Angst vor Dieben im ostdeutschen Grenzgebiet

Diebstahl lohnt sich nicht

Innerhalb des Schengen-Raums gibt es seit 100 Tagen keine Grenzkontrollen mehr. Das beunruhigt den Bund Deutscher Kriminalbeamter. Er warnt vor Kriminellen aus Osteuropa und fürchtet um den Besitz der Menschen im ostdeutschen Grenzgebiet. Doch wo man nichts zum Stehlen findet, gibt es auch keine Diebe.

Die Ost-Erweiterung der EU ist eine schöne Sache. Wem in Anklam, Ueckermünde oder Löcknitz die Reisetasche aus dem Auto geklaut wird, der muss nur rüber nach Polen, um sich bei H&M neu einzukleiden. Dort ist das zwar nicht unbedingt billiger als in jeder westdeutschen Stadt, aber immerhin ist es möglich.
Doch glaubt man der polizeilichen Statistik, so zählt das ostdeutsche Grenzgebiet, was den »Diebstahl von und aus Kraftfahrzeugen« angeht, mit Bayern und Baden-Württemberg ohnehin zu den sichersten Regionen des Landes. Wenn im Osten Autos verschwinden, dann mit ihren Besitzern und zwar meistens nach Westen. Die Menschen, die bleiben, stellen dann die Dinge an, für die Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern bekannt sind: Brandstiftung, Sachbeschädigung, Beleidigung und Straftaten gegen die persönliche Freiheit. Bei diesen Delikten liegen die drei Länder so deutlich über dem Bundesdurchschnitt, dass den Bewohnern wenig Zeit bleiben dürfte, nebenher noch nach Polen zum Shopping zu fahren.
West-Berliner wissen es ganz ohne Statistik: Zwischen dem Kurfürstendamm und der Fußgängerzone von Stettin liegt eine Gegend, die abgesehen von Baumärkten, Schuhdiscountern und Imbissbuden nicht nur von den üblichen Dependancen der Marktwirtschaft unberührt blieb, sondern von jener besonderen Art der Gesetzlosigkeit regiert wird, die entsteht, wenn die Grenzen zwischen normtreuer und krimineller Bevölkerung schwinden. Weil sich Ausflüge ins Brandenburgische häufig rächen, braust man lieber mit geschlossenen Fenstern und verriegelten Türen durch die märkischen Ortschaften.
Umso erstaunlicher ist daher, dass sich der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) anlässlich des Wegfalls der Passkontrollen im Schengen-Raum vor 100 Tagen und dem Inkrafttreten der Regelung auch an den innereuropäischen Flughäfen in der vergangenen Woche nun über die vermeintlich zunehmende Betriebsamkeit osteuropäischer Krimineller in Ostdeutschland beschwert. Vor »Einbruch, Diebstahl, Fahrraddiebstahl« warnt Klaus Jansen, der Vorsitzende des BDK. »Alles, was so einen hohen individuellen Wert hat, was vielleicht auch relativ einfach wegzunehmen ist«, sieht er zunehmend in Gefahr.
Genaueres kann er nicht sagen, weil keine Zahlen vorliegen. Die Kriminalstatistik für 2008 erscheint erst Mitte 2009. Bis dahin darf gemutmaßt werden, beispielsweise über die »Wanderbewegungen aus polnischen Asylantenheimen« in westliche Sozialsysteme. »Das ist ja so weit nicht kriminell«, räumt Jansen ein. Aber eben »beunruhigend«.
Wenigstens da kann ihm geholfen werden. Wenn schon nicht im ostdeutschen Grenzgebiet, so ist im westlichen Polen der wirtschaftliche Aufschwung deutlich zu erkennen. Der gut beratene Flüchtling bleibt nicht nur deshalb ohnehin lieber in Westpolen. Hinsichtlich der Aktivitäten polnischer Krimineller diesseits der Grenze ist fraglich, was es in Brieskow-Finkenherd oder Eisenhüttenstadt gibt, das sich zu klauen lohnte. Die Abwanderung in westliche Sozialsysteme erledigen die deutschen Bewohner des Grenzgebietes ohnedies bereits seit Jahren selbst.