Sozialquote für Gymnasien in Berlin?

Die Quote macht Schule

Um bei der bevorstehenden Schulreform der Aufteilung der Schüler auf die verschiedenen Schultypen nach sozialen Schichten entgegenzuwirken, ist die Sozialquote für Gymnasien unerlässlich.

In der Diskussion um die bevorstehende Berliner Schulreform wird unter anderem über die Neu­regelung des Übergangs von der Grundschule in die Sekundarstufe I gestritten. Dies ist ein Aspekt in einer Debatte über die Veränderung der Schulstruktur in Berlin, die angesichts der ungerecht verteilten Bildungschancen nötig ist.
Für die »Linke« ist das Ziel klar: Wir wollen eine Schule für alle. Denn das derzeitige gegliederte Schulsystem begünstigt die bildungsbürgerlichen Eliten, trägt zu deren Selbstreproduktion bei und schiebt sozial Schwache auf die Real- und Hauptschule ab. Jugendliche mit einem Hauptschul­abschluss haben jedoch kaum noch Chancen auf Ausbildungsplätze und sehen als Zukunftsperspektive oftmals nur noch ein Leben mit Hartz IV. Deshalb sind die Abschaffung der Hauptschule und die Integration der Schülerinnen und Schüler in eine sozial gemischte Oberstufe dringend erforderlich und politisch unausweichlich.

Doch so richtig die Abschaffung der Hauptschulen ist, dürfen wir nicht dabei stehen bleiben. Wir wollen eine Schule für alle und nicht in der Sackgasse der Zweigliedrigkeit landen, wir wollen eine nicht auslesende Schule. Was aber macht man, wenn zwar Schritte in die richtige Richtung möglich sind – wie in Berlin das Pilotprojekt Gemeinschaftsschule mit gemeinsamem Lernen von der ersten Klasse bis zum Abitur zeigt –, aber die komplette Überwindung des gegliederten Schulsystems, also auch die Abschaffung des Gymna­siums in seiner heutigen Form, derzeit politisch nicht durchsetzbar ist?
Zuerst befördern wir weiter die Entwicklung zur Gemeinschaftsschule: Alle Schulen, die dies wollen, sollen auch in die Pilotphase des Gemeinschaftsschulprojektes eintreten können. Zum zweiten wollen wir eine Gleichwertigkeit der unterschiedlichen Schultypen erreichen hinsichtlich der Abschlüsse – alle Schulen führen zum Abitur –, der angebotenen Standards und möglichst auch der Zugangskriterien. Das ist die Voraussetzung für eine Veränderung hin zu einem Selbstverständnis der nichtauslesenden Schule, wie es dem der Gemeinschaftsschulen entspricht.
Die bevorstehende Schulstrukturreform sieht die Gründung einer integrierten Oberschule neben dem Gymnasium vor, durch die die bisherigen Instrumente der Abschiebepädagogik überwunden werden. Konkret: In Berlin wird es kein Sitzenbleiben, keine Abschulung, kein Probehalbjahr und keine Bildungsgangempfehlung mehr geben. Für das Gymnasium heißt das, dass es nicht mehr auf Kosten anderer Schularten existieren kann und alle Schülerinnen und Schüler zu einem Schulabschluss führen muss.

Ein Aspekt der Gleichwertigkeit ist dabei: Wie wirkt man einer sozialen Ausdifferenzierung zwischen den Schulen entgegen, deren Gefahr in der Gliederung des Schulsystems angelegt ist? Es geht dabei nicht nur darum, eine Zugangsregelung für die Gymnasien, sondern für alle Schulen der Sekundarstufe I zu finden, an denen die Nachfrage die Zahl der vorhandenen Plätze übersteigt. Die Befunde der empirischen Bildungsforschung zeigen, dass der Übergang von der Grundschule in die verschiedenen Schularten der Sekundarstufe I stark von der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler abhängt. Allein die in Berlin eigentlich unverbindliche Bildungsgangempfehlung wirkt hochgradig selektiv – und oftmals unabhängig von den realen Leistungen der Schülerinnen und Schüler. Zentraler Kern der Neuorganisation des Übergangs in die Sekundarstufe I muss daher der Abbau der sozialen Disparitäten sein. Alle Schulen, gerade auch das Gymnasium, müssen ihren Anteil zur Verbesserung eines herkunftsunabhängigen Bildungserfolges erbringen.
Deshalb schlagen wir als Instrument eine Quotenregelung vor: Stark nachgefragte Schulen sollen sich ihre Schülerinnen und Schüler nur dann aussuchen dürfen, wenn sie einen Anteil der zu vergebenden Plätze an sozial benachteiligte Schüler vergeben, der deren Anteil am jeweiligen Altersjahrgang entspricht. Das sind derzeit etwa 30 Prozent. Damit wollen wir der Aufteilung auf die Schulformen nach sozialen Schichten ent­gegenwirken. Denn es gibt kein leistungsgerechtes Kriterium, das die soziale Herkunft der Schülerinnen und Schüler unbeachtet lässt – vielmehr fließen bereits selbst in die Notengebung soziale Erwartungen der Lehrenden ein. Der derzeitige Gymnasialzugang ist sozial ungerecht. Dabei darf es nicht bleiben. Denn es wäre falsch, der neuen integrierten Oberschule allein die Förderung von Schülerinnen und Schülern aus schwierigeren sozialen Verhältnissen zu überlassen.

Der Autor ist bildungspolitischer Sprecher der Fraktion »Die Linke« im Berliner Abgeordnetenhaus.