Parieren geht über Studieren

Für den neuen Studiengang »Military Studies« arbeitet die Universität Potsdam eng mit zwei Instituten der Bundeswehr zusammen. Angeblich wird »kritische Wissen­schaft« betrieben. von jana brenner

Nicht einmal eine eigene Pressemitteilung war der Universität Potsdam ihr neuer Studiengang wert. Dabei handelt es sich bei dem Master-Studiengang »Military Studies – Militärgeschichte/Militärsoziologie« doch um ein »im deutschen Sprachraum einzigartiges Studienangebot«, wie es in der hochschulinternen Zeitung Portal heißt.

Der Asta staunte nicht schlecht, als Plakate im historischen Institut die Eröffnung ankündigten. »Die Uni hat das alles sehr gut geheim gehalten«, sagt Ronny Besançon, Referent für Sozialpolitik. Im Asta glaubt man, dass die Universität absichtlich nicht viel Wind um die Sache gemacht hat, um Proteste zu vermeiden. Rund 50 Studierende störten die Eröffnungsveranstaltung, bei der zahlreiche Bundeswehruniformen zu sehen waren, dann allerdings doch.

Denn den Studiengang »Military Studies« tragen nicht nur die Professuren für Allgemeine Soziolo­gie und die Militärgeschichte. Mit dabei sind auch das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr (Sowi) in Strausberg und das Militärgeschicht­liche Forschungsamt der Bundeswehr (MGFA) in Potsdam. Die Studenten können die Bibliotheken der Institute nutzen oder praktischerweise gleich ihr Pflichtpraktikum dort absolvieren. Außerdem stellen und bezahlen die Institute einen Teil der Dozenten. Diese Tatsachen machen die Beteuerun­gen der Universität und der Bundeswehrinstitute, dass im neuen Stu­dien­gang »kritische Wissenschaft« betrieben werde, für viele schlicht lächerlich. »Ich würde stark anzweifeln, dass eine kritische Auseinandersetzung mit Militärgeschichte und Militärsoziologie möglich ist, wenn die Bun­des­wehr das Ganze finanziert«, sagt Jonna Schür­kes von der Informationsstelle Militarisierung.

Pro Jahr werden rund 15 neue Studenten aufgenommen. »Sie kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, genau wie wir das haben wollten«, sagt Ralf Pröve, Professor für Militärgeschichte. Mit dabei seien zum Beispiel Politologen, Theologen, ein Archivar, ein Afrikanist. Vor allem kämen die Leute aus dem ganzen Bundesgebiet, was für Potsdam und das Land Brandenburg »ein besonderer Erfolg« sei. Zeitungsanzeigen, Flyer und Aushänge hätten gereicht, um die Bewerber anzulocken. Nichts sei geheim gehalten worden, sagt Pröve. »Auch die Homepage ist seit vielen Monaten online. Es gibt in Potsdam über 90 Studiengänge, da ist es doch klar, dass der Asta nicht alle im Kopf haben kann.«

In vier Semestern lernen die Studenten »die Themenfelder Militär, Krieg und organisierte Gewalt« kennen, heißt es auf der Webseite der »Military Studies«. Grundlagen der Militärsoziologie, »Die Bundeswehr als Instrument deutscher Außenpolitik«, Soziologie des Krieges – solche Kurse geben die kenntnisreichen Mitarbeiter der Bundeswehr selbst.

Jonna Schürkes kritisiert die Ziele der Bundeswehr. »Erstens will sie akademischen Nachwuchs rekrutieren, das funktioniert ja schon an den Bundeswehrunis gut. Außerdem will sie über den Zugriff auf staatliche Institutionen die Deutungshoheit über Militärgeschichte und Militärsoziologie erlangen.« Dabei gehe es gerade um die derzeitigen Auslandseinsätze und Umstrukturierungen. Der Studiengang sei ein weiteres deutliches Beispiel dafür, dass die Bundeswehr »immer stärker, aber immer versteckter im öffentlichen Raum auftritt«.

Für den Direktor des Sowi, Ernst-Christoph Meier, liegen die Vorteile der Kooperation in der »Verankerung im Wissenschaftssystem«. Und die will er in der Zukunft noch verstärken, sagte er dem Bundeswehrmagazin Y. online. Die Marsch­richtung ist klar: »Konsequente Ausrichtung unserer Arbeit am Bedarf von Ministerium und Bundeswehr bleibt Leitlinie.« Auch die beteiligten Institute gehen Meier zufolge nicht leer aus, da qualifiziertes Personal herangebildet werde. Eine Hand wäscht also die andere: »Die universitäre Forschung profitiert von dem Wissen und der Expertise der beiden Dienststellen der Bundeswehr. Umgekehrt profitieren wir von dem wissenschaftlichen Diskurs.«

Von Militarisierung will Ralf Pröve nichts wissen. »Eigentlich ist es doch eher umgekehrt: Wir intellektualisieren und demokratisieren die Bundeswehr.« Weniger als 20 Prozent der Lehrbeauftragten kämen aus den Bundeswehrinstituten, »und die arbeiten auch schon seit Jahren an zivilen Universitäten«. Außerdem seien die Einrichtungen nicht gleichzusetzen mit der Bundeswehr. »Beim MGFA tragen 40 Prozent Uniform, der Rest aber eben nicht.«

Jedoch sind die Aufgaben der Institute und ihre Verbindungen mit der Bundeswehr und dem Ver­teidigungsministerium eindeutig. Das Sowi »führt im Auftrag des Bundesministeriums der Verteidi­gung streitkräftebezogene empirische Sozialforschung sowie Grundlagenforschung im Bereich Militärsoziologie durch«, heißt es auf der Web­seite. »Sein Kernauftrag ist es, dem Bundesministerium der Verteidigung wissenschaftliche Erkenntnisse als Entscheidungshilfe zur Verfügung zu stellen.« Das MGFA stellt sich als »die zentrale militärgeschichtliche Forschungseinrichtung des Bundes« vor. Es trage zur »historischen Bildung in der Bundeswehr« bei und stelle Expertisen »für die politische Leitung und militärische Führung sowie für die wissenschaftliche und allgemeine Öffentlichkeit im In- und Ausland« zur Verfügung. Das MGFA ist eine Dienststelle der Bundeswehr.

Beide Institute arbeiten bereits seit Jahren mit der Universität zusammen. Zwischen dem Lehrstuhl für Militärgeschichte und dem MGFA gibt es seit 2001 einen Kooperationsvertrag. Das Sowi und der Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie arbeiten seit 2004 zusammen. Und die Professur für Militärgeschichte richtete der ehemalige Verteidigungsminister Volker Rühe im Jahr 1996 ein, als das MGFA von Freiburg nach Potsdam umzog. »Die Bundeswehr hat sozusagen als Gastgeschenk an das Land Brandenburg fünf Jahre lang die Professur finanziert«, sagt Ralf Pröve. Mittlerweile kommt die Universität für die Professur auf.

Mit Kritik tut sich auch der Asta in Potsdam schwer. So stehe zwar »ein Großteil des Asta dem Studiengang sehr kritisch gegenüber«, ver­sichert Tamás Blénessy vom Referat Öffentlichkeitsarbeit. Doch über den anderen Teil wolle man sich nicht mit einer offiziellen Stellungnahme hinwegsetzen. Derweil schauten die Mi­litär-Studenten öfter beim Asta vorbei: Ihnen würden ständig die Seminarunterlagen geklaut.

Ein Einzelfall ist die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Hochschulen und der Bundeswehr keineswegs. Proteste von Studenten gibt es jedoch nur selten. »Lehrbeauftragte aus Unter­nehmen werden oft sehr viel kritischer gesehen«, sagt Jonna Schürkes. Die nächste engere Kooperation ist schon in Vorbereitung. 2009 oder 2010 will die Fachhochschule Ingolstadt den Studiengang »Luftfahrttechnik« einrichten. »Das läuft zwar nicht über eine direkte Zusammenarbeit, dient aber ganz klar der Vorbereitung zur Karriere in der Bundeswehr«, so Schürkes.