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Manche unter uns können sich noch an Zeiten erinnern, da man dem Großvater die große Blechwanne vom Dachboden holte, wenn er sich einmal in der Woche baden wollte. Da wurde töpfeweise Wasser gekocht, die ganze Prozedur dauerte einen Nachmittag lang. Wenn Opa sich in die Wanne setzte, war der Zutritt zur Küche untersagt.

Dann aber kam die bedingungslose Modernisierung übers Land. Selbst Arbeiterwohnungen in Duisburg-Rheinhausen oder Mannheim bekamen eine Zentralheizung, das warme Wasser kam direkt aus dem Hahn wie der Strom aus der Steckdose. Bäder wurden in die Wohnungen eingebaut, Deutschland wurde gerade zum zweiten Mal Fußballweltmeister, Helmut Schmidt Bundeskanzler, und aus dem Fernseher ertönte die Werbung: »Schneeeeeekoppe!«

So lange ist das alles schon her, und dennoch gibt es nach wie vor Wohnungen in diesem Land, die von der Versorgung mit Warmwasser abgeschnitten sind. Selbst manche Zeitungsredaktion leidet unter diesem Mangel. Sie können sich denken, welche.

Als vor einigen Wochen in der Etage über uns die große Renovierung begann, mit all ihren üblen Nebenerscheinungen wie andauerndem Baulärm, Staub, der sich auf unsere Computer legt, und verschwitzten, aber netten Bauarbeitern im Fahrstuhl, überredeten wir unseren Vermieter zu einem Deal. Wir würden die Belästigung nur dann stillschweigend in Kauf nehmen, wenn wir im Gegenzug Warmwasser bekämen. Und er willigte ein.

In der vorigen Woche war es dann so weit. Einen Vormittag lang schraubte ein Arbeiter unter unserer Spüle herum, dann gab es: fließendes, warmes Wasser. Die Euro-Redakteurin wusste als erste, was zu tun sei: »Endlich können wir selbst abspülen! Fuck off, Geschirrspüler!« Eine ganze Stunde lang war sie nicht wegzubekommen vom Spülbecken. Der Inlandsredakteur hingegen steht mehr auf Wellness. Er nahm sogleich ein Fußbad. »Der Winter kommt, und ich bin darauf vorbereitet.« Die Geschäftsführerin indes entwickelte eine besonders zukunftsträchtige Strategie: Bevor sie sich Kaffee einschenkt, wärmt sie sich neuerdings die Tasse an. »Dann wird er nicht so schnell kalt.« Der Anzeigenleiter aber geht einmal am Tag zur Spüle und lässt das warme Wasser ein paar Minuten lang laufen, einfach so. »Es dampft so schön«, sagt er. »Wie ’ne heiße Quelle auf Island.«

Wie man sieht, können sich Redakteurinnen und Redakteure der Jungle World in kürzester Zeit auf neue Situationen einstellen. Der Phantasie sind hier in der Bergmannstraße keine Grenzen gesetzt. Nur eine blecherne Badewanne hat sich bisher noch niemand aufgestellt. Was nicht ist, kann aber noch werden. »Alles fließt.« (Hera Lind)