Pogromangst im Vaterland

Eine Ausstellung in Hamburg zeigt den Lebensweg des jüdischen Schriftstellers Heinz Liepmann. von frank scheerer

Für gewöhnlich werden an diesem Ort Steuerbescheide von Schreibtisch zu Schreibtisch gereicht. Zurzeit stoßen Publikum und Personal in der Hamburger Finanzbehörde aber unverhofft auf eine Ausstellung. Sie ist Heinz Liepmann gewidmet.

Zwar würde es dem Mann nicht gerecht werden, spräche man von ihm nur als von einem unbekannten Schriftsteller. Aber bestenfalls erinnert man sich in bestimmten Kreisen an Heinz Liepmann als antifaschistischen Autoren. Für seinen Roman »Das Vaterland«, den er 1933 im Exil in Holland veröffentlichte, handelte er sich den Vorwurf der Verunglimpfung des deutschen Reichspräsidenten, Paul von Hindenburg, ein. Liepmann wurde in den Niederlanden verhaftet, ihm drohten die Auslieferung an Deutschland und das Konzentrationslager. Abgeschoben wurde er dann zunächst nach Belgien. Von dort zog er nach Paris. In der Stadt beendete er den Roman » … wird mit dem Tode bestraft«. Das Buch handelt vom organisierten Widerstand gegen den Nationalsozialismus und von der tödlichen Gefahr, der sich Oppositionelle mit ihren Aktivitäten aussetzten.

Auch die folgenden Jahre blieben von der Flucht gekennzeichnet. 1936 ging Liepmann von Frankreich nach England, 1937 reiste er in die USA aus. Über seine Zeit in dem Land gibt es verschiedene Angaben: Einerseits soll er als Autor keine Bedeutung erlangt haben, so dass er sich sogar auf einer Hühnerfarm und als Nachtportier verdingt haben soll. Anderen Erkenntnissen zufolge hat er in den USA einen Doktortitel erhalten. Nach seinen eigenen Angaben schrieb er für das Magazin Time Life.

Erst 1947 kehrte er wieder nach Deutschland zurück und traf in Graubünden seine spätere Frau Ruth. Nun begann ein weiteres Kapitel in seinem Leben, er gründete in der Hamburger Schlüterstraße eine später einflussreiche Literaturagentur. 1961 ging er schließlich wegen des erneut aufkeimenden Antisemitismus und aus gesundheitlichen Gründen von Hamburg nach Zürich. Dort starb er 1966.

Auch der Zeit vor der Machtübergabe an die NSDAP räumt die Ausstellung Platz ein. Freilich ist auch dieser Lebensabschnitt Liepmanns bereits überschattet. Eine Sektion der Ausstellung ist mit dem Titel »Pogromangst« überschrieben. Der 1905 in Osnabrück geborene Schriftsteller verlor in jungen Jahren seine Eltern und wuchs danach bei seinem Onkel Max Holländer auf. In Hamburg wurde er Hilfsdramaturg an den Kammerspielen und gewann 1931 für seinen Roman »Die Hilflosen« den Internationalen Literaturpreis des Verlags Harper & Brother. Mit seinem Drama »Columbus« avancierte er zum Bühnenautor am Deutschen Schauspielhaus. Im Hamburger Tageblatt wurde sein Stück jedoch in antisemitischer Weise rezensiert. Liepmann half seinem Schriftstellerkollegen Justin Steinfeld, als dieser wegen seiner jüdischen Herkunft vom Altonaer Theater entlassen wurde.

Zweifellos ist es ein schweres Unterfangen, den Lebensweg eines Schriftstellers in einer Ausstellung aufzuzeigen, ohne allzu sehr ins Museale zu verfallen. Der Kurator Wilfried Weinke bringt dem Besucher Liepmanns Biographie dennoch nahe. Dabei kommt die Ausstellung ohne interaktive Hightech-Apparaturen aus. Stattdessen erhält man einen Einblick in die Literatur und das Leben des Autors, viele Bücher in bunten Einbänden gehören zu den Exponaten. Fotos von Liepmann, seiner Frau Ruth und Freunden wurden auf kartonierte Stellwände gezogen und präsentieren die verschiedenen Seiten des Mannes, zeigen ihn als Autoren, Dramaturgen, Emigranten und Remigranten.

Will man die Ausstellung besuchen, trifft man jedoch auf widrige Umstände: Unter der Woche bleiben die Räume eher leer. Wer erwartet auch schon in der Finanzbehörde eine Schau über das Leben eines Schriftstellers? Dabei ist es nur dem Ausstellungsmacher Wilfried Weinke zu verdanken, dass wenigstens dieser Ort zur Verfügung steht. Die Hamburger Kulturbehörde hat die finanzielle Unterstützung für die Ausstellung verweigert. Weinke hat den Raum auf eigene Kosten angemietet.

»Heinz Liepmann – Schriftsteller, Journalist, Emigrant, Remigrant«. Leo-Lippmann-Saal in der Finanzbehörde Hamburg, noch bis 30. November