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Wer kann schon von sich behaupten, in kurzer Zeit sein Großhirn und sein Kleinhirn vollständig erneuert zu haben? Die Jungle World kann! Zugegeben, zuvor waren Großhirn und Kleinhirn kaputt, weshalb es unumgänglich war, sie auszutauschen. Nur Eingeweihte wissen: »Großhirn« und »Kleinhirn« nennen wir liebevoll die beiden Redaktionsdrucker, die Woche für Woche für uns das halbe Internet und Korrekturfahnen in Hülle und Fülle ausspucken müssen und überhaupt zu den kostbarsten Dingen gehören, über die die Redaktion verfügt.

Das neue Kleinhirn mögen wir allerdings noch nicht so gern wie das alte. Denn obwohl es nicht mit Klebestreifen vorm Zerfall bewahrt werden muss und keinerlei Spuren von Nikotingelb aufweist, funktioniert es einfach nicht. Jedenfalls nicht so, wie wir es gern hätten. Nach alter Tradition produziert es munter Papier­staus oder betätigt offenbar eigenständig den Knopf mit der Aufschrift »Job abbrechen«. Unser semivirtueller Systemadministrator musste bereits wiederholt von seiner geheimen Schaltzentrale aus knallharte Befehle geben und mit Rückgabe drohen, um das Kleinhirn zum Arbeiten zu bewegen. (So stellen wir uns das hier vor. Die Schaltzentrale, die ungefähr so aussehen muss wie der Arbeitsplatz von Captain Kirk, ist nämlich so geheim, dass sie außer dem Systemadministrator niemand kennt. Einige Redakteure glauben, sie befinde sich in einem tiefen Stollen im Teufelsberg, andere vermuten ihren Sitz in einem Loft in Schöneberg.)

Jedenfalls, seit die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des Jahres zu spüren sind, passiert so einiges in der Bergmannstraße. Alles ist im Fluss. Schon nach einer Woche Abwesenheit findet man kaum seinen Arbeitsplatz wieder.

Denn ein der Zeitung wohlgesonnener Mensch ließ es freundlicherweise zu, dass der Herr Geschäftsführer bei ihm vorbeikam, mehrere Tische ins Auto lud und mit ihnen wegfuhr. Verdiente Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Zeitung sind bereits seit längerer Zeit dazu übergegangen, ihre alten Kuschelsofas nicht der BSR, sondern der Redaktion anzuvertrauen, so dass hier, nun ja, antike Wohnlandschaften entstehen. Der neue Wasserkocher sieht ebenfalls aus, als habe er das 20. Jahrhundert noch ausgiebig kennen gelernt, aber er muss noch nicht mit einer an ihn montierten Büroklammer davon abgehalten werden, zu kochen, bis das Wasser vollständig verdampft ist, und anschließend zu explodieren. Und schließlich wartet ein Telefon, das Interviews aufzeichnen kann, darauf, in Betrieb genommen zu werden. Die Büroklammer sorgt derweil dafür, dass das Telefon des Layouters nicht brummt. Eines ihrer Enden steckt irgendwo im Apparat, und das Ende, das aus ihm ragt, muss beim Telefonieren angefasst werden. Ein Wunder der Technik.