Nie wieder Punk!

andreas hartmann erklärt, warum die Leiche des Punk bereits stinkt

Es gibt viele Gründe, Punk ein für allemal zu beerdigen und nie wieder ein Wort über ihn zu verlieren. Die wichtigsten lauten:

1. Die ewig fruchtlosen Auseinandersetzungen darüber, ob nun die englische oder doch die amerikanische Punktradition die wichtigere ist

2. Dass Punkrock rein musikalisch wertloser Plunder ist

3. Pogo

4. Campino

5. Coffeetable-Bücher über die Geschichte des Punk

6. Die Diskussionen darüber, ob die Coffeetable-Bücher über Punk diesen endgültig erledigt haben

7. Techno hat den Punk nicht gebraucht, um entstehen zu können.

8. Techno ist tot, aber immer noch lebendiger als Punk.

9. Hass, Wut, Aggressivität, all das, was Punk immanent sein soll, bekommt man von jedem zweiten Industrial- oder Blackmetalact weit überzeugender serviert.

10. Der Iro ist mittlerweile eine Managerfrisur, aber eigentlich sowieso längst out: Nicht einmal David Beckham trägt ihn mehr.

11. Die neue Platte von Justin Timberlake kann man im Punkplattenladen nicht kaufen.

12. Die Punks bekämpften die Hippies, Pink Floyd und Progrock. Sie haben den Kampf verloren. Die beste Musik kommt heute aus der ameri­kanischen Neofolk-Szene, und Mars Volta ist nichts anderes als eine Emer­son, Lake & Palmer-Gedächtnisband.

13. Heroin ist einfach keine glamouröse Droge.

14. Kiffer haben mehr Spaß als Alkoholiker.

15. Punk verachtete Disco, eine schwule Subkultur. Punk war homophob.

16. Green Day

17. Punk war von Malcolm McLaren als riesengroßer Witz gedacht, als Mitmach-Spektakel für jeden. Wie konnte daraus nur diese furchtbar ernste Sache für Veganer, Kommerzgegner und Plenumsvorsitzende werden?

18. Wirklich coole Punks von damals sind heute auf keinen Fall mehr Punks, sondern sehen so aus wie Paul Weller und tragen eng geschnittene Anzüge und italienische Schuhe.

19. Kunst, die keinen Sinn ergibt, ist eben Punk. Billig, schlecht und unausgegoren: Punk. Aus einer Jugendbewegung ist eine Entschuldigung geworden.

20. Das waren noch Zeiten. Nostalgie ist heute der andauernde Bewusstseinszustand eines Punks. Dabei ist Nostalgie unerträglich.

21. Punks lieben Hunde. Diese lieben es, ihre Häufchen überall zu verteilen. Das ist nicht subversiv, das ist ekelhaft. Oder haben Sie schon einmal einen Punker mit einem Hundehaufenschäufelchen gesehen?

22. In der nächsten Berliner »langen Nacht der Museen« bestimmt auch mit dabei: das Ramones-Museum

23. Punk und Reggae bildeten nie derart eine Allianz, wie immer behauptet wurde. Im Gegensatz zu Punkplatten aus dem Jahr 1976 klingt Reggae aus demselben Jahr jedoch immer noch aufregend.

24. Auf Punkkonzerte gehen ausschließ­lich ältere Männer mit speckigen Le­derjacken, an die Badges gesteckt wurden, auf denen steht: »Punk’s not dead«.

25. Der Violinist Nigel Kennedy und André Agassi, der Ehemann von Steffi Graf, galten auch einmal als Punks.

26. Punk ist im bürgerlichen Feuilleton angekommen.

27. Es ist total egal, dass Punk im bürgerlichen Feuilleton angekommen ist.

28. Robert Stadlober, Ben Becker: echte Punks

29. Nina Hagen sitzt heute in der Jury von »Deutschland sucht den Superstar« und hat einen indischen Guru.

30. Punk ist längst ein Fall für das ­Oldie-Radio.

31. Bier in den Haaren riecht nicht gut.