Der feministischen B-Movie »A Gun for Jennifer«

Tote Männer vergewaltigen nicht

Der Film »A Gun for Jennifer« ist ein Klassiker des feministischen Kinos, in dem eine Frauengang Vergewaltiger jagt. Jetzt ist er auf DVD erschienen.

In ihrer Trainingsjackenphase hatte die Jungsband Tocotronic einen viel diskutierten Hit, und der hieß »Die Sache mit der Team Dresch Platte«. Darin wurde aus männlicher Sicht das Gefühl besungen, sich eine Platte der Lesben-Rrriot-Girl-Band Team Dresch zu besorgen, von der man »weiß, sie ist nicht für mich«, und über die man urteilt: »trotzdem find ich sie super«. An einer Stelle in dem Song heißt es sogar: »Ich fand mich sofort in diesen Liedern wieder«. Bei der Lesben-Rrriot-Girl-Band Tribe 8 dagegen, deren Auftritt in dem Film »A Gun for Jennifer« von Todd Morris zu sehen ist, hätten sich die Seiten­scheitel aus Hamburg wohl nicht so schnell wiedergefunden. Die Band singt von Mas­sen­kastration, und der Sängerin hängt, um noch expliziter zu werden, irgendwann ein Schwanz aus der Hose, den sie sich in schönster Splattermanier performativ abschneidet. Tribe 8 wissen, wo es Männern wirklich weh tut, ganz wie die Girlgang in »A Gun for Jennifer«.
Was bei Auftritten der Band bloßes Showelement für ein ausdrücklich weibliches Publikum ist, das Männer in Umkehrung konstatierter gesellschaftlicher Verhältnisse ausschließt, das ist für die militante Selbsthilfegruppe, die in »A Gun for Jennifer« New York von Vergewaltigern und frauenfeindlich auftretenden Männern säubert, mehr als ein bloß halb ernst gemeinter Spaß. Der Film entstand 1996, in der Hochphase der Rrriot-Girl-Bewegung, zu der Zeit also, in der im Popfeminismus nicht die Achsel­haarfrage gestellt wurde, sondern Sampler wie »Free to Fight!« und Organisationen wie »Ho­me Alive« das Selbstverteidigungsrecht von Frauen gegen Vergewaltiger nicht nur diskutierten, sondern propagierten. Er zeigt gerne die ekligen Ergebnisse der von den Frauen durchgeführ­ten Selbstjustiz: um die Mitte rum verstümmelte Männer. Allerdings werden meist nur die Männer von ihrem besten Stück befreit, die es auch wirklich verdient haben. Dann jedoch muss auch ein Polizist daran glauben, der sich nichts zu Schulden hat kommen lassen – ein Kollateralschaden. Zwar zerfällt daraufhin die Gruppe, doch zur Rechenschaft wird sie nicht gezogen, Regisseur Todd Morris begleitet ihre Reste vielmehr weiterhin bis zum Schluss mit Sympathie und wird nicht müde, den Kampf der Frauen in einer feindlich-aggressiven Männerwelt als berechtigt zu beschreiben. Auch die Wahl der Mittel wird nur in der Gruppe selbst diskutiert, aber nicht sanktioniert. Morris zeigt bis zum Schluss eigentlich ausschließlich Männer, die sich Frauen gegen­über so unmöglich arrogant und mies benehmen, dass selbst Mutter Teresa irgendwann eine Schusswaffe angefordert hätte, um endlich mal etwas klarzustellen. Das Motto der Gang wirkt irgendwann unwiderstehlich logisch: »Dead men don’t rape«.
»A Gun for Jennifer« ist ein kleiner Indiefilm, ein schmuddeliges B-Movie in der Grindhouse-Tradition. Was ihn so interessant und zu so etwas wie einem »Kultfilm« macht, ist vor allem seine Thematik, die er auf clevere und ungewöhnliche Art und Weise behandelt. Er steht zwar in der Tradition des Exploitation-Kinos von Russ Meyer bis Roger Corman und lässt sich innerhalb des Genres »Revenge-Movie« neben andere Filme aus dem Frauen-Vergewaltigung-Rache-Komplex wie »I Spit on Your Grave« oder Abel Ferreras »Ms. 45« stellen. Doch anders als im Exploitation-Kino gibt es keine glamourösen Frauen mit Atombusen und coolen Posen samt Knarre in der Hand. Wie Tribe 8 versucht der Film gar nicht erst, auch die Bedürfnisse eines männlichen Publikums zu erfüllen, das mit killenden Wuchtbrummen in comichafter Überzeichnung einfach besser zurechtkommt als mit diesen Frauen, die aussehen wie aus einem frühen Woody-Allen-Film, wahrscheinlich auch noch zum Großteil Lesben sind und daherreden wie Gender-Studies-Studentinnen (»Wie fühlt es sich an, Opfer zu sein?« wird einer der Männer gefragt, bevor er hingerichtet wird).
Anders als im klassischen Revenge-Movie steht am Anfang auch nicht das persönlich erlebte Unglück, das den Racheengel erst erzeugt. Statt­dessen sind die Rächerinnen bereits da, sie haben sich schon formiert, der Krieg gegen die Männer findet statt, bevor einer von ihnen sicht­bar Gewalt gegen eine Frau anwendet. Als Zuschauer erfährt man erst im Laufe des Films, dass die Frauen wohl auch allesamt berechtigte Gründe für ihren Hass auf Männer haben, Jennifer ganz besonders, dennoch scheinen sie immer etwas überzogen zu agieren, unversöhnlich und herausfordernd, das lässt sie so unberechenbar erscheinen, so beängstigend.
Dazu kommt, dass ihr Problem auch keines ist, das mit der Eliminierung von ein paar üblen Gestalten beseitigt sein könnte. Nein, ihre Unzufriedenheit ist allumfassend, ihre Erniedrigung, gegen die sie rebellieren, überall, in jeder Sekunde des Alltags spürbar. New York ist eine dunkle, unsichere Stadt, so, wie sie erst vor kurzem in dem Film »Die Fremde in dir« mit Jodie Foster – über die Gewalterfahrung einer Frau – erschien. In die Stripbar kommen unangenehme Grabscher, die Kollegen des weib­lichen Detective, die der Gang auf der Spur ist, sind allesamt chauvinistische Besserwisser, und ihr scheinbar korrekter Vorgesetzter fällt beim gemeinsamen Essen dann doch auch unangenehm auf.
Die Konsequenz, mit der der Film sein Thema bearbeitet, ist beeindruckend. Auch wie er die Frage nach Recht und Gerechtigkeit stellt. Bekanntlich ist der Umgang mit Vergewaltigung auch in Deutschland heute noch in rechtlicher Hinsicht äußerst zweifelhaft. In einem anderen Film, in »Angeklagt«, hat sich Jodie Foster bereits mit diesem Thema beschäftigt. Die vergewaltigte Frau wird vor Gericht in öffentlichen Anhörungen zusätzlich gedemütigt, und meist bekommt der Täter eine so geringe Strafe, dass er selbst über sie lachen muss. Wie in »Angeklagt« geschildert, gibt es obendrein noch gerne den Klassiker zu hören, man habe es vielleicht ja sogar darauf angelegt.
Der weibliche Detective in »A Gun for Jennifer« weiß das alles, sie steht ja für das Recht. Andererseits weiß sie als Frau, dass die Selbstermächtigung der Frauen besser geeignet ist, Gerechtigkeit herzustellen, als sich derart sexistischen Kollegen wie den ihren anzuvertrauen. Die Polizistin steht also irgendwann auf der Seite der Frauen und freut sich klammheimlich über deren Taten. Ohne den Umweg über das Gesetz geht alles halt viel einfacher, und schon Pam Grier, die Ikone des Exploitation-Kinos, wusste: »Selbstjustiz ist so amerikanisch wie Apfel­kuchen backen.«

Todd Morris: A Gun for Jennifer (DVD)