Wir sind Volker!

Freiburg ist schäbig. Deshalb muss Volker Finke bleiben! von martin janz

Volker Finke muss Trainer des SC Freiburg bleiben! Wer sonst sollte dieses begabte Team zusammenhalten, und, wenn nicht in diesem, dann eben im nächsten Jahr den Aufstieg in die Erste Liga sichern? Zwar weiß jeder, dass auch dieses Team viel zu oft schaurigen Fußball bietet. Doch ist es etwas anderes, mal wieder Bremen, Schalke oder die Bayern zu sehen, als immer nur Burghausen, Jena oder Offenbach.

Aber haben es die Freiburger verdient, mit Spitzenfußball verwöhnt zu werden? Angesichts der Ereignisse rund um die Entlassung Finkes muss man dies bezweifeln. Ein vergleich­bares Medieninteresse gab es nur zu Beginn des Hypes um den »anderen« Fußball­club; zu jener Zeit, als Rodolfo Esteban Cardoso die Herzen höher schlagen ließ, als das Gerücht von der Studentenmannschaft durch die Presse geisterte und ein angeblich südländisches Lebensgefühl verantwortlich gemacht wurde für etwas, das Resultat einer modernen Art war Fußball zu spielen. Damals wurde Frei­burg zur Gegen-Fußballwelt verklärt. Heute treibt eine simple Trainer­entlassung die Stadt in den schieren Wahnsinn.

In der Stadt, in der die Grünen in manchen Vierteln locker 40 Prozent der Wähler­stimmen abräumen, in der unlängst ein Bürger­entscheid die feindliche Übernahme heimischen Wohn­raums durch »Heuschrecken« verhinderte, wird alles daran gesetzt, sich und der Republik zu beweisen, dass hier ein Trainerwechsel anderen Gesetzen folgt als anderswo.

Der Fan-Initiative »Wir sind Finke« geht es mit ihren Plakaten, Aufklebern und T-Shirts nicht um bloße Sympathiebekundung für den scheidenden Trainer. Sie arbeitet daran, die Kün­digung rückgängig zu machen. Ehemalige Aktivisten der Anti-AKW-Bewegung – zumindest sehen sie so aus –, die immer schon für, nie wirklich gegen etwas waren, stehen bei den Heimspielen vor den Toren des noch immer liebevoll Dreisamstadion genannten Badenova-Stadions, verteilen Flugblätter und sammeln Unterschriften. Nur geht es diesmal nicht um regenerative Energiequellen, sondern um die Bewahrung der heimischen »Fußballkultur«. In Günter Grass, der mit ganzseitigen Anzeigen in der Lokalpresse für Finke wirbt, haben sie genau den deutschen Intellektuellen als Wortführer gefunden, der ihnen zusteht. Die Sache, um die es eigentlich geht, nämlich der – selbstredend auch in Freiburg – von Werbe- und Fernsehgeld abhängige Profi-Fußball, tritt in den Hintergrund. Man mag diese schönste Nebensache der Welt mögen oder nicht. Man kann sich an faszinierenden Doppelpässen oder genialen Dribblings erfreuen oder nicht. Daraus aber ein grün-alternatives Politikum zu machen, ist typisch Freiburg.

Schon der penetrant zur Schau gestellte Multikulturalismus hat nicht das Geringste mit der schlichten Tatsache zu tun, dass die Spieler aus Burkina Faso, Mali, Ghana, dem Libanon, Georgien, Österreich und Deutsch­land zuweilen prächtigen Fußball spielen. Auch in Freiburg werden, wenn der Ball nicht so läuft, wie man das von den Kurzpass-Spezialisten gewohnt ist, Stimmen laut, die fordern, man solle die Afrikaner in die Wüste und die Perser zu ihren Kamelen schicken, um Platz für deutsche Nachwuchskräfte zu schaffen.

Mittlerweile ist die Stadt gespalten: »16 Jahre Finke sind genug!« glauben die einen mit dem grünen Oberbürgermeister Dieter Salomon. Sie setzen auf Veränderung um der Veränderung willen und liegen damit im Trend grün-konservativer Erneuerung des falschen Ganzen, die im Musterländle derzeit politischen Erfolg garantiert.

Die basisdemokratischen Bewahrer hingegen verfolgen das unter sportlichen Aspekten gesehen einzig Richtige (Finke muss bleiben), bedienen sich aber Methoden, die eher der ortsansässigen »Selbstorganisierten Unabhängigen Sied­lungsinitiative« angemessen sind als einem Fußballclub, der in erbarmungsloser Konkurrenz zu anderen Profivereinen steht. Die Initiative »Wir sind Finke« taugt, wie der Name schon sagt, als Identifikationsprojekt und Spielwiese für in die Jahre gekommene bürgerbewegte Aktivisten. Ansonsten ist sie so albern und anachronistisch wie die Beschwörung der Kumpeltradition auf Schalke.

Wie ein Fußballstandort mit Niveau aufgebaut und gesichert werden kann, konnte man hier 16 Jahre lang verfolgen. In Zukunft jedoch werden die Frei­bur­ger sich wieder mit passiv-energetischem und autofreiem Wohnen beschäftigen müssen. Verdient haben sie es!

Martin Janz ist Mitarbeiter des Ça-ira-Verlags in Freiburg.