Die NPD und die Russlanddeutschen

Go east!

Die NPD bemüht sich um die »Russlanddeutschen«. Diese sollen der Partei auch dabei helfen, die »Achse Berlin-Moskau« aufzubauen.

Am 18. April soll vor dem nordrhein-westfälischen Landtag in Düsseldorf demonstriert werden – »gegen die Fälschung der Geschichte der Russland­deutschen und die Medienhetze«. Transparente und Schilder mit diesem Motto, aber auch dem Slogan »Unsere Väter waren keine Täter!« waren bereits im August 2008 vor dem Landtag zu sehen. Auch damals hatte die Schutzgemeinschaft ›Deutsche Heimat‹ der Deutschen aus Russland e.V. zu der Protestkundgebung aufgerufen. Etwa 80 Personen – unter ihnen so genannte Russland­deutsche sowie Mitglieder der NPD und der »freien Kameradschaften« – folgten dem Aufruf.
Sie störten sich an einem Kapitel über Migration in einer Publikation des Schöningh-Schulbuch­verlags für den Geschichtsunterricht in der achten Jahrgangsstufe. In dem Abschnitt wird die Beteiligung von Russlanddeutschen am Massenmord an den Juden in den von der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten dargestellt. Für die Schutzgemeinschaft und ihre Unterstützer ist das eine »Verunglimpfung unserer Vorväter« und eine »verlogene Darstellung der Geschichte«. Den Rednern vor dem Landtag zufolge wurden »die russlanddeutschen Volksgenossen […] selbst Opfer einer brutalen und menschenverachtenden Vertreibungspolitik«. Und selbstverständlich sei »das deutsche Volk […] kein Tätervolk«.
Die Kundgebung diente noch einem weiteren Zweck: Viktor Kaspar, ein Vertreter der Russlanddeutschen Konservativen, nutzte seinen Redebeitrag für einen Appell: »Alle Russlanddeutschen wählen NPD!« Der anwesende NPD-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Claus Cremer, sicherte in seiner Rede wiederum den Russ­land­deutschen die Unterstützung seiner Partei zu und lud diese ein, sich in dieser für »ein besseres Deutschland« einzusetzen.

In der Tat bemüht sich die NPD um Russlanddeutsche als Wähler und Mitglieder. In den Russlanddeutschen Konservativen und der Schutzgemeinschaft hat sie dabei Gruppen rechtsextremer Spätaussiedler als Verbündete gefunden. Dieses Vorgehen wird von manchen Nazis durchaus skeptisch betrachtet, schließlich entsprechen die Russlanddeutschen nicht ganz deren Vor­stellungen von »ordentlichen Deutschen«. Das weiß auch die Partei: Zwar gelten für sie die Spät­aussiedler gemäß der völkisch-nationalistischen Ideologie als »Volksdeutsche«. »Dennoch ist auch in den eigenen Reihen sehr viel für das Verständnis der Russlanddeutschen zu tun. Unwis­sen führt oft dazu, dass sie manchmal schon allein wegen der Sprache missverstanden werden«, heißt es in einem Text auf der Homepage der NPD.
Zwei Personen tun sich dabei hervor, Russland­deutsche als Wähler und Mitglieder für die NPD zu gewinnen: Johann Thießen und Andrej Triller. Thießen ist Vorsitzender der Schutzgemeinschaft und tritt u.a. als Redner auf Versammlungen der NPD wie etwa dem Bundesparteitag in Bamberg 2008 auf. Triller ist ein führendes Mitglied der Russlanddeutschen Konservativen und betreibt die »Volksdeutsche Stimme«, ein deutsch-russisches Internetportal, auf dem vorwiegend über die Zusammenarbeit mit der NPD berichtet wird, aber auch Artikel über die »schlei­chende Verausländerung« oder den »Genozid« in Gaza zu finden sind.
Die NPD hat ihrerseits im Februar 2008 den »Arbeitskreis der Russlanddeutschen in der NPD« gegründet. Der Arbeitskreis soll nicht nur dazu beitragen, »Spannungen zwischen Einheimischen und deutschen Neubürgern« abzubauen und die Russlanddeutschen in den »nationalen Widerstand« einzubinden. Die Partei hofft auch, dass die Spätaussiedler eine »Brückenbauerfunktion« zwischen Deutschland und Russland einnehmen und die »Achse Berlin-Moskau« stärken könnten. Dieses deutsch-russische Bündnis soll vor allem einem Zweck dienen: dem Kampf gegen den Westen bzw. die Vereinigten Staaten (Jungle World 38/08).

Auch die Deutsch-russische Friedensbewegung europäischen Geistes setzt sich für dieses Bündnis ein. Die Bewegung steht der NPD nahe und wurde von Herbert Schweiger gegründet, einem ehemaligen SS-Untersturmführer, der in der Panzer-Division »Leibstandarte-SS Adolf Hitler« nicht gerade in einer Friedensmission in Russland unterwegs war. Mittlerweile beschwört Schwei­ger die Übereinstimmung der »Wesenheit des russischen Volkes« mit der des »deutschen«. Auf der Jahrestagung der Deutsch-russischen Frie­densbewegung im Oktober 2008 im thüringischen Arnstadt trat neben dem stellvertretenden NPD-Vorsitzenden und selbsternannten Russland-Experten Jürgen Rieger auch Johann Thießen als Redner auf und referierte über die »strategische Bedeutung der Russlanddeutschen als Brücke zwischen Deutschland und Russland«. Alexander Kamkin, der Auslandsreferent der rechts­extremen Nationalpatriotischen Front Pam­jat, war eigens aus Russland angereist. Er ist bei deutschen Nazis ein gern gesehener Gast, so z.B. auf dem Pressefest der Deutschen Stimme und dem »Fest der Völker«.
Von der rechtsextremen russischen Bewegung gegen illegale Immigration (DPNI) erhofft sich die NPD ebenfalls Hilfe beim Aufbau der »Achse Berlin-Moskau«. In einem Interview mit dem Vorsitzenden der Bewegung, Alexander Belov, sprach Jens Pühse, ein NPD-Vorstandsmitglied, in der Deutschen Stimme voller Bewunderung über »spek­takuläre Aktionen« der DPNI, wie den unangemeldeten »Russischen Marsch« am russischen Nationalfeiertag im November 2008. An dem Tag rotteten sich in vielen Städten Russlands »volkstreue Nationalisten« zusammen und zogen, antisemitische, homophobe und rassistische Parolen skandierend, durch die Straßen. Während der Aufmärsche der russischen Rechtsextremen gab es schwere Krawalle, über 500 Menschen wurden festgenommen. Zwei Menschen wurden bei rassistisch motivierten Überfällen getötet und weitere verletzt. Angesichts solcher Vorfälle ist es nicht verwunderlich, dass sich die NPD um ein Bündnis mit russischen Nazis bemüht.

Die nächsten Vorhaben der russlanddeutschen Nazis klingen dagegen nicht nach einem bevorstehenden blutigen Straßenkampf. Die Russlanddeutschen Konservativen rufen – neben der Kund­gebung am 18. April vor dem Düsseldorfer Landtag – mit der Deutsch-russischen Friedensbewegung und unterstützt von der NPD zu einem »patriotischen Friedensmarsch« am 9. Mai in Fried­land (Niedersachsen) auf. Ihr Anliegen ist es, »die Völker von Deutschland und Russland zum gemeinsamen Vorgehen« zu bewegen – gegen »die totale Herrschaft der Globalisierer« und »neue Nato-Kriege«.