Bin bloß ein Vandale

Heinz-Christian Strache von der FPÖ hat erklärt, kein Neonazi gewesen zu sein, und alle sind zufrieden. Warum der Skandal um ihn keiner wurde, erklärt heribert schiedel, wien

Lange schon kursierten Gerüchte, wonach der Obmann der FPÖ, Heinz-Christian Strache, enge Kontakte zur Neonaziszene gehabt habe. Mitte Januar tauchten Fotos auf, die ihn als 18jährigen bei Wehrsportübungen im Kreis von zum Teil amtsbekannten Neonazis zeigen. Strache leugnete zunächst die Existenz der Fotos, um dann seine frühere Freizeitbeschäftigung als Paintball-Spiel zu verharmlosen.

Nachdem auch diese Schutzbehauptung entlarvt worden war, musste Strache einräumen, dass er – wie doch fast jeder! – in seiner Jugend Mist gebaut habe. In einem Land, in dem die Selbstinfantilisierung als Strategie der Entlastung gerade im Umgang mit der NS-Vergangenheit zur Perfektion gebracht wur­de, hat man für derlei Versuche, sich vor der Verantwortung zu drücken, großes Verständnis. Und so war es kein Wunder, dass der Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) die paramilitärischen Übungen als »Jugendtorheiten« abtat, aus welchen man Strache »keinen Strick« drehen könne.

In dieser Sichtweise trifft sich der Kanzler mit dem Großteil der Bevölkerung. Nur ein paar Genossinnen und Genossen, die den Antifaschismus der SPÖ noch immer für mehr als Rhetorik halten, protestierten gegen die Verharmlosung. Angesichts der Kritik der Medien und der eigenen Partei muss­te Gusenbauer schließlich doch eine »Klarstellung« und »Distanzierung« Straches verlangen.

Bevor der dieser Aufforderung dankend nachkam, wurde ihm vor laufender Kamera noch ein weiteres Geständnis abgerungen: Er könne nicht ausschließen, dass noch weitere desavouierende Fotos auftauchten, auf denen er sogar den Hitlergruß zeige. In diesem Fall könne es sich nur um eine »Provokation« gehandelt haben. Tatsächlich wurde kurz darauf einer österreichischen Tageszeitung ein Bild zugespielt, das Strache mit dem angedeuteten »Kühnen-Gruß« zeigt. Die fehlende Eindeutigkeit seiner Geste erlaubte Strache die spaßige Erklärung, er habe wohl drei Bier bestellt.

Bereits vor der angekündigten »Klarstellung« war klar, dass Strache, der auch Mitglied in der deutschnationalen schlagenden Verbindung Vandalia ist, seine Vergangenheit nicht zum Verhängnis werden würde. Die FPÖ stellte sich hinter ihren Vorsitzenden, der zum Opfer einer Kampagne stilisiert wurde. Nichts anderes war zu erwarten von einer Partei, die von Opfern des NS-Verbotsgesetzes und der obligaten »alttestamentarischen Rachsucht« gegründet worden war. Als rechtsextreme Partei kultiviert die FPÖ bis heute die kollektive Paranoia der »kleinen Leute«. Dass am Anfang der »Kampagne« ein prominenter Parteifreund stand, tat dieser Stilisierung keinen Abbruch. Ewald Stadler, der unmittelbar zuvor von Strache als Leiter der FPÖ-Akademie entmachtet worden war, hatte die kompromittierenden Bilder innerhalb der Partei in Umlauf gebracht. Diese vermutete Retourkutsche trug dem rechtskatholischen Fundamentalisten beinahe den Parteiausschluss ein. Doch angesichts der Feinde, die außerhalb der Partei lauerten, wurden einmal mehr die Reihen dicht geschlossen.

Um sich als Parlamentarier aus der Kritik nehmen zu können, musste Strache seine demokratische Gesinnung und Verfassungstreue unter Beweis stellen. Dies geschieht hierzulande seit jeher per Proklamation. Bevor Strache sich öffentlich von »allen verbrecherischen und totalitären Ideo­logien« distanzierte, behauptete er in einem Interview, immer »eine ganz klare Abgrenzung zum Nationalsozialismus gelebt« zu haben. Dieses Leben muss Strache wohl im Verborgenen geführt haben, kam doch das Wiener Oberlandesgericht im Jahr 2004 zum Schluss, dass es zulässig sei, dem FPÖ-Obmann eine »Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut« zu attestieren.

Die Verurteilung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen ist von Rechtsextremen nur bei gleichzeitiger Relativierung zu haben. Und so meinte auch Strache: »Jedes Verbrechen gegen die Menschlichkeit, der gezielte Massenmord in den Konzentrationslagern genauso wie die Vertreibungen – und meine Familie wurde als sudetendeutsche Familie vertrieben – ist aufs Schärfste zu verurteilen.« Die Gleichsetzung von NS-Verbrechen mit den Aussiedlungen und dem »Bomben-Holocaust« ist in Österreich leider nicht auf Rechtsextreme beschränkt, sondern gehört zum guten – antitotalitären – Ton.

Am 29. Januar fand die »Distanzierung« und »Klarstellung« statt, die Strache abverlangt worden war. Man muss Zeuge dieser gespenstischen Szenerie gewesen sein, um ihr gerecht zu werden. Die eigentümlich ausdruckslose Miene und der kalte Ton bei der Verurteilung der NS-Verbrechen konnte seinerzeit bereits bei Jörg Haider studiert werden. Leidenschaftlich wurde Strache nur, als es darum ging, die politische Konkurrenz in die Nazi-Ecke zu stellen und sich selbst als Opfer der Medien, die im »Stürmer-Stil« berichtet hätten, zu präsentieren.

Aber auch inhaltlich gab es genug mehr oder wenige deutliche Mitteilungen an die eigene Klien­tel. So sei er zwar »kein Neonazi«, jedoch ein »wilder Hund« gewesen, was von den freiheitlichen Fußtruppen wohl als Synonym verstanden worden sein dürfte. Auch sei ihm als »überzeugtem Antikommunisten« stets eine gewisse »Wehrbereitschaft« eigen gewesen. Gleichzeitig bezeichnete sich Strache als »begeisterten Demokraten«, der sich im Zuge eines »Reifungsprozesses« von seinen ehemaligen Kameraden und deren Ideologie abgegrenzt habe. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es Strache weitgehend gelungen sein dürfte, alle zufriedenzustellen.

Schon Andreas Khol (ÖVP), von dem das vor Jahren geäußerte geflügelte Wort vom »Verfassungsbogen« stammt, unter den die FPÖ nicht passe, hat inzwischen vorexerziert, wie der Bogen zu biegen ist, damit die (potenziellen) Koalitionspartner von der extremen Rechten darunter Platz finden können. Auch die SPÖ hat nach 1945 wiederholt den Beweis erbracht, dass Nazis plötzlich keine mehr sind, wenn sie der sozialdemokratischen Sache nützlich sein könnten. So überraschte es nicht, dass etwa der Fraktionsvorsitzende der SPÖ, Josef Cap, der Straches Vergangenheit im neonazistischen Milieu mit Joschka Fischers vormaliger Militanz gleichgesetzt hatte, mit der »Klarstellung« zufrieden war. Die FPÖ sah in diesem Entgegenkommen den »Ausdruck einer neuen Qualität der politischen Auseinandersetzung«.

Wie gesagt, neu ist dieser Umgang mit Rechtsextremen in Österreich nicht.