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Wieder einmal Opfer

Norman Finkelstein. Es wäre falsch zu behaupten, Norman Finkelstein besäße kein Talent. Der US-amerikanische Politologe hat den Deutschen mit seinem Buch »Die Holocaust-Industrie« aus dem Jahr 2000 aus der Seele gesprochen. Dass ausgerechnet eine Jude behauptete, die Jewish Claims Conference bereichere sich auf Kosten der Überlebenden der Shoah und das Holocaustgedenken diene dazu, die irgendwie auch nur von den Nazis abgeschaute Politik Israels zu legitimieren, ließ nicht nur die Junge Freiheit und die National-Zeitung jubeln. Auch andere deutsche Zeitungen räumten Finkelstein derart wohlwollend Raum ein, dass seine vielfach falschen Behauptungen in den Rang wissenschaftlicher Wahrheiten erhoben wurden.

An der katholischen DePaul-Universität in Chicago ist man anschei­nend nicht ganz von Finkelsteins Fähigkeiten überzeugt. Die Privathochschule, an der er seit 1998 tätig war, hat seinen Antrag auf eine unbefristete Professur abgelehnt. Die von Finkelstein verursachten Kontroversen hätten der Universität Einbußen in Millionenhöhe beschert, Finanziers hätten sich abgewandt, hieß es von Seiten der Hochschulleitung.

Der Politologe selbst bezeichnet den Beschluss als »politische Entscheidung« und sieht sich wieder einmal als Opfer »mächtiger, jüdischer Netzwerke«. Auch der Tagesspiegel hat die Angelegenheit durchschaut und getitelt: »US-Uni straft israelkritischen Politologen ab«. Das Ende seiner Karriere muss Finkelstein aber wirklich nicht befürchten. Zur Not kann er sich jederzeit in Deutschland auf eine ausgedehnte Vortragstournee bege­ben. (mst)

Das Ego tunen

Model- und Freakshow. Dieter Bohlen hat mit seinen Gehilfen in »Deutschland sucht den Superstar« untalentierte Langweiler dazu gebracht, sich zu Trotteln der Nation zu machen. Heidi Klum hat junge Frauen in »Germany’s Next Topmodel« so lange dressiert, bis sie vorbildlich über den Catwalk tippeln konnten. Nun gibt es Neues in der audiovisuellen Unterhaltungssparte »Zurichtungsfernsehen«. Der Sender Pro Sieben hat in der vergangenen Woche die erste Folge der Show »Das Model und der Freak« gezeigt. Mit »Ego Tuning« sollen in der Sendung verschrobene Außenseiter von schönen Frauen gesellschaftsfähig gemacht werden. Haare werden geschnitten, Kleider gekauft, Gewohnheiten geändert. Das Resultat ist aber das gleiche wie bei allen Shows dieser Art: Am Ende sitzen vor der Kamera genauso dröge Typen wie vor den Fernsehern. (mst)

Rappen gegen den großen Satan

HipHop aus Deutschland. Eine gewisse Abneigung gegen die USA sollte man an den Tag legen, möchte man in manchen Bereichen das persönliche Fortkommen sichern. Auch in der Musikbranche wird das antiamerikanische Bauchgrummeln goutiert, wie das Beispiel der HipHop-Gruppe Warheit aus Frankfurt am Main zeigt. Sie ist bei dem Majorlabel Universal Music unter Vertrag.

Die vier harten Kerle haben eine Botschaft. Im Video zur Single »Hölle auf Erden« werden sie, wie die Gefangenen des US-Lagers Guantánamo in orangefarbene Overalls gekleidet, von grimmig drein­schauenden US-Marines herumgeschubst. Diese Zeilen folgen: »Der Teufel ist ein Mann in einem Haus, das weiß ist. Erkenne deinen Feind!« Und sollte es der Hörer nicht ohnehin schon immer gewusst haben, verschaffen ihm Warheit Gewissheit: »Der 11. September, nur ein Mittel zum Zweck, über 3 000 Tote für ein dreckiges Geschäft. Amerika, Land der unbegrenzten Möglichkeiten, opfert seine Menschen, um Feinde zu beseitigen.« Im Refrain hebt das Quartett zu der Erkenntnis an: »In Afrika verhungern Kinder. George Bush spielt Hitler.«

Die Rapper treibt anscheinend auch die Sorge um andere Weltgegenden um. Sie nennen ihren Stil »Intifada-Rap«. Im Stück »Terrorzelle« plappert einer: »Das ist PLO, Gaza-Flow.« Den neuesten Entwicklungen im Gaza-Streifen entspricht der Satz zwar nicht. Die Hörer scheinen Warheit dennoch zu verstehen. Das neue Album »Betonklassik« steht auf Platz 47 der deutschen Charts. (mst)

Wer hat Angst vor Adolf Schäuble?

Wütende Lyrik. Der Dramatiker Rolf Hochhuth hat der taz in der vergangenen Woche sein »bisher wütendstes Gedicht« geschickt. Nun ist es ja noch nicht lange her, dass der Schriftsteller den Holocaustleugner David Irving in der Jungen Freiheit »einen fabelhaften Pionier der Zeitgeschichte« nannte. In der taz ist man dennoch nicht nachtragend und hat Hochhuths Reime abgedruckt. Der Mann scheint zu schäumen: »Vorbeuge-Haft – die Schäuble plant, haben Nazis KZ genannt«. Die Pläne des Innenministers richten sich nach Ansicht des Dichters gegen eine ganz bestimmte Gruppe: »So heute: ist wer gebrandmarkt durch das Indiz, er verfasse ein Flugblatt gegen Globa­lisierung: G8, Heiligendamm –, droht Deportierung in Vorbeuge-Haft;« Man resümiere: Wolfgang Schäuble ist der Führer, die No-Globals sind die Juden von heute. Darauf würde wahrscheinlich nicht einmal Irving kommen. (mst)

Stille Taten

Werbekampagne. Werte Hersteller eines bekannten, alkoholfreien und nach Ihrer Aussage biologisch hergestellten Erfrischungsgetränks aus dem bayrischen Ostheim, Sie haben sich pünktlich zu den Anti-G8-Protesten eine findige Werbekampagne ausgedacht und Ihr Gesöff flugs auf großen Plakaten zum »offiziellen Getränk einer besseren Welt« erklärt. Noch dazu haben Sie mit dem Verweis auf die Internetseite »Stille Taten« zu eben solchen stillen und vor allem guten Werken aufgerufen.

Die Möglichkeit besteht ja wirklich, dass Konsumenten, die sich als »kritisch« bezeichnen und gerade deshalb nicht sonderlich helle sind, Ihre Kampagne irrsinnig witzig und pfiffig fanden. Aber nun einmal im Ernst: Der G8-Gipfel ist vorbei, die Proteste auch. Vollbringen Sie eine stille Tat, entfernen Sie die Plakate wieder! Und unter uns: Ein »offizielles Getränk einer besseren Welt« muss ganz notwendig ein alkoholisches sein. Denn da es die bessere Welt in absehbarer Zeit nicht geben wird, muss man sich die bestehende eben schön saufen. (mst)