Dresden lädt zum Februarfest

Was für München das Oktoberfest, ist für Dresden das Gedenkspektakel am 13. Fe­bruar. Auch in diesem Jahr wollen zivilgesellschaftliche Initiativen und Neonazis der Toten des Bombenangriffs der Alliierten aus dem Jahr 1945 gedenken. Die Gegenkampagne der Antifa meint: »Selber schuld!« Manche finden das wiederum zu antideutsch. Von Andre Seitz

Ein Dienstagnachmittag in Dresden. An den Elbterrassen stehen Hunderte Menschen, deren Blick sich an die Kuppel der Frauenkirche heftet. Mit einem Kran wird die Turmhaube auf die Kuppel gesetzt. Zwei Frauen betrachten spöttisch vom Kirchenvorplatz aus das Spektakel, ein Feuerzeug klickt, Zigaretten werden angezündet. Ein paar Bürger sind empört. »Hören Sie auf, hier zu rauchen, das ist ein Gottesdienst!« schimpfen sie und versuchen, Polizisten zum Eingreifen zu bewegen. Diese haben allerdings keine Lust. Die Zigaretten können zu Ende geraucht werden.

Gefühlige Szenen wie diese aus dem Juni 2004 sind selten geworden, seitdem die Kirche wieder steht und vom Sender MDR und der Boulevardzeitung Super-Illu treffend als Symbol für »die Versöhnung, für die deutsche Einheit, für Engagement und Spendenbereitschaft unzähliger Menschen« gefeiert wurde.

»Seit der langjährige Schutthaufen verschwunden und vor allem ein touristisches Ziel geworden ist, eignete sich der Ort kaum noch für das kollektive abendliche Stelldichein«, resümiert der Antifa-Aufruf, der zu Aktivitäten gegen den jährlichen offiziellen Gedenkritus und den Dresdner Großaufmarsch von Neonazis am 13. Februar ermuntern will.

Im vorigen Jahr hatte der Zulauf zur Frauenkirche an dem Tag, an dem der Bombardierung der Stadt im Jahr 1945 gedacht wird, nachgelassen. Das soll sich dieses Jahr ändern. Unter dem Motto »Wahrhaftig erinnern – Versöhnt leben« kündigen die Stiftung Frauenkirche und die Gesellschaft zur Förderung der Frauenkirche eine Veranstaltung auf dem Dresdner Neumarkt an. »Das Bild einer brennenden Kerze wird in einer Licht­installation an die Frauenkirche projiziert und soll anknüpfen an die Tradition des Gedenkens, zu dem schon in den achtziger Jahren Menschen an die damalige Ruine der Kirche Kerzen stellten und so ein Zeichen für Frieden und Versöhnung setzten«, heißt es in einer Ankündigung.

Jedes Jahr versucht der Vorbereitungskreis der Antifa den Widerspruch zu überwinden, gleichzeitig das bürgerliche Trauerritual zu kritisieren und den Naziaufmarsch verhindern zu wollen. Dieses Jahr lautet das Motto der Gegenaktivitäten: »Selber schuld!«

Am Morgen des 13. Februar ist eine Kund­ge­bung gegen das offizielle Ritual am Heidefriedhof und am Abend eine Antifakundgebung an der Synagoge geplant. Für den 16. Februar ist eine Demons­tration gegen Geschichtsrevisionismus und gegen den Naziaufmarsch angekündigt. Die Antifa ist zweimal da, denn in diesem Jahr planen Neonazis zwei Aufmärsche durch Dresden.

Zum »Fackelzug« am Abend des 13. Februar ruft ein rechtsextremes »Aktionsbündnis gegen das Vergessen« auf, am darauf folgenden Wochenende, am 16. Februar, will die »Junge Landsmannschaft Ostdeutschland«, ehemals »Junge Landsmannschaft Ostpreußen«, wie in den vergangenen Jahren durch Dresden ziehen.

Zum ersten Aufmarsch rufen hauptsächlich säch­sische und thüringische Neonazis auf. »Auch wenn dieser aller Wahrscheinlichkeit nach bescheidener als im letzten Jahr und naturgemäß auch kleiner als der Marsch am 16.Februar ausfallen dürfte«, schreiben die Kameradschaftler Maik Müller und Ronny Thomas, »wir vertreten den Standpunkt, dass bestimmte Daten wie beispielsweise der Volkstrauertag, der 8.Mai oder eben der 13.Februar für uns als Volk, also als bio­logisch gewachsene Schicksalsgemeinschaft, von elementarer Bedeutung sind.« Zum Aufmarsch am Wochenende wird sogar international aufgerufen.

Spätestens seit dem Jahr 2005 ist das Dresdner Februar-Spektakel in den Fokus der bundesweiten Antifa-Aktivitäten gerückt. Zum 60. Jahrestag der Bombenangriffe auf Dresden zogen 5 000 Nazis durch die Stadt. Am Vortag hatten gerade mal 500 Antifas gegen den Aufmarsch demons­triert.

Auf ihrem offiziellen Plakat zeigte die Stadt Dresden damals, wie sie die Bombardierung Dresdens bewertet: »Dresden 1945« stand neben anderen zerstörten oder angegriffenen Städten: von Bagdad, Coventry, Grosny bis New York, Sarajevo, Warschau. Eine Blockade des Aufmarschs wurde damals von einem Großaufgebot der Polizei verhindert.

Kritiker wie etwa die vom Antifaschistischen Infoblatt machten im Nachhinein nicht die verhältnismäßig geringe Zahl von Antifas und das Fehlen zivilgesellschaftlichen Protests in Dresden für den Erfolg des Naziaufmarsches verantwortlich, sondern meinten: »Zustände, dass Neonazis ungehindert in Großgruppen durch die Stadt ziehen, um Linke, Nichtdeutsche und die Dresdner Synagoge zu attackieren, sind Szenen, die mehr erfordern als Scheindebatten darüber, ob die bürgerliche ›Deutsche-als-Opfer‹-Inszenierung schlimmer zu bewerten sei als Tausende mar­schieren­de bekennende Neo-Nationalsozialisten.«

Damit steckte das Antifaschistische Infoblatt den Rahmen für die Kritik am Dresdner Vorbereitungsbündnis ab. Immer wieder wurden dessen vermeintliche Kompromissunfähigkeit, sein angebliches »Bürger-Bashing«, seine Slogans und das Auftreten mit Fahnen der Alliierten kritisiert.

»Mit der zunehmenden Relevanz des Themas gerade um den 60. Jahrestag gab es auch die Kritik, dass die Antifa zu antideutsch sei, die Opfer verhöhnen würde und menschenverachtend sei. Gleichwohl wurde dabei kaum die in den Aufrufen formulierte Kritik am Opfermythos und den Legenden aufgegriffen«, sagt Steve, ein Dresdner Antifa.

Eine offizielle Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlichen Gruppen und der Antifa gab es in den vergangenen Jahren tatsächlich nicht. Die Antifademonstration aber wuchs im vorigen Jahr auf 1 500 Personen an. Die Frustration über die Vorherrschaft der Neonazis in der sächsischen Provinz ist der Grund, warum immer mehr Antifas zur Demonstration nach Dresden kommen.

Dass dabei zuletzt die Analyse des bürgerlichen Gedenkens vernachlässigt worden sei, kritisiert etwa auch die Zeitschrift Phase 2: »Mit diesem Beharren auf dem vermeintlichen Unterschied zwischen Zivilgesellschaft und Aktiv-Antifa, der Feinderklärung an eine Republik, die es nicht mehr gibt, und der Suggestion, dass die Neonazis das größte Problem des 13. Februars seien, betreibt die Antifa damit inzwischen ihren eigenen Dresden-Schwindel.« Mittlerweile sei Dresden im bundesdeutschen Geschichtsdiskurs angekommen, heißt es weiter.

»Die Kritik in der Phase 2 zeigt auch die Grenzen, in denen sich die Antifa am 13. Februar bewegt. Das heißt, sowohl Naziaufmarsch als auch deutsches Opfergedenken angemessen zu thematisieren«, meint Steve.

Als das neue Motto, »Selber schuld!«, bekannt geworden sei, habe es wieder Kritik gehagelt, dass alles zu antideutsch sei, erzählt Steve. »Aber nur die NPD, Holger Apfel und Co. zu thematisieren, war dem Vorbereitungkreis zu wenig, da das nur dazu reicht, zur Nazijagd aufzurufen. Gerade, dass die Antifa das Gedenken in seinen Formen, d.h. auch als Naziaufmarsch oder als Gottes­dienst kritisiert, unterscheidet die Antifa-Posi­tion von den Zivilgesellschaftern«, davon ist Steve überzeugt.