Der Reggaemusiker Sama Karim aus Burkina Faso im Gespräch über Wege zur Rebellion

»Ich rede nicht von Frieden«

Sama Karim alias Sam’s K Le Jah ist einer der bekanntesten Reggaemusiker und Radiomoderatoren Burkina Fasos. Wegen seines politischen Engagements wurde er mehrfach bedroht.

Derzeit findet in Burkina Faso ein Streik gegen die Erhöhung der Lebenmittelpreise statt. Gab es gewaltsame Auseinandersetzungen wie bei den Demonstrationen Ende Februar?

Nein, es handelt sich um einen Streik, zu dem die Gewerkschaften aufgerufen haben. Die Staatsangestellten sind zufrieden damit, nicht zur Arbeit zu gehen, und viele Händler haben ihre Geschäfte für einige Stunden geschlossen. Die Lage ist wirklich sehr ruhig.

Glauben Sie, dass der Streik erfolgreich sein wird?

Ich glaube nicht. Selbst wenn alle Menschen in den Hungerstreik treten und sterben würden, wäre das dem Präsidenten egal. Die einzige Botschaft, die afrikanische Regierungen verstehen, ist, wenn die jungen Leute auf die Straße gehen und alles kaputtschlagen. Selbst in Europa ist das so. Das ist schade. Es sind viele friedliche Aktionen möglich, aber man muss die Leute dazu bringen, über diese Alternativen nachzudenken.

Kann die Musik eine Alternative zur Gewalt sein?

Vielleicht könnte sie das sein, aber junge Musiker, die sich politisch engagieren, erhalten keinerlei Unterstützung. Wenn du nicht über die schönen Augen des Präsidenten singst, wird deine Musik nicht von den staatlichen Medien gesendet. Wie anderswo in Afrika sind die jungen Leute aller Aus­drucksmöglichkeiten beraubt. Die Jugendlichen sind nicht besonders stark am Streik beteiligt, weil sie sich nicht direkt angesprochen fühlen. Die Gewerkschaften sprechen vor allem die Staats­angestellten, Arbeiter und Händler an. Es gibt keine Jugendbewegung, aber das bedeutet nicht, dass die Jugendlichen sich nicht für die aktuelle Situation interessieren. Ich wurde von vielen Stu­dentengruppen, von Schülern und jungen Leuten in den Stadtteilen zu politischen Debatten eingeladen. Die Spannung ist spürbar, die Leute haben die Schnauze voll.

In Ihren Liedern wenden Sie sich direkt an die Jugendlichen. Wie wollen Sie zur Rebel­lion aufrufen, ohne dass es zu Gewalttaten kommt?

Rasta hat immer zur Friedfertigkeit aufgerufen. Aber, wie Peter Tosh gesagt hat, das Wichtigste ist nicht der Frieden, am wichtigsten sind Gerech­tigkeit und gleiche Rechte. Ich verschwende meine Zeit nicht damit, vom Frieden zu sprechen. Wenn man ständig vom Frieden spricht, tut man das, weil man weiß, dass der Krieg nicht fern ist. Ich versuche, die Ursachen dieses Krieges zu verstehen. Ich appelliere an die Jugendlichen, nicht auf­zugeben. Wie in »Rasta au pays de merveilles« (Rasta im Wunderland): »Es ist wahr, die Zeiten sind hart/Aber man muss verstehen, dass nur der Kampf Befreiung bringt/Also haltet durch/Der Kampf beginnt jetzt.« Man darf nicht glauben, dass die Befreiung vom Himmel fallen wird.

In einem Ihrer Lieder heißt es: »Die Wahrheit ist ein Affront und keine Sünde.« Seit dem Jahr 2007 werden Sie bedroht, weil Sie die Regierung kritisieren. Wie frei sind die Medien in Burkina Faso, vor allem das Radio?

Die Radiosender sind bis zu einem gewissen Grad unabhängig. Die staatlichen Medien sind vor allem damit beschäftigt, von den wirklichen Problemen abzulenken. Man will uns einreden, dass es Meinungsfreiheit gibt. Aber das ist nicht wahr. Wenn sie sehen, dass du die Leute mobilisieren kannst, wirst du zum Feind jener, die vom System profitieren. Man behauptet, dass du die Jugendlichen zur Gewalt aufrufst. Hier sagt man: »Wenn die Sonne aufgeht, verschwinden die Teufel der Nacht.« Es begann mit Morddrohungen. Dann wur­de mein Auto angezündet, während ich meine Sen­dung machte. Dass viele sich mit mir so­lidarisiert haben, hilft mir ein wenig dabei, mich zu schützen. Doch ich lebe in einem System, in dem alles möglich ist. Man hat zuerst versucht, Norbert Zongo (ein 1998 ermordeter Journalist und Schrift­steller) zu vergiften. Als das nicht funktioniert hat, wurde er in seinem Auto verbrannt.

Sie engagieren sich auch für das Gedenken an ein anderes Opfer eines politischen Mordes, Thomas Sankara (siehe Jungle World 41/07). Warum ist Ihnen die Erinnerung an den ehemaligen Präsidenten so wichtig?

Es fällt mir immer schwer, über Thomas Sankara zu sprechen. Als er 1987 ermordet wurde, war ich gerade 15 oder 16 Jahre alt. Sankara wollte zum Beispiel menschenwürdige Wohnungen für alle schaffen, im Kampf gegen den Hunger schlug er vor: »Produzieren wir das, was wir brauchen, anstatt es zu importieren.« Für ihn war das Selbst­vertrauen der einzige Ausweg für Afrika. Doch weil es Systeme in der Welt gibt, die weiterhin von Afrika profitieren und seine Bevölkerung in Armut halten wollen, ist es für uns unmöglich, einen Präsidenten von Sankaras Format zu bekom­men. Ich engagiere mich dafür, sein Andenken zu ehren, weil es gezielte Bemühungen gibt, es zu zerstören. Doch man kann einen Menschen töten, nicht aber die Erinnerung an ihn. Sie hätten die Mobilisierung der Jugendlichen am 20. Jah­restag seines Todes sehen sollen! Sankara sagte: »Wenn sie mich heute töten, werden morgen 1 000 Sankaras erscheinen.« Das ist es, was heute geschieht.