Gibt’s Randale?

Dass das deutsch-türkische Halbfinale zu einem weitgehend friedlichen Fußballfest wurde, war vorher nicht unbedingt absehbar. In den einschlägigen Neonazi-Foren hoffte man, den Spieltag zur Abrechnung mit generell allen Ausländern nutzen zu können.
In den meisten Medienberichten wurde dann aber unterschwellig suggeriert, dass von den Türkeifans Gefahr ausgehe. Den Anfang machte ein Beitrag in »Report München« mit ausgiebigen Erörterungen über Sicherheitsbedenken und mit Bildern der Ausschreitungen beim Qualifikationsspiel Türkei – Schweiz. Die wurden mit der Bemerkung versehen, bei den türkischen Fans herrsche »Begeisterung über das mitteleuropäische Maß hinaus«.
Nach der Logik von »Report«, die eben diese Ausschreitungen in der Türkei einfach den in Deutschland lebenden Türken zurechnete, müssten zur mitteleuropäischen Normalbegeisterung übrigens unter anderem die Toten im Heyssel-Stadion 1985 und der 1998 zum Krüppel geprügelte französische Polizist Daniel Nivel gehören.
In den folgenden Tagen wurde dann in praktisch jeder Nachrichten- oder Magazinsendung jedes Fernsehsenders aus Kreuzberg berichtet.
Konkret sah diese Berichterstattung so aus: Mit deutlicher Besorgnis in der Stimme wurden drei bis fünf türkischstämmige Berliner gefragt, ob sie denn glaubten, dass nach dem ersten Halbfinale alles ruhig bliebe. Ob damit der Eindruck, dass bürgerkriegsähnliche Zustände droh­ten, erweckt werden sollte, sei dahingestellt – entstanden ist er jedenfalls.
Auf die Idee, auch die Bewohner der vielen No-Go-Areas aka »national befreiten Zonen« einer ähnlichen Befragung zu unterziehen und beispielsweise zu fragen, ob man im Falle einer Niederlage oder auch eines Sieges friedlich bleiben wolle, kam übrigens kein Sender.