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Vor ein paar Wochen schaltete ganz Deutschland das Licht aus, um an die Vorteile der Verdunkelung zu erinnern. Die Jungle World boykottierte diese Aktion der Energiesparlampen-Lobby. Kein fauler Witz und kein kritischer Artikel wurde publiziert. Schließlich brennen in den Redaktionsräumen der Bergmannstraße Tag und Nacht die Lampen, die Rechner und Drucker werden quasi nie ausgeschaltet, und der Kühlschrank läuft auf Hochtouren. Doch am vorigen Donnerstag wurde die Redaktion nun Opfer einer Stromsperre. Pünktlich um 15 Uhr ging das Licht aus, die Monitore wurden schwarz, die Telefonleitungen waren tot, und die Notstromversorgung des Servers fing an zu piepen wie der Bombenzünder bei James Bond. »Mach doch mal einer dieses Gepiepse aus«, rief ein sichtlich verängstigter Redakteur. »Kannst du nicht lesen?«, fragte ein anderer, ebenfalls leicht panischer Mitarbeiter. »Uninterruptable Power Supply. Do not switch off/plug out! (it makes noises in case of power failure)«, ist auf einem grauen kleinen Kasten zu lesen.

Ein Spähtrupp wurde zur Mieterbefragung ausgeschickt und kehrte mit einem erstaunlichen Ergebnis zurück: Alle anderen im Haus hatten Strom. Da blieben nur zwei Erklärungen: Entweder die Ökostrom-Lobby wollte uns dazu zwingen, kritisch über unnützen Strom­verbrauch nachzudenken und zu berichten, oder jemand wollte unsere Arbeit boykottieren. Einige vermuteten dahinter den pakistanischen Geheimdienst, denn um 15.30 Uhr stand ein wichtiges Interview mit einer pakistanischen Militärkritikerin an.

Andere hielten nichts von dieser Spur und riefen den örtlichen Strombetreiber an, der sich schuldig bekannte und erklärte, dass mehrere Straßenzüge betroffen seien. Das Layout witterte seine Chance, zog sich die Kapuzis über und rannte auf die Straße: »Erstmal gucken, wo man was plündern kann.« Doch noch bevor sich einer von ihnen die Nintendo Wii besorgen konnte, wurde es wieder hell, und die betrübten Mitarbeiter kamen mit der üblichen Tiefkühlpizza für 2,49 Euro zurück.

Der Auslandsredakteur erinnerte sich an seine Zeit in Gambia und im Sudan und empfahl dem Geschäftsführer, zur zukünftigen Sicherung der Zeitung nicht nur für mehr Abonnenten zu sorgen, sondern auch Notstromgeneratoren anzuschaffen und Ge­müse­beete anzulegen. Wo soll das alles noch enden? Weniger Auto fahren, weniger essen, weniger rauchen, weniger verdienen, weniger Strom benutzen? Eins ist sicher: nicht mit uns!