Image geschändet

Bundeswehr in Afghanistan von david badde

»Sie bringen jungen Männern bei, Bomben auf Leute zu werfen. Aber wenn sie ›Fuck‹ auf ihre Flugzeuge schreiben wollen, verbieten es ihnen ihre Offiziere, weil es obszön ist!« Das sagt Colonel Kurtz in dem Film Apocalypse Now, und es klingt wie ein treffender Kommentar zur gegenwärtigen Skandalisierung der »Schock-Fotos«, die die Bild-Zeitung in der vorigen Woche veröffentlicht hat.

In der Kriegsparabel »Full Metall Jacket« von Oliver Stone schnauzt der sadistische Seargant Hartman einen Rekruten an: »Ich werde dir die Augen ausmeißeln und dich dann in den Schädel ficken!« Sage einer, Kino bildete nicht. Das nicht direkt ins Deutsche übersetzbare Verb to scull-fuck wurde auf sehr anschauliche Weise durch deutsche Isaf-Mitglieder dargestellt. Die Bilder aus Afghanistan zeigen Soldaten der Bundeswehr, die mit Totenköpfen poussieren. Spätestens jetzt dürfte vielen aufgehen, dass die Bundeswehr kein Verein von Chorknaben ist.

Ob dieser schlichten Einsicht verwundert es, wie jeder Meinungsträger, dem man derzeit ein Mikrofon hinhält, versucht, den vorherigen mit den üblichen Entrüstungsvokabeln zu überbieten. Der Anlass dazu dürfte dabei nicht einmal den Tatbestand der Leichenschändung erfüllen. Angesichts dessen, was Gunther von Hagens in seinen Körperwelten-Ausstellungen präsentiert, wirken die Fotos wie ein schlechter Herrentagsscherz. Wozu also die ganze Aufregung?

Die Furcht vor Racheakten des notorisch aufgebrachten Moslems allein erklärt sie nicht. Es hätte bereits triftigere Anlässe gegeben, sich gut demokratisch zu echauffieren. Aber weder im Falle Kurnaz, noch wegen dubioser Verhöre, die Beamte des BND und des BKA in Syrien durchgeführt haben sollen (Jungle World, 50/05), geschah dies. Die Furcht vor den Gottesfürchtigen ist eher Ausdruck einer tieferliegenden Verunsicherung der herrschenden Klasse und ihres medialen Anhangs, was das Verständnis ihrer Armee betrifft.

Seit Anfang der neunziger Jahre versucht Deutschland seinen geopolitischen Ambitionen militärisch Gewicht zu verleihen. Propagandistisch begleitete man dies bisher mit einer penetranten Imagekampagne. Für Friede und Freiheit zogen die Staatsbürger in Uniform in die Welt, gleichsam eine Mischung aus Pfadfindern, Sozialarbeitern und Entwicklungshelfern. Auch der erste und offiziell einzige Kampfeinsatz der Bundeswehr (im ehemaligen Jugoslawien) wurde begangen, um ein erneutes Auschwitz zu verhindern, glaubt man dem damaligen Außenminister Joschka Fischer, und nicht etwa wegen machtpolitischer Erwägungen der deutschen Regierung.

Inzwischen operieren Eliteeinheiten der Bundeswehr in Afghanistan, ohne dass jemand so recht weiß, was genau sie da treiben. Möglicherweise ist der Skandal nur eine erste Etappe, um das Bild des liebenswürdigen Landsers zu relativieren und die Öffentlichkeit auf etwas anderes einzustimmen. So fordert die taz bereits eine grundlegende Entscheidung: »Helfen oder schießen. Beides geht nicht.«

Da der erste Zweck des Staats und seiner Armee nicht das Helfen ist, ist die Entscheidung bereits gefallen. Vorerst sollen den Soldaten »mehr interkulturelle Kompetenz und moralische Werte vermittelt werden«, wie der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe, vorschlägt. Damit sie wenigstens beim Leuteerschießen deren kulturelle Befindlichkeiten nicht verletzen.