»Die Betriebsräte wurden behindert«

Ein Gespräch mit gerd lobodda, dem Geschäftsführer der IG Metall in Nürnberg, über die AUB, ihren Einfluss in den Betrieben und die Folgen des Korruptionsskandals

Wie bewertet die IG Metall die Zahlungen von Siemens an die AUB?

Das ist auf diesem Gebiet einer der größten Skandale in der Nachkriegsgeschichte. Der Vorstand der IG Metall wird eine Schadensersatzklage einreichen. Es wird ein Prozess von einer besonderen Dimension werden.

Ist der IG Metall das Wirken der AUB schon früher als Problem aufgefallen?

Natürlich. Man muss ja nur mal sehen, was so eine Pseudoorganisation mit ihrem Mitgliedsbeitrag von acht Euro an Ausgaben hat. Wenn man sich vor Augen führt, welche Kampagnen die alleine bei den Betriebsratswahlen veranstaltet haben, dann sieht man, dass die Rechnung nicht stimmt.

Was tut die AUB konkret?

Die AUB hat immer eine unternehmenshörige Politik betrieben. Es gab Kampagnen gegen die IG Metall – bei Siemens und auch an anderen Standorten. Es ist ihr zum Teil gelungen, mehrheitlich Sitze in Betriebsräten zu erringen. Das führt in solchen Gremien zu Fraktionierungen. Es ist Gift für eine Interessenvertretung von Arbeitnehmern. Man konnte in diesen Gremien nicht mehr offen diskutieren. Davon war die Arbeit vieler Betriebsräte geprägt. Sie wurde erschwert und behindert.

Die AUB hat nach eigenen Angaben 32 000 Mitglieder und stellt in ganz Deutschland 19 000 Betriebsräte. Warum ist sie so attraktiv für die Lohnabhängigen?

Die AUB macht vor allem eine betriebsbezogene Politik. Die IG Metall hingegen will und muss Gegenmacht sein, um Flächentarifverträge abzuschließen. Wir wollen die Dinge zwar auch im Ausgleich gestalten. Aber bei manchen Entscheidungen der Unternehmensführung sind Konflikte unvermeidlich. Aus einer kurzsichtigen Überlegung heraus wirkt die standortbezogene Politik da für manche attraktiver.

Obwohl die IG Metall kooperationsbereit ist und z.B. betriebliche Bündnisse für Arbeit eingeht, wenn ein Betrieb in Schwierigkeiten ist, hat Siemens es noch nötig, eine gelbe Gewerkschaft zu finanzieren?

Unser fester Wille ist es nach wie vor, den Flächentarifvertrag zu erhalten. D.h. man muss uns schon nachweisen, dass ein Betrieb sich in einer Notlage befindet. Nur dann sind wir bereit, vom Tarifvertrag abzuweichen. Die Betriebsräte der AUB haben in solchen Fragen immer ihren vorauseilenden Gehorsam unter Beweis gestellt. In der täglichen Arbeit, wenn es um die Genehmigung von Überstunden oder ähnliches geht, ist es für die Führungskräfte natürlich bequemer, einen handzahmen Betriebsrat zu haben.

Wie ist die Stimmung unter der Belegschaft bei Siemens?

Siemens hat über die Jahrzehnte hinweg eine eigene Umgangskultur entwickelt. Man sprach ja von einer »Siemens-Familie«. Diese Vorstellung hat in den vergangenen Jahren doch sehr nachgelassen. Die Identifikation mit dem Unternehmen geht verloren.

Allerdings muss man auch genau prüfen, was in dieser Korruptionsaffäre derzeit läuft. Jeder weiß, dass auch andere Großkonzerne solche Praktiken anwenden. Eigentlich müssten die Staatsanwälte auch da tätig werden. Dass ausgerechnet Siemens herausgepickt wird, ist bemerkenswert. Die Befürchtung besteht, dass die Affäre, wenn sie vor die Börsenaufsicht der New Yorker Börse kommt, Voraussetzungen für eine feindliche Übernahme schaffen könnte.

Und da stellt sich die Frage: Ist der Weg von Porsche und VW, die Deutschland AG aufrechtzuerhalten, nicht besser als das, was Siemens mit dem Gang an die New Yorker Börse gemacht hat? Bekanntlich hat auch Jürgen Schrempp von Daimler-Chrysler mit seiner Idee der »Welt-AG« dem Unternehmen nicht geholfen. Wenn man sich in Feindesland begibt, ist die Gefahr, dass man darin umkommt, groß. Das ist die Sorge, die uns umtreibt.

interview: stefan wirner