LeserInnenworld

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Jungle World 40/07: Boykott boykottiert

Repolitisierung der Unis ist gefordert

Zuzustimmen ist Falk zunächst bei seiner Feststellung, dass die Initiativen zum Boykott der Studiengebühren durch Überweisung auf ein Treuhandkonto an allen größeren Hochschulen gescheitert sind. Falsch bzw. äußerst einseitig ist unserer Erfahrung nach jedoch die Darstellung der damit zusammenhängenden Diskussion innerhalb studentischer Zusammenhänge. Dass zu Beginn der Boykottinitiativen tatsächlich eine euphorische Stimmung vorherrschte, möchten wir gar nicht bestreiten. Dies ist jedoch auch nicht anders zu erwarten, wenn überwiegend neue und jüngere Leute zu einem bestimmten Thema aktiv werden. In der politischen Arbeit der Boykottgruppen entwickelte sich jedoch mit der Zeit eine realistischere Einschätzung der Situation. Der Boykott war ein Versuch, in einem kritischen Sinne handlungsfähig zu bleiben/werden, auch nachdem die Studiengebühren von den jeweiligen Landesregierungen zum Faktum gemacht worden waren. Dass illusionäre Hoffnungen à la »Einmal-boykottieren-und-das-Problem-ist-vom-Tisch« nicht geschürt werden dürften, sondern der Boykott lediglich als ein Ansatz unter anderen zur Repolitisierung der Universitäten gesehen werden sollte, war eine mühsam in Diskussionen und der alltäglichen Erfahrung mit den Reaktionen der übrigen Studierendenschaft entwickelte Position. Dass der Boykott so gut wie allerortens scheiterte, liegt daran – wie Falk zutreffend feststellt –, dass die Mehrheit der Studierenden den Gebühren etwas Positives abgewinnen kann und bereitwillig zahlt. Dass dies aber auch damit zusammenhängt, dass sich die Studienbedingungen durch Zurückfahren der staatlichen Finanzierung in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert haben, findet der Autor nicht erwähnenswert. Wer sich nach dem Scheitern der Boykottversuche ernüchtert zurückzieht, hat eine Chance verpasst, klüger zu werden. Wo Studierende jedoch nach neuen Formen des Protests und der Organisierung suchen, lohnt es sich für (studierende) Linke allemal am Ball zu bleiben.

basta

Jungle World 40/07: Ganzheitlich und militant retro

Eine paradoxe Idee

Ihr schafft es immer mal wieder, mich zum Nachdenken und Nachschlagen zu bringen. Zitiert der Autor doch freudig und ausgiebig aus Wikipedia, so möchte ich noch hinzufügen, dass dort unter dem Begriff »Retro« auch der Begriff »paradoxe Idee« zu finden ist. Das passt zur Militanten Gruppe. Dieser Gruppe ein seltsames Verständnis von militantem Widerstand vorzuwerfen, kann ich gut verstehen, sie auf militant retro zu reduzieren macht in der Jungle World durchaus Sinn. Mit der Retro-Kritik an Militanz war es das dann aber auch schon. Wie so oft. Unter »konstruktive Kritik« in Wikipedia findet sich: eine Kritik, die auf Verbesserung des Gegenstandes abzielt. Das wäre bitter nötig. Was wäre eine Militanz, die ihr nicht als Retro im negativen Sinne begreifen würdet?

claudia wernesgrüner