Nachrichten

Kai (42 J.) wird Berliner!

Redaktionsumzug. Kai Diekmann hat einen großen Wunsch. »Mir würde es sehr gefallen, wenn wir noch in diesem Jahr am 3. Oktober die erste Bild-Ausgabe von Berlin aus produzieren würden«, sagte der Chefredakteur des von ihm so bezeichneten »großen, nationalen Mediums« in der vergangenen Woche in einem Interview. Die Bild-Zeitung wird ihren Redaktionssitz wahrscheinlich von Hamburg nach Berlin verlegen, nach Angaben Diekmanns ist der Vorstandsvorsitzende des Axel-Springer-Konzerns, Mathias Döpfner, ebenfalls angetan von dem Vorhaben. Warum es Berlin sein muss, erklärte Diekmann auch: »Berlin ist gelebter Informationsvorsprung. Die Bild-Zeitung ist gedruckter Informationsvorsprung, deshalb gehört beides zusammen. Berlin ist Agendasetter, und Bild ist Agendasetter.« Wo Diekmann diesen unerträglichen Mediensprech aufgeschnappt hat, ist ein Rätsel. Sein Blatt ist doch für eine ganz andere Ausdrucks­weise bekannt. Am 3.Oktober dürfen solche Fehler nicht unterlaufen. Denn dann feiern Bild, Berlin, Deutschland und Kai Diekmann die ganz große Vereinigung. Man nehme sich also Urlaub und fahre weit weg im Oktober! (mst)

Schwerter zu Kochlöffeln

Bobby Seale. Vor 40 Jahren besetzten bewaffnete Mitglieder der Black Panther Party das Kapitol der kalifornischen Hauptstadt Sacramento. Bobby Seale, ein Gründer der Organisation, hat dem bewaffneten Kampf längst abgeschworen. Aus Anlass des Jubiläums gab er in der vergangenen Woche in der Presse Auskunft über seinen persönlichen Marsch durch die Institutionen nach seiner Zeit bei den Black Panthers. Dass er an der Universität in Philadelphia gearbeitet hat und immer noch Vorträge hält, ist sicher wenig aufregend. Aber der Revolutionär in Rente ist auch als Fernsehkoch tätig und schreibt Bücher über das Barbecue. Dennoch ist Seale keineswegs ein Privatier. Dazu kann sich ein ehemaliger Kader, der auch mit dem Maoismus und dem Nationalismus liebäugelte, dann wohl doch nicht durchringen. Der Erlös des Kochens geht an ein Projekt, das schwarzen Jugendlichen Arbeit vermittelt. Nun ja, das ist sicher nicht das Schlechteste. Leider gab Seale im Interview keine Auskunft darüber, welche Speisen er mit Vorliebe zubereitet. Vielleicht brät er ja gerne Pigs. (mst)

Goa bleibt indo-arisch

Goa-Trance-Szene. Die wabernde, psychedelische Technomusik, die Goa-Trance oder auch Psy-Trance genannt wird, hat ihren Namen von dem indischen Bundesstaat Goa. In den Neunzigern entstand sie dort zu dem Zweck, bedröhnte Hippies und Rucksacktouris­ten zu beschallen. In Deutschland hat die Musikrichtung ebenfalls Anhänger. Einige besuchen manchmal das Internetforum »Goa­trance«. In dem Szeneportal diskutieren sie dann wichtige Fragen: Ist es wirklich schlimm, wenn ein Nutzer des Forums als Erkennungs­symbol ein Ha­kenkreuz verwendet? »Tahuti« weiß eine Antwort: »Die Integration verschiedenster Gruppen, Cliquen und Szenen war doch schon immer eine Stärke von Goa.« Es gibt schließlich Schlimmeres auf der Welt. Ungerecht sei es, dass die Deutschen immer noch mit dem National­sozialismus in Verbindung gebracht werden, findet »Spelldamage«: »Wir müssen alle von diesem Nazitrip herunter kommen. Wir Deutschen sind seit 50 Jahren friedlich.« Mit der Harmonie und dem Frieden ist jedoch Schluss, wenn man auf ein anderes Thema zu sprechen kommt. » Auch Israel ist ein Tätervolk!« empört sich »Antishanti«. Ein anderer ist nicht nur Indien-, sondern auch Nahost-Experte: »Die Israelis schlachten jeden Tag grundlos Unschuldige ab!« Ein weiterer Schreiber gibt seine Kenntnisse über das Judentum preis: »Die Juden bestimmen die Goldpreise, den Diamantenmarkt, den Ölmarkt, die Banken.« Sollten NPD-Mitglieder in der vergangenen Woche ebenfalls das Forum besucht haben, dürfte in der Parteizentrale schon fieberhaft an einer Nazi-Trance-CD gearbeitet werden. (mst)

Kazakh Rhapsody

Borat wird Freddie. Die Qualität so genannter Biopics hängt maßgeblich von der Besetzung ab. Der Darsteller sollte der bekannten Person, deren Leben es zu verfilmen gilt, nicht nur ähnlich sehen. Die Mimik, die Gestik, die Bewegungen, alle Züge eines Menschen müssen verinnerlicht werden. Joaquin Phoenix konnte in der Rolle von Johnny Cash überzeugen. Will Smith als Muhammad Ali zu sehen, hinterließ einen zwiespältigen Eindruck. Sehr gespannt darf man sein, wie Sacha Baron Cohen die Aufgabe löst, Freddie Mercury zu spielen. Der Brite hat die Rolle des 1991 verstorbenen Sängers der Band Queen in der vergangenen Woche erhalten. Sowohl die Produzenten des Films als auch die noch lebenden Bandmitglieder zogen Johnny Depp vor. Das kann man verstehen. Cohen, der im vergangenen Jahr als »Borat« in den Kinos zu sehen war, kann sich den Schnauzbart, den er als vermeintlicher kasachischer Reporter trug, einfach wieder ankleben. Und singen kann Cohen auch. Man erinnere sich nur an die kasachisch-amerikanische Nationalhymne, die er als Borat zum Besten gab. Vielleicht schmettert der Brite ja mit derselben Inbrunst bald Queens »Bohemian Rhapsody«. (mst)

Bored to death

Angestaubte Avantgarde. Keine Angst, nichts ist passiert. Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin steht noch nach dem Konzert der japanischen Noiseband The Boredoms in der vergangenen Woche. Anderes war kaum zu erwarten, auch wenn man die Legende von der zerstörerischen Brachialgewalt der Boredoms gerne glaubt. Die drei im kleinen Kreis auf der Bühne stehenden Schlag­zeuge haben ein wenig Staub aufgewirbelt, sonst ist nichts passiert. Das Häuf­chen der ungefähr 150 Besucher, die das vermeintliche Spektakel auf keinen Fall verpassen wollten, hat das aber nicht enttäuscht. Politische, kritische Kunst muss anscheinend langweilig sein. Aber die Boredoms sind eben doch lauter und kurzweiliger, als dass man die Ruhe fände, sich so bei ihnen zu langweilen, wie sie es verdient hätten. (br)