale Waffenimporte zu stoppen. Sie soll nicht die Hizbollah entwaffnen. Dies müsse, wie UN-Generalsekretär Kofi Annan noch einmal klarstellte, »durch Verhandlungen und einen Konsens im Libanon verwirklicht« werden, es wird vorerst also nicht geschehen.

Mangelnde Klarheit besteht nur darüber, wie die Hizbollah auf das neue Mandat reagieren wird. Bislang hat die Unifil die Aktivitäten der islamistischen Miliz nicht gestört, bei einem erneuten Angriff auf Israel müsste sie jedoch reagieren. Die Unifil ist zwar nicht berechtigt, in innerlibanesische Machtkämpfe einzugreifen. Sollte es im Streit um die Entwaffnung zu einer Eskalation kommen, hätte die Hizbollah jedoch zumindest politisch die »internationale Gemeinschaft« gegen sich.

Die Frage ist allein, ob die Hizbollah die UN-Soldaten erst angreift, wenn sie erneut eine Konfrontation mit Israel provozieren will, oder ob sie schon vorher versuchen wird, die Unifil zu vertreiben. Bei ihrer »Shock and Awe«-Kampagne gegen westliche Truppen tötete die Miliz 1983 mehr als 300 US-amerikanische und französische Soldaten, und seitdem ist sie militärisch wesentlich stärker geworden. Deshalb zögern die europäischen Regierungen, bis zum Wochenende hatte nur Frankreich der Uno verbindlich zugesagt, Bodentruppen zu stellen. Italien wird wahrscheinlich folgen. Deutschland und Dänemark wollen nur Kriegsschiffe entsenden, ein eher der Imagepflege dienender Einsatz, bei dem die Soldaten die malerische Küstenlandschaft betrachten können, denn die Waffen für die Hizbollah werden größtenteils auf dem Landweg herangeschafft.

Die Lücke im Südlibanon werden offenbar überwiegend asiatische Staaten schließen, neben Nepal haben Bangladesh, Indonesien und Malaysia jeweils mindestens ein Bataillon (etwa 1  000 Soldaten) zugesagt. Die Zeit drängt, und Verzögerungen könnten den Waffenstillstand gefährden. Doch Bangladesh, Indonesien und Malaysia, das derzeit die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) führt, haben Israel diplomatisch nicht anerkannt.

Auch sie sind an die Beschlüsse des Sicherheitsrats gebunden, und einen gemeinsamen »islamischen« Standpunkt der 56 OIC-Mitgliedsstaaten gibt es nicht. Zumindest Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien haben ein Interesse an der Schwächung der Hizbollah. Schon bevor die Verstärkungen der Unifil im Südlibanon eingetroffen sind, ist jedoch absehbar, dass die zusammengewürfelte Truppe für die Hizbollah ein politisches Ärgernis, aber keine militärische Gefahr sein wird.