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Der Albtraum ist nicht aus

Rio Reiser. »Kult!« Gibt es etwas Schlimmeres, das man über jemanden sagen könnte? Wohl kaum. Vor zehn Jahren, am 20. August 1996, starb Rio Reiser, wahrscheinlich der sympathischste Mensch, der jemals über diesen Globus gewandelt ist – manchmal sogar ­barfuß. Der einzige, bei dem der Hippie-Nonsens-Satz »Ich will ich sein« Gehalt hatte. Es war vielleicht sein schlechtestes Lied, aber auch seine wichtigste Forderung. Doch aus seinem Wohnhaus in Fresenhagen wurde eine Pilgerstätte, noch der letzte Tonbandschnipsel, den seine »Erben« gefunden haben, wird post mortem gnadenlos auf CD gepresst, dazu Bücher, Filme, Coverbands wie Sand am Meer.

In Fresenhagen fand am Wochenende ein »Fresenhagen-Festival« statt, bei dem der »Rio-Reiser-Songpreis« verliehen wurde. Aufhören, bitte! Aber nein, es gibt kein Erbarmen: Jetzt gibt’s auch das Ton-Steine-Scherben-Gesamtwerk inklusive: »Sechs unveröffentlichte Songs – über 30 rare Tracks – über 50 neu abgemischte Songs, viele Extras! – 72seitiges Box-Booklet – alle Cover neu – alle originalen Plakate – neue Plakate – Scherben-Star-Schnitt«.

Hey! Warum war Rio so groß? Weil er so klein war. Wer ihn groß macht, macht ihn klein. Ist das so schwer zu verstehen? Oder ist das diesen ganzen Zombies da draußen einfach egal? (ib)

Lange Nächte in Neapel

Silvio Berlusconi. Auch Kult, mindestens so sehr wie Rio Reiser, ist der berühmte Countertenor und Schlagersänger Silvio Berlusconi. Der hat bereits eine erfolgreiche Karriere als italienischer Ministerpräsident, Medienmogul und reichster Mann des Landes hinter sich, doch das ist alles lange her.

Berlusconi will jetzt als Chansonnier in die Hitparaden. Er ist super drauf, sieht blendend aus, hat ein süßes Lächeln, die Frisur sitzt, und er könnte trotz seiner bald 70 Jahre in einer Boyband mitmachen. Das sieht er bestimmt genau so.

Berlusconi hat einen ausgefallenen Musikgeschmack, er steht auf die Beatles, Frank Sinatra und Dean Martin. Selber singt er jedoch lieber italienische Schnulzen. Diese werden auch auf seiner CD enthalten sein, die es zum 70. Geburtstag des italienischen Sternchens geben wird. Eine Extra-Besprechnung der CD folgt demnächst auf diesen Seiten. (aha)

Kitsch, Schmalz und ­Familiendramen

Bollywood. Der Kölner Filmverleih Rapid Eye Movies wurde bekannt als Verleih, der sich besonders für das asiatische Kino einsetzt, und dort besonders für die spezielle Form des »Asia Extreme«, also für japanische Yakuza-Streifen, bizarren Horror und eben exzessive Gewalt. Irgendwann muss bei dem Verleih jemand auf die Idee gekommen sein, dank der guten Kontakte nach Fernost es mal mit indischem Bollywood-Kino zu versuchen, also mit viel Schmalz, großen Gefühlen, Kitsch und buntem Herumgetanze.

Rapid Eye Movies brachte Bollywood nach Deutschland, als das indische Kino hierzulande noch gar nicht groß präsent und beinahe ausschließlich Indien-Reisenden ein Begriff war. Doch das Bollywood-Kino schlug hierzulande ein wie eine Bombe. In den Kinos liefen die von Rapid Eye Movies importierten Streifen halbwegs erfolgreich, doch vor allem RTL II stieg erstaunlicherweise mit ein in das Geschäft mit Filmware aus Indien und fand damit auch noch ein begeistertes Publikum, das bereit ist, die üblichen 180 Minuten, die so ein Bollywood-Film dauert, inklusive jeder Menge Werbepausen durchzustehen. Inzwischen werden Bollywood-Filme auf DVDs überall verkauft, und selbst am Kiosk um die Ecke bekommt man die Seifenopern problemlos.

Rapid Eye Movies selbst setzt so sehr auf den mit ausgelösten Bollywood-Hype, dass der Verleih nun sogar ein Bollywood – Rapid Eye Magazin an den Kiosk gebracht hat. Dieses ist recht seltsam, denn mit 4,90 Euro ist es so billig nicht, und man bekommt für den Preis hauptsächlich Werbung für die demnächst von Rapid Eye verliehenen Bollywood-Filme.

Zugeschnitten ist das Magazin, das fortan alle drei Monate erscheinen wird, natürlich vor allem auf den indischen Superstar Shah Rukh Khan, der das Bollywood-Kino personifiziert wie kein anderer. In Indien kennt den Schauspieler jedes Kind, und auch bei uns ist er langsam dabei, für die Bravo-Generation ein Begriff zu werden.

Shah Rukh Khan auf dem Titel des Magazins, Shah Rukh Khan als Poster und die Präsentation des Shah-Rukh-Khan-Parfüms »Tiger Eyes«, ohne den Mann mit dem Schmachtblick geht auch bei Rapid Eye gar nichts mehr. Fragt sich nur, wie die nächste Ausgabe des Magazins aussehen wird. Ohne Shah Rukh Khan wird sie wohl kaum auskommen können. Doch irgendwann wird es auch langweilig werden, wenn immer nur Shah Rukh Khan, der wahr gewordene Traum einer Schwiegermutter, zu sehen ist. (aha)

Reality-Show

Superhund. In Berlin-Friedrichshain, wo jeder zweite Restautonome sich einen Hund als besten Freund hält, damit das elende Treten in Hundekacke auf den Gehwegen nie aufhöre, wird die Show »Top Dog – Deutschland sucht den Superhund« bestimmt ein Straßenfeger. Ab Oktober soll auf Vox, ganz nach dem Vorbild von »Deutschland sucht den Superstar«, nach dem schönsten, edelsten und am besten erzogenen Kläffer gefahndet werden. Eine Jury wird den tollsten Hund küren, und man kann als Zuschauer mit seinem Lieblingskandidaten mitfiebern. Der Siegerhund wird danach zwar keine CD mit Dieter Bohlen aufnehmen, doch ihm winkt immerhin ein lukrativer Vertrag mit einem Tiermagazin, auf dessen Titel er landen wird. (aha)