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Mehr rauchen, mehr saufen, weniger Sport! Schlechte Vorsätze fürs neue Jahr sind diesmal schwer angesagt. »Öfter Tiefkühlpizza«, murmelt jemand, »weniger Sex« wer anders. Sich weniger um seine Freunde und mehr um sich selber kümmern und nicht mehr auf die Figur achten. Süßigkeiten ohne Ende! Jeden Tag die Bild-Zeitung lesen und im Urlaub vielleicht einfach mal gar nicht verreisen. Einen Heizpilz für den Balkon anschaffen. Weniger Obdachlosenzeitungen kaufen. Mehr fernsehen. Fremdgehen. Seltener aufräumen und alles klein schreiben. Keine Demos mehr. Mehr Zeit mit Ballerspielen verbringen. Dem Nachbarn mal die Meinung geigen und richtig beleidigend werden. Vielleicht wieder mit Kiffen anfangen. Den Notgroschen sinnlos auf den Kopf hauen. Die Bio­grafie von Petra Kelly lesen. Nicht mehr alle E-Mails beantworten. Aus der Gewerkschaft austreten. Sich vom Partner trennen.

Die Liste schlechter Vorsätze wird lang und länger, wenn man sich im Bekanntenkreis so umhört. Ja, was ist denn hier los? Hat denn niemand mehr gute Vorsätze? Na, dann sag’ doch mal, was gute Vorsätze wären, so zum Beispiel, hört man da als Erwiderung. Ist das nicht logisch? Weniger rauchen, weniger saufen, mehr Sport, sich gesünder ernähren, den Heizpilz entsorgen, die Biografie von Petra Kelly dem Nachbarn schenken und sich mit dem Liebsten zusammenraufen. Aber im Ernst: Wäre das wirklich gut? Ginge es uns damit besser? Kommt es nicht einfach nur darauf an, sich überhaupt etwas vorzunehmen?

Nö, sagt da ein Kollege am Tisch nebenan. Wenn ich mir etwas vornehme, wird das eh nix. Sagt’s und bastelt weiter eifrig am Jahrhundertprojekt. Seien wir doch ehrlich, es kommt nicht darauf an, sich etwas vorzunehmen, sondern es zu tun. Glauben Sie wirklich, mit dem Buchtitel »Was sich vornehmen?« hätte Lenin solchen Erfolg gehabt? Wer kauft sich schon einen Ratgeber mit dem Titel »Was sich vornehmen im Trauerfall«? Würden Sie wirklich die Jungle World abonnieren, wenn wir uns nur vornehmen würden, jede Woche eine Zeitung zu produzieren? Sicher nicht. Drum wollen Sie, völlig zu Recht, auch nicht mit unseren Vorhaben für das Jahr 2008 gelangweilt werden. Lieber basteln wir hier in aller Stille weiter an Jahrhundertprojekten, die, wie allgemein versichert wird, nicht deshalb so heißen, weil sie Jahrhunderte brauchen, um Realität zu werden.

Weshalb hier im Raum gelegentlich Sätze fallen wie: »Jetzt sagt mir mal, was ich mit der Schildkröte, die ich hingerichtet habe, machen soll?«, das bleibt nicht nur für Sie ein Rätsel. Vermutlich ist auch dies ein Jahrhundertprojekt, von dem wir nur noch nichts wissen. Da hier aber allesamt Männer und Frauen der Tat am Werke sind, werden wir die erstaunlichen Ergebnisse ganz sicher schon bald bewundern dürfen.