Der »Schwarze Kanal« sendet wieder

Linke Medienkritik dient meist der Selbstvergewisserung eines Milieus, das sich im Besitz der alleinigen Wahrheit glaubt. Ein Kongress der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin hat dies eindrucksvoll belegt. Von Stefan Wirner

Schlimm, schlimm, böse, böse: So fällt für gewöhnlich das Urteil aus, wenn Linke sich zum Thema Me­dien äußern. »Die Medien« werden dabei meist als ein monolithischer Block aufgefasst, der »gleichgeschaltet« ist und Tag und Nacht mit nichts anderem beschäftigt ist als damit, den Verblendungszusammenhang aufrechtzuerhalten. Als Gegenmaßnahme wird von den linken Medienkritikern der Aufbau einer Gegenöffentlichkeit gefordert, die den Bürger, der selbstverständlich den Verblendungszusammenhang nicht durchschaut, aufklären soll.

So ähnlich äußerte sich auch das Gros der Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Konferenz, die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Marx-Engels-Stiftung in Wuppertal organisiert wurde. Einige Vorträge, die dort gehalten wurden, sind unter dem Titel »Medienmacht und Widerspruchserfahrung« veröffentlicht worden.

Schon im Vorwort ist vom »Medienapparat«, den »Manipulationsapparaten«, den »Sprachregelungen« und der »Propaganda« die Rede, die einer »geistigen Formierung« dienten, indes der Bevölkerung die »Übernahme herrschaftskonformer Interpretationsschablonen« beschei­nigt wird. Kurz gesagt: Ein universeller Kai Diekmann kontrolliert sämtliche Fernsehsender, Radiostationen und Zeitungen und verblödet mal eben 80 Millionen Menschen.

Welcher Art aber sind die Informationen, die dieser völlig hilflosen und ahnungslosen Öffent­lichkeit vorenthalten werden? Das Geheimnis lüftet Bernd Hamm, Professor für Siedlungs-, Umwelt- und Planungssoziologie an der Universität Trier. Er stellt seinem Traktat ein Zitat von Joseph Goebbels voran: »Die Wahrheit ist der Todfeind der Lüge, und daher ist die Wahrheit der größte Feind des Staates.« Dann fragt er: »Was ist am 11. September 2001 in New York, Washington und Shanksville wirklich geschehen?« Der Spiegel etwa beharre »gegen erheb­liche Evidenz auf der offiziellen Erklärung der Angriffe des 11. September«. Außerdem wundert sich Hamm: »Wie kommt es, dass unsere Medien weiterhin selbstverständlich von ›Präsident Bush‹ reden, obgleich inzwischen ausreichend Beweise dafür vorliegen, dass die Wahlen von 2000 und 2004 gefälscht worden sind?« Ereignisse, über die nur manipulierte Berichte existieren, kennt Hamm zuhauf: Von Pearl Harbor über den Golf von Tongking reichen sie bis zum »Angriff der israelischen Luftwaffe auf den Libanon« und zu den »iranischen Atomwaffen«.

Kein Wunder, dass in Hamms Welt der »neo­liberalen Offensive«, die geprägt ist von »Medienökonomie«, »Medienkonzentration« und die von der »Medienindustrie« vollständig kontrolliert wird, der arabische Frontsender al-Jazeera als »unabhängige Nachrichtenquelle« durchgeht – als ein Paradebeispiel für Gegenöffentlichkeit sozusagen.

Antiamerikanismus, Schmähungen Israels und verschämte Andienerei an den islamischen Fundamentalismus finden sich auch noch an anderen Stellen des Bandes. Aber damit sind längst nicht alle Spezialgebiete der linken Medienkritiker genannt. Der Publizist Peter Burger etwa wirft in seinem Text dem Hollywood-Kino vor, dass es nicht über das Problem des Welthungers informiert oder über die »Konzentra­tion des inländischen und globalen Reichtums«. Hier herrscht: »Entfremdung total.« Die Menschen sind an die Bildschirme »gefesselt«, werden zu »Autisten«, kennen die »Akteure der täglichen Seifenopern« besser als ihre Nachbarn, die Jüngeren unter ihnen haben noch keine Bachstelze gesehen, weil »das multimediale Display des Handys« sie permanent ablenkt, und zu allem Unglück wird der Sex immer »unsinnlicher«, ja: »Die Körper lösen sich völlig auf.« Ein Szenario wiederum, das wie ein Hollywood-Thriller anmutet.

Menschen, die einfach nur ins Kino gehen, um sich zu unterhalten, die lieber eine Liebesschnulze sehen als eine Dokumentation über die schrecklichen Bedingungen im peruanischen Bergbau und die dennoch zwischen einem Film und der Wirklichkeit unterscheiden können, existieren in dieser Weltsicht nicht. Die Individuen sind nur noch »Teil des Innenlebens einer künstlichen Computerwelt«, wenn, ja wenn sie nicht bald gerettet werden von der »Gegen­öf­fentlichkeit«, die in ihren Inhalten dem »Schwarzen Kanal« von Karl Eduard Schnitzler und in ihrer Form den »Heidi«-Filmen ähneln dürfte. Bush heißt dann nur noch »Kriegsverbrecher«, das ist gewiss.

Die meisten in diesem Band versammelten Texte sagen mehr aus über das Milieu, das sich da um die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Linkspartei und etliche außerparlamentarische Grup­pen versammelt, als eine DKP-Abgeordnete aus Niedersachsen, die sich die Stasi zurückwünscht und von der man sich leicht mal eben trennen kann. Die Dokumentation belegt, dass dieses Joint Venture der dritten Art sich längst weiter von der Wirklichkeit entfernt hat, als es Hollywood je gelingen wird. Bedenklich ist dabei das Menschenbild, das dahintersteckt. Vom Einzelnen, der völlig von sich entfremdet ist und der Manipulation nicht gewahr wird, ist es nicht weit zur Masse, die von der richtigen Partei geführt und gelenkt werden muss. Die Pseudomedienkritik entpuppt sich als antidemokratisches Ressentiment.

Wer teilt diesen Kommunikationsforschern mit, dass die Menschen sich auch eigene Gedanken machen und gelegentlich aus Überzeugung lieber die Zeit lesen als das Neue Deutschland, lieber Debug als junge Welt, und dass sie gerne im Internet surfen und trotzdem auch mal ein Schwätzchen mit dem Nachbarn halten? Wer bringt ihnen mal ein paar Tageszeitungen vorbei, damit sie die Vielfalt der Informationen, der Kommentare und Meinungen überprüfen können, die sie für »gleichgeschaltet« halten und am liebsten zugunsten ihrer Verschwörungstheorien, ihrer seltsamen Kinokritik und ihrer Propaganda abschaffen wollen würden?

Peter Bathke, Hermann Kopp, Werner Seppmann (Hg.): Medienmacht und Widerspruchserfahrung. Pahl-Rugenstein-Verlag, Bonn 2007, 156 Seiten, 12,90 Euro