Homophobie und ihre Kritiker

Andersrum gedacht

Homophobie und ihre Kritiker

Die Entwicklung des erfolgreichen Spielsystems der türkischen Fußballnationalmannschaft wird bis ins kleinste Detail analysiert. Geht es jedoch um die Themen Sexismus, Antisemitismus oder Homophobie innerhalb der deutschen Bevölkerung mit türkischem Hintergrund, wird es auf einmal merklich still. Sobald konkrete Entwicklungen wie Nationalismus, Islamisierung oder Traditionalismus innerhalb der türkischen Community benannt werden, werfen vor allem linke Aktivisten den Kritikern Rassismus vor und betonen, dass beispielsweise Homophobie kein spezifisches Ethno-Problem sei. Das ist zwar so richtig wie die Tatsache, dass Antisemitismus nicht nur ein Problem der deutschen Community ist. Trotzdem ist es falsch, die Besonderheit des Antisemitismus innerhalb der deutschen Bevölkerung zu leugnen, so wie es falsch ist, besondere Entwicklungen innerhalb der türkischen Community zu leugnen.
Die Befürchtung, Kritik an Migranten ziehe repressive Maßnahmen nach sich, die deutsche Staatsbürger nicht zu befürchten haben, ist nachvollziehbar. Wenn Leute wie Seyran Ates oder Necla Kelek ihre Kritik immer wieder in die Frage nach der Integrationsfähigkeit des Problem­ausländers münden lassen, werden diese Befürchtungen auch noch bestätigt. Denn selten nur hört man etwas von der Integrationsfähigkeit der Problemdeutschen.
So wichtig die Kritik am Ehrbegriff oder an der patriarchalen Ideologie ist, so kontraproduktiv sind Forderungen nach Verweigerung der Einbürgerung von Homophoben oder nach Abschiebung von Ehrenmördern. Es stellt sich die Frage, ob die Kritiker mit derartigen Forderungen nicht ihre eigene Arbeit torpedieren. Denn dadurch machen sie es den Leuten, die Migranten nur als Opfer betrachten wollen, leicht, weiterhin die Augen vor den Problemen zu verschließen.
Wer sich aber heute auf die zivilgesellschaftlichen Standards in Deutschland bezieht, um beispielsweise die Akzeptanz von Homosexuellen unter Migranten zu fördern, sollte vielleicht auch erwähnen, dass der Paragraf 175, der sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts in der BRD unter Strafe stellte, endgültig erst 1994 abgeschafft wurde. Etwa 50 000 Schwule wurden zwischen 1950 und 1969 nach dem Paragrafen 175 verurteilt. Noch 1980 soll Bundeskanzler Helmut Schmidt den Vorschlag, den Paragrafen abzuschaffen, damit kommentiert haben: »Ich bin Kanzler der Deutschen, nicht Kanzler der Schwulen.«
Und trotzdem fordert niemand von Christoph Daum, seine Staatsbürgerschaft zurückzugeben, nur weil er kürzlich in einer Talkshow dafür plädierte, »gegen jegliche Bestrebungen, die gleichgeschlechtlich ausgeprägt sind, vorzugehen«.