Im Auftrag der Generäle

Das sudanesische Regime hat Darfur fast vollständig von der Außenwelt isoliert und eine neue Militäroffensive begonnen. von annette weber

Der Bürgerkrieg schien beendet zu sein. Mehrere hunderttausend Menschen waren in den 22 Jahre andauernden Kämpfen getötet worden oder verhungert, Millionen zur Flucht gezwungen worden. Als im Januar 2005 Vertreter der Regierung in Khartum und der süd­sudanesischen Guerillabewegung SPLA das Comprehensive Peace Agreement unterzeichneten, war die Erleichterung groß. Doch eine humanitäre Krise vergleichbar großen Ausmaßes hatte bereits begonnen.

Die westsudanesische Provinz Darfur, wo nach einem Guerillaangriff auf den Flughafen von al-Fasher im April 2003 ein weiterer bewaffneter Konflikt begonnen hatte, galt zunächst als ein Nebenschauplatz. Doch die Lage eskalierte schnell. Das islamistische Militärregime, das 1989 mit einem Putsch die Macht übernommen hatte und von dem General Omar al-Bashir geführt wird, reagierte auf die Herausforderung mit einer Politik des Prinzips »Teile und Herrsche« und dem Aufbau von Milizen. Die als »Janjawid« bekannten Hilfstruppen sind für die meisten Kriegsverbrechen verantwortlich.

Bereits im Krieg gegen den Südsudan und die SPLA hatte das Regime nicht nur die reguläre Armee eingesetzt, sondern verschiedene Milizen rekrutiert und unterstützt. Deren brutale Kriegsführung richtete sich vor allem gegen die Zivilbevölkerung. Die Popular Defence Force (PDF), eine dieser Milizen, bestand vorwiegend aus Angehörigen an der Grenze zum Südsudan lebender Bevölkerungsgruppen. Sie agierte ähnlich wie die Janjawid.

Von der Regierung erhielten die Milizen Waffen und logistische Hilfe, den Kämpfern wurde versprochen, dass sie alles, was sie auf ihren Feldzügen erbeuten, behalten dürften, einschließlich der Gefangenen und Entführten. Im Südsudan wurden vorwiegend Frauen und Kinder verschleppt, die als Zwangsarbeiter gehalten und häufig misshandelt wurden. Die Milizen hatten jedoch kein Interesse an territorialen Eroberungen.

Anders in Darfur, dort sind es Nachbarn, die einander bekämpfen. Sicherlich ist eine Ur­sache für den Krieg in Darfur, dass sich die Wüste ausbreitet, Weideland knapp wird, die Ressourcen schwinden und sich der Inte­res­senkonflikt zwischen den halbnomadischen Viehhaltern und den sesshaften Ackerbauern zuspitzt. Es ist jedoch die politische Einflussnahme des Regimes, die den Konflikt eskaliert hat.

Den regierungstreuen Milizen in Darfur wird neben der Beute auch das eroberte Land zugesprochen. Die Bevölkerung wird vertrieben, systematische Massenvergewaltigungen zerstören die sozialen Verbindungen in den patriarchalen Communities und den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Dörfer werden niedergebrannt. Immer häufiger berichten Vertriebene und Flüchtlinge, dass sich nun Janjawid und ihre Familien in den eroberten Dörfern angesiedelt haben. In vielen Fällen hat auch die Regierung selbst Dorfbewohner zur Umsiedlung gezwungen.

Den Machthabern in Khartum ist es zudem gelungen, die Guerillagruppen gegeneinander auszuspielen. Derzeit kämpft die von Minni Minawi geführte Fraktion der SLA, die im Mai als einzige das Darfur Peace Agreement (DPA) mit dem Regime und den Janjawid unterzeichnet hat, gegen die anderen Guerillaorganisationen, die SLA von Abdul Wahed al-Nur, die JEM und 19 weitere bewaffnete Gruppen.

Für die Generäle in Khartum ist das eine erfreuliche Entwicklung. Die Guerillagruppen, angetreten, um für die Bevölkerung Darfurs eine größere Teilhabe an der Macht und den Ressourcen des Landes zu erkämpfen, bekriegen sich gegenseitig. Das Regime hat sich mit der Unterschrift unter das DPA verpflichtet, die Janjawid zu entwaffnen und teilweise in die reguläre Armee und Polizei zu integrieren. Vertreter des Militärs behaupten nun, die Janjawid hätten sich verselbständigt und könnten nicht mehr kontrolliert werden.

Das ist zwar eine Ausrede, doch der Kon­flikt ist zu einem unübersichtlichen Vielfrontenkrieg geworden. Mehr als 400 000 Menschen sind bereits von Hilfslieferungen abgeschnitten. Opfer der Gewalt werden neben der Zivilbevölkerung auch Soldaten der Afrikanischen Union (AU) und humanitäre Helfer. Die wenigen und schlecht ausgestatteten Soldaten der AU-Friedenstruppe sind nicht einmal in der Lage, die Kriegsfolgen zu dokumentieren, geschweige denn die Zivilbevölkerung zu schützen.

Auch eine größere und besser ausgerüstete Truppe der Uno wäre mit solchen Aufgaben in diesem riesigen Gebiet überfordert. Sie könnte allenfalls einen Teil der Flüchtlinge vor den Milizen und dem sudanesischen Militär schützen, eine politische Lösung kann sie nicht erzwingen. Die Afrikanische Union bemüht sich darum, Einfluss auf die Guerilla­gruppen, die Milizen und alle an einer politischen Lösung interessierten Akteure in Khartum und Darfur zu nehmen. Wenn dies nicht gelingt, wird sich die humanitäre Katastrophe verschlimmern.

Der Konflikt könnte auch den fragilen Frieden im Südsudan gefährden und destabilisierende Auswirkungen auf die gesamte Region haben. Der Tschad und die Zentralafrikanische Republik sind längst direkt in den Darfur-Konflikt verwickelt.

Bereits in den achtziger Jahren war Darfur das Rückzugsgebiet tschadischer, von Libyen finanzierter Rebellen. Die Aufkündigung des Friedensabkommens zwischen der ugandischen Regierung und der bislang vom Sudan unterstützen Lords Resistance Army führt zu einer Regionalisierung des Konflikts über den Südsudan nach Nord­uganda und vor allem in die unruhigen Gebiete im Nordosten des Kongo. Eritrea, lange Zeit enger Verbündeter der SPLA, unterstützt die JEM. Im Sudan könnte das zu einer Stärkung der von Hassan al-Turabi geführten Islamisten führen. Turabi, der einst mit Bashir verbündet war, arbeitet nun mit dessen Feinden zusammen, er galt als Verbündeter der JEM.

Unklar ist, wie die SPLA sich verhalten wird, deren Vertreter derzeit gemeinsam mit den Generälen in der Regierung sitzen. Die SPLA war am Aufbau und am Training der SLA beteiligt, sie gilt den meisten Darfuris jedoch nicht als verlässlicher Partner. Für die meisten Kämpfer der SPLA und die Mehrheit der Bevölkerung im Südsudan hingegen ist der Konflikt in Darfur eine Krise im fernen Norden, die im schlimmsten Fall ihre eigene Entwicklung aufhält.

Der SPLA-Führer John Garang propagierte einen »neuen Sudan« unter Einschluss aller marginalisierten Gebiete und Bevölkerungsgruppen. Er starb im Juli 2005, und sein Nachfolger Salva Kiir hat sich nur sehr zögerlich für eine UN-Mission in Darfur ausgesprochen. Der SPLA-Außenminister Lam Akol hingegen sieht den Einsatz von Blauhelmen, wie Präsident Bashir, als neokoloniale Attacke auf die Unabhängigkeit des Landes.

Die Regierung schickt 10 000 Kämpfer nach al-Fasher, angeblich um die Janjawid zu entwaffnen. In Darfur wird die Offensive als Krieg gegen die Guerillagruppen und die Bevölkerung verstanden. Das Militärregime sieht derzeit offenbar keine Notwendigkeit, sich zurückzuhalten. Darfur ist fast vollständig isoliert, immer weniger Hilfsorganisationen werden vorgelassen, Menschenrechtsorganisationen haben schon lange keinen Zugang mehr, Journalisten und internationale Be­obachter sind nicht erwünscht. Wir werden die Opfer dieses Krieges nicht im Fernsehen sehen. Nur jene, die die Angriffe überleben und sich in die Nachbarländer flüchten, werden berichten können. Später, wenn alles vorbei ist.