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Sie als Leserin oder Leser der Jungle World haben es gut. Ausgesprochen gut sogar. Sie ziehen die nagelneue Jungle World lediglich donnerstags statt mittwochs aus dem Briefkasten. Wenn Sie die Muße haben, können Sie darüber nachdenken, ob Sie sich bereits an das neue Erscheinungsbild gewöhnt haben und ob Sie uns diesbezüglich mit Lob oder Tadel überhäufen möchten.

Für uns aber ist alles völlig anders geworden. Und damit sind an dieser Stelle keineswegs nur der Seitenlauf, das Magazin, die Rubriken und veränderten Formate, die Zeichenzahlen und Fettungen gemeint. Ginge es bloß darum, kämen wir spielend klar. Es ist ein anderer Umstand, der alles umgekrempelt hat.

»Wer hat das Wochenende erfunden?« fragte Tocotronic vor Jahren. Inzwischen wissen wir es: wir! Und zwar in jener Woche, bevor Sie zum ersten Mal die frisch renovierte Jungle World aus Ihrem Briefkasten gezogen haben. Mit dem Erscheinungstag haben wir auch die Produktion umgestellt und gönnen uns seither freie Samstage und Sonntage.

Einem Kollegen oder einer Kollegin freitagabends munter ein »Schönes Wochenende!« zu wünschen, wäre früher als Boshaftigkeit gewertet worden und gar nicht gut angekommen. Denn Samstage und Sonntage, das waren Arbeitstage. Und nicht gerade die entspanntesten. Allenfalls an Montagen, an denen die Stimmung besonders ausgelassen war, hörte man bisweilen: »Na, was läuft am Wochenende?« Gemeint war dann der Dienstag, der siebte Tag, an dem die gesamte Redaktion ruhte, nachdem sie in den sechs Tagen zuvor die Jungle World geschaffen hatte. Dazu gab es pro Nase noch einen weiteren, individuell und in Geheimverhandlungen festgelegten Jungle-freien Tag, der aber mit einem Wochenende nichts zu tun hatte.

Seit der Erfindung des Wochenendes sind die Redakteurinnen und Redakteure außer Rand und Band. Man kann beobachten, wie sie an den einschlägigen Abenden mit reinem Gewissen bis zum Äußersten auf Partys oder in Kneipen ausharren, sich ausgelassen auf Wochenendraves in der Umgebung Berlins vergnügen oder früher undenkbare Vorhaben wie »einfach mal an die Ostsee fahren« spontan planen. Sie rücken Freundinnen und Freunden, Verwandten und Bekannten regelmäßig auf die Pelle, oder sie lassen den Ausgehzwang Ausgehzwang sein und machen einfach mal nichts. Zwei Tage lang. Dass sie dafür an den Werktagen zu gar nichts mehr kommen, erst mühsam lernen müssen, bis wann die Supermärkte geöffnet haben, und Arztbesuche, Friseurtermine und Besorgungen von Woche zu Woche verschieben, sei an dieser Stelle vernachlässigt. Denn die Wochenenden sind einfach zu wunderbar.