Nazis in Osnabrück feiern Hermann den Cherusker

Ein Volk, ein Wald, ein Führer

Anfang März wollen Nazis in Osnabrück »Hermann, des Cheruskers« und einer 2 000 Jahre zurückliegenden Schlacht ­gedenken. Auseinandersetzungen finden aber derzeit vor allem in ihren eigenen Reihen statt.

Man fühlt sich zeitweise an das Treffen der »Judäischen Volksfront« in dem Film »Das Leben des Brian« erinnert. »Was haben uns die Römer jemals gebracht?« fragt dort der Anführer der Volksfront – die bekanntlich mit der »Volksfront von Judäa« zerstritten ist – in der Erwartung, nur ein Wort zu hören: »Nichts!« Doch seine anti­imperialistischen Genossen loben die Römer für die schönen Straßen, den Aquädukt, die sanitären Einrichtungen, die medizinische Versorgung, das Schulwesen und den Wein, zudem könnten sich Frauen nachts wieder auf die Straßen trauen. Ähnlich benehmen sich auch die Nazis anlässlich einer für den 7. März in Osnabrück angemeldeten Demonstration.
Die NPD Osnabrück und »freie Kräfte« aus Norddeutschland rufen zu einem recht bizarren »Gedenkmarsch« auf unter dem Motto: »Die Hermannsschlacht: 2 000 Jahre Kampf gegen Überfremdung – für nationale Selbstbestimmung!« Im Aufruf heißt es in NS-Diktion: »Von Anbeginn an ist die Geschichte unseres deutschen Volkes geprägt vom Kampf ums Dasein.« Im Text ist dann vom »römischen Imperialismus« die Rede, der »unsere germanischen Vorfahren ihrer natio­nalen Selbstbestimmung und ihrer kulturellen Eigenart beraubt« habe. Doch: »Ein kleines Volk, geschart um einen großen Führer, zwang ein Weltreich in die Knie.« Ein Volk, ein Wald, ein Führer.
Und die Nazis wissen sogar, was eine Schlacht, die sich wahrscheinlich vor 2 000 Jahren im Schlamm des Teutoburger Waldes ereignete, mit der Gegenwart zu tun haben soll: »Heute sind es der globale Kapitalismus, der US-Imperialismus und die Überfremdung unseres Landes durch Ausländer, welche unser Volk in seiner Existenz bedrohen.« Deshalb müsse die Demonstration zu einem »kraftvollen Fanal für Deutschlands Wiedergeburt werden«. Es könnte jedoch anders kommen. Denn die Rednerliste und die Auflagen des Veranstalters sorgen bei den Nazis für Unmut.

So soll auf der Kundgebung neben dem NPD-Politiker Udo Pastörs und dem Diplom-Chemiker und verurteilten ehemaligen Terroristen Peter Naumann (Spitzname »Bombenhirn«) auch der NPD-Funktionär Andreas Molau sprechen. An dessen Auftritt aber stößt sich der NPD- und Kameradschaftsaktivist Thomas »Steiner« Wulff. In einer Rundmail, die auch im rechtsextremen Internetportal Altermedia zu finden ist, nannte dieser den Auftritt von Molau eine »Verhöhnung des Cheruskerfürsten, der die Stämme einigte im Kampf gegen die Feinde unseres Volkes«.
Wulff rief zum Boykott der Demonstration auf. Denn Molau wollte im Frühjahr 2009 auf einem NPD-Parteitag als Kandidat gegen den derzeitigen Parteivorsitzenden Udo Voigt antreten. Unterstützt wurde er auch von Pastörs. Molau plante, die Partei für nationalkonservative Kreise zu öffnen, und distanzierte sich von den »freien Kameradschaften« und »autonomen Nationalisten«. Aus deren Reihen regte sich Widerstand gegen Molau. Dieser hat in der vergangenen Woche überraschend seine angestrebte Kandidatur zurückgezogen, stattdessen soll nun Pastörs gegen Voigt antreten. Welche Auswirkungen das auf die Demonstration hat, ist bisher unklar.
Auch im Streit um die Auflagen für die Kundgebung zeigt sich dieser Konflikt in der rechts­extremen Szene. Denn den Auflagen des Veranstalters zufolge sollen auf der Demonstration »wegen des geschichtlichen Hintergrundes nur themenbezogene Spruchbänder ohne Anglizismen« gezeigt werden. In dieser Vorschrift aber sieht der altgediente Nazi Christian Worch wiederum einen Versuch, die »autonomen Nationalisten« auszugrenzen, die eine Vorliebe für englische Sprüche entwickelt haben. In einem Schreiben von Worch, das auf »Altermedia« und der Internetseite des rechtsextremen »Aktionsbüros West« veröffentlicht wurde, heißt es: »Hermann, der Cheruskerfürst, den die Römer Arminius nannten, lernte sowohl die lateinische Sprache als auch das Kriegshandwerk in Rom; das waren Voraussetzungen, den Kampf überhaupt zu gewinnen. Die Sprache des Feindes zu beherrschen, ist dabei vielleicht nicht zwingend erforderlich, aber auf jeden Fall höchst nützlich.« Den Nazis stellt sich wie der Judäischen Volksfront also die Frage: Was haben uns die Römer jemals gebracht?

Allerdings beweisen die Rechtsextremen mit der Zerstrittenheit auch die Nähe zu ihren »germanischen Helden«. Denn tatsächlich waren auch die einzelnen Stämme der »Germanen« – im übrigen eine von den Römern geschaffene Bezeichnung (Jungle World 2/09) – in der Frage, wie sie es mit den Römern halten sollten, untereinander zerstritten. Auch nach der so genannten Schlacht im Teutoburger Wald entstand nicht die später von Nationalisten aller Richtungen häufig beschworene Einheit zwischen den unter Arminius siegreichen Stämmen. Im Gegenteil: Der cheruskische Anführer wurde im Zuge interner Streitigkeiten von Verwandten ermordet.
Welche Auswirkungen der derzeitige Streit unter den Rechtsextremen auf die Zahl derer haben wird, die nach Osnabrück anreisen werden, bleibt abzuwarten. Noch bewerben diverse Organisa­tionen aus Norddeutschland und auch aus Nordrhein-Westfalen im Internet die Demonstration. Allerdings ist den meisten die Veranstaltung, die angeblich zu einer großen Kampagne zum Jubiläum der Schlacht im Teutoburger Wald gehören soll, nur einen Eintrag in den Online-Kalender wert. Auf der Seite der Bundes-NPD wird der Aufmarsch mit keinem Wort erwähnt.
Sollten die Streitigkeiten der Nazis für eine geringe Teilnehmerzahl sorgen, dürfte sich der Osna­brücker Stadtrat freuen. Er hat einstimmig eine Resolution verabschiedet, in der er die Demonst­ration scharf verurteilt und zur Teilnahme an einer Gegenkundgebung aufruft. Auch ein Antifa-Bündnis lädt unter dem Motto »Nazis wegrömern – den rassistischen Konsens zerschlagen« für den 6. und 7. März zu Gegendemonstrationen, Informationsveranstaltungen und einem Konzert in Osnabrück ein. Bereits am Tag vor dem Naziaufmarsch planen antifaschistische Gruppen eine »Vorabenddemo« unter dem Motto »Good night, Deutschland«.

Für das historische Flair dürfte die Polizei sorgen. Einem Sprecher zufolge soll am Tag der Nazi­demonstration auch eine Reiterstaffel aus Hannover eingesetzt werden. So viele Pferde wie der römische Statthalter Varus, nämlich 4 000 bis 5 000, wird die Polizei aber wohl nicht aufbieten können.