Teurer wohnen

Mit der Einführung von »Real Estate Investment Trusts« sollen mehr Immobilien an die Börse gebracht werden. Kritiker befürchten die Privatisierung der restlichen städtischen Wohnungsbestände. von david siebert

Bis vor kurzem war das Kapital in Deutschland ganz schön arm dran. Denn die Unternehmen wurden mit »steuerlichen Regelungen« daran »gehindert«, ihr »in Immobilien gebundenes Kapital in Höhe von schätzungsweise 1 100 Milliarden Euro profitabler ins Kerngeschäft zu investieren«, wie die »Initiative Finanzstandort Deutschland« beklagte. Inzwischen hat die Lobbygruppe ihr Ziel erreicht.

Ende März beschloss der Bundestag, von der öffentlichen Diskussion nur wenig wahrgenommen, die Einführung börsennotierter und steuerbegünstigter Immobilienfonds, so genannter Real Estate Investment Trusts, kurz »Reits«. Das sei notwendig, um die stillen Reserven von Immobilien zu heben, hatten die Befürworter aus den Parteien der Großen Koalition argumentiert. Ohne das bereits in mehr als 20 Ländern gängige Finanzinstrument würde der »Finanzplatz Deutschland« ins Hintertreffen geraten. Die Gegner des Gesetzes von den Grünen und aus den Linkspartei warnten vor Steuerausfällen und vor den negativen Folgen für die Mieter.

Zwar konnten bisher auch schon Immobilienfonds als Aktiengesellschaften auftreten, auf dem deutschen Kapitalmarkt spielen sie allerdings keine große Rolle. Das neue Finanzinstrument soll dafür sorgen, dass Immobilien in großem Umfang auf den Kapitalmarkt gelangen. So sollen etwa Firmen- und Bürogebäude, Schulen oder Krankenhäuser in Form von Reits an der Börse gehandelt werden. Damit die »Belebung des Immobilien- und Kapitalmarkts« auch tatsächlich eintritt, locken Sonderregelungen für Immobilienverkäufer und Anleger.

So müssen Reits ihre Erlöse zu 75 Prozent aus der Vermietung, der Verpachtung und dem Verkauf von Immobilien beziehen. 75 Prozent ihres Vermögens sollen in Gebäuden stecken. Sie sind sowohl von der Körperschaftssteuer als auch von der Gewerbesteuer befreit. Gewinne aus Immobiliengeschäften werden nur am Wohnort der Aktionäre besteuert – sitzen diese im Ausland, geht der Fiskus leer aus. Da als Aktionäre vor allem Investoren wie Investment- und Pensionsfonds, Private-Equity-Investoren und Versicherungen infrage kommen, von denen viele ihren Sitz im Ausland haben, wird mit enormen Steuerausfällen zu rechnen sein. Hinzu kommt die so genannte Exit Tax. Wer innerhalb der nächsten drei Jahre Immobilien an Reits verkauft, muss nur die Hälfte seines Gewinns versteuern. Deswegen sprechen die Kritiker von einer »versteckten Unternehmenssubventionierung«. »Grundsätzlich begrüßen wir Reits zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland«, sagte Gerhard Schick, der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft »Wirtschaft und Arbeit« der grünen Bundestagsfraktion. »Dem Gesetz konnten wir trotzdem nicht zustimmen. Denn die beschlossenen Steuerprivilegien wie die Exit Tax sind falsch.«

Anders als im ursprünglichen Gesetzesentwurf vorgesehen, sind Wohnungen vom Börsengang mit Reits ausgenommen. Ein Zugeständnis an die SPD-Linke, die gedroht hatte, das Gesetz scheitern zu lassen. Die FDP, die sich bei der Abstimmung enthielt, wertete diese Ausnahme als »schweren Geburtsfehler« des Gesetzes. Mietervertreter beklagen hingegen, dass der Mieterschutz »halbherzig« sei, da Gebäude mit einem Anteil an Gewerberäumen von über 50 Prozent an der Börse gehandelt werden dürfen. Auch ausländische Wohnungen und Wohnungen im Inland, die ab dem 1. Januar 2007 gebaut werden, dürfen in die neuen Fonds übergehen. »In 15 Jahren könnte damit ein erheblicher Teil der Mietwohnungen im Besitz von Reits sein«, sagt Günter Rausch, Professor an der Evangelischen Fachhochschule in Freiburg, der für die Linkspartei eine Stellungnahme gegen das neue Gesetz verfasste. So oder so werde »das Finanzins­trument im Immobiliensektor eine Preisspirale in Gang setzen, die auch den Wohnungsmarkt beeinflussen wird«.

Nach Ansicht des Publizisten Werner Rügemer droht darüber hinaus der Einstieg von Private-Equity-Investoren ins Immobiliengeschäft. »Das zeigt sich in Staaten wie den USA, in denen Reits schon seit längerem operieren«, meint der Privatisierungskritiker. »So hat etwa der Private-Equity-Investor Black­stone in den vergangenen drei Jahren allein in den USA zehn Reits aufgekauft.«

Günter Rausch, der sich seit 30 Jahren mit Wohnungspolitik beschäftigt, glaubt nicht, dass die Schonfrist, die Wohnungen mit dem beschlossenen Gesetz gewährt wurde, lange bestehen bleiben wird. »Die Befürworter machen keinen Hehl daraus, dass sie das Gesetz nur als Zwischenschritt betrachten. Es ist ein Türöffner dafür, dass bald auch Wohnungen im großem Maßstab an der Börse gehandelt werden könnten.« In diesem Fall, so Rausch, wären die Folgen für den Wohnungsmarkt fatal: »Man verspricht riesige Renditen – die Fonds müssen 90 Prozent ihres Ertrages an die Aktionäre ausschütten, sie stehen unter hohem Gewinndruck und sind nur am schnellen Geld interessiert. In die Instandhaltung der Wohnungen werden sie kaum investieren.« Die Mieter seien die Leidtragenden, denn die Wohnqualität werde abnehmen, die Mieten aber würden steigen.

Ohnehin wurde in den vergangenen Jahren bereits ein großer Teil des öffentlichen Wohnungsbestandes privatisiert. Bis Anfang des Jahres 2006 waren es 730 000 Wohnungen. Nach einer aktuellen Umfrage überlegen vier von zehn Kommunen in Deutschland, ihren Wohnungsbestand zu reduzieren. Viele der Kommunen sind überschuldet, da sie seit Jahren immer weniger vom Gesamtsteueraufkommen abbekommen. Mit der Einführung von Reits dürften weitere Einnahmen aus der Gewerbesteuer wegfallen. »Es heißt dann wieder: ›Verkauft doch einfach euer öffentliches Eigentum!‹«, befürchtet Rausch. »Das hat mit der Privatisierung von Wasserwerken, ÖPNV, Bädern etc. begonnen. Jetzt ist die Jagd auf die Wohnungen eröffnet. Nun will man mit den restlichen drei Millionen Wohnungen, die sich noch in öffentlicher Hand befinden, Profit machen.«

Rausch ist Mitbegründer der Initiative »Wohnen ist Menschenrecht«, die im vergangenen November in Freiburg mit einem Bürgerentscheid die Privatisierung städtischer Wohnungen anfocht. 70,5 Prozent der Bürger entschieden sich gegen den Vorschlag des grünen Oberbürgermeisters Dieter Salomon, die 7 900 Wohnungen zu verkaufen. Dass die Freiburger mit ihrer Meinung im Trend liegen, zeigt der aktuelle »Mietwohn-Index 2007«, den der »Verband bayerischer Wohnungsunternehmen« in Auftrag gab. Demnach befürchten 73 Prozent der Befragten, es könne in den deutschen Großstädten bald zu wenig bezahlbaren Wohnraum geben. Sozialwohnungen halten 96 Prozent für unentbehrlich. Für umso wichtiger hält es Günter Rausch, eine politische Debatte um die Reits zu führen. Denn mit ihrer Einführung könnte es langfristig »noch schwieriger werden, den Ausverkauf von öffentlichem Wohnbesitz aufzuhalten«.