Samy Deluxe bekennt sich zu Deutschland

Aus Deutsch-Rap wird Für-Deutschland-Rap

Der afrodeutsche Rapper Samy Deluxe bekennt sich auf seiner neuen Platte zu Deutschland und weist darauf hin, dass Adolf Hitler ja eigentlich gar kein richtiger Deutscher, sondern Österreicher war. Was soll das denn?

Der deutsche HipHop hat uns schon die tollsten Sachen beschert. Ein gewisser Toni der Assi empfahl, Schwule in die Gaskammer zu schicken, und der Berliner Rapper Fler kam groß raus, weil er mit der Forderung nach einem bißchen mehr Nationalstolz hausieren ging. Nur so zum Beispiel. Das mit der Gaskammer und dem Nationalstolz war dann auf Nachfrage natürlich nicht so gemeint, war Ironie, Provokation, HipHop eben, wer das nicht kapiert, der versteht halt auch nichts von dieser Musik, bei der Ironie und Provokation mit dazu gehören wie der Hass auf alles im Blackmetal.
Fler, der Toni, das Geraune von Nazirap und die Frage, ob es so etwas Unerhörtes denn nun gäbe oder nicht, kommt einem schon wieder so weit weg vor. Die Hochzeit von Gangstarap, in dem es eben darum ging, unbedingt unre­flek­tiert über Inhalte so zu rappen, dass den Sozialkundelehrern die Haare zu Berge standen, ist auch in Deutschland vorbei. Toni der Assi und Fler sind damit Gestalten von gestern. Der aktuelle Trend im HipHop ist, nicht mehr so sehr durch Unflätigkeiten und verbalen Durchfall aufzufallen, sondern durch neue Sounds. Man probiert es mit Electro, mit Verfremdungseffekten in den Stimmen oder inszeniert sich gleich ganz als Spaßkanonen, so wie Deichkind etwa.
Und gerade da kommt ausgerechnet Samy Deluxe, der symphatisch, weil dauerbekifft wirkende Rapper aus Hamburg, ein dicker Kumpel von RAF-Fan Jan Delay, der selbst von sich sagt, er sei unten mit der ganzen linksdrehenden Pudel-Clique rund um Rocko Schamoni, und beschert uns mit seinem neuen Album eine neue Nationalstolzdebatte. Diese freilich findet so richtig noch gar nicht statt, da brodelt etwas im Topf, dessen Deckel sich nicht richtig heben will. Stand der Debatte gerade ist: Der so genannte Hitler-Blog der Taz klagt an, die HipHop-Fachpresse, vorneweg ein gewisser Falk, szene­bekannter HipHop-Fachmann, den man im Schwäbischen »Schlauschwätzer« nennen würde, reagiert darauf beleidigt, und bei den absolvierten Fernsehauftritten von Samy Deluxe, die seine neue Platte bewerben sollen, wird der Mann durchgereicht, als wäre er ein im Zoo geborenes Eisbärenbaby mit dem Namen Knut. Was verständlich ist, denn Samy Deluxe ist Afrodeutscher und rappt trotzdem nicht so komische Zeilen wie »fremd im eigenen Land« zusammen, sondern gibt sich vollauf zufrieden, in Deutschland leben zu dürfen und fordert seine Hörer auf, doch bitte auch etwas von seiner Lebenseinstellung anzunehmen. Wohlgemerkt: Samy Deluxe war einmal Mitglied der »Brothers Keepers«, einem Zusammenschluß afrodeutscher Rapper, der es sich zur Aufgabe machte, Xenophobie in diesem Land zu thematisieren, und dieser Samy Deluxe war es auch, der zusammen mit dem Stuttgarter Rapper Afrob gemeinsam eine Platte aufnahm; Afrob wies immer wieder in Interviews darauf hin, dass er sich wegen seiner Hautfarbe in Deutschland ausgegrenzt fühle. Samy Deluxe, und das macht ihn auch für Diskussionsrunden im Fernsehen so interessant, ist da anscheinend inzwischen einen Schritt weiter: Er ist angekommen in der Bundesrepublik, und das will er uns eben jetzt mitteilen.
Insbesondere zwei Textstellen aus der neuen Platte von Samy Deluxe, die den eher unverfänglichen Titel »Dis wo ich herkomm« trägt, werden in dem Taz-Blog diskutiert: »Wir haben kein’ Nationalstolz und das alles bloß wegen Adolf – ja toll, schöne Scheiße, der Typ war doch eigentlich’n Österreicher« und »Ein’ Monat waren wir stolz, dann mussten wir uns wieder schämen, denn es heißt, wir haben beide Weltkriege gestartet.« Im Stern hat Samy Deluxe inzwischen angegeben, es mit diesen Textzeilen total hiphop-mäßig mit einem »ironischen Ansatz« versucht zu haben. Außerdem sagte er, er wollte mal darlegen, wie schön sich »Nationalstolz« und »Adolf« reimen würden. Nun ja, das reimt sich so wie »Samy Deluxe« und »Blöder geht’s kaum« oder »Deutschrap« und »Geht’s noch?«
Was Samy Deluxe hier für einen geschichtsvergessenen Blödsinn zusammenreimt, darüber muss man keine Worte mehr verlieren, man fragt sich nur, was der Hamburger Rapper mit diesem Gereime für einen Zweck verfolgt. Der grundsätzliche Ansatz seiner Platte ist ja eigentlich ziemlich nachvollziehbar. Samy Deluxe inszeniert sich jetzt als gereiften Vater eines Sohnes, als einen mit Verantwortung. Er hat das Alter von 30 Jahren erreicht, da will er sich auch mal ernsthafte Gedanken machen, »Mitred-Rap« hat die Zeit das genannt, was Samy Deluxe da versucht. Der Rapper ist jetzt erwachsen und vernünftig, und so gibt er sich nun auch. Er post vor den Kameras nicht mehr ganz so dämlich mit seinem ewigen Schlafzimmerblick und lässt sich mit seinem Sohn auf dem Arm ablichten. Er macht sich Gedanken, wo er herkommt, warum der Kontakt zu seinem sudanesischen Vater so kompliziert ist, in was für einer Welt sein Sohn einmal leben wird, und auf seiner neuen Platte gibt es »auch ein Lied an meine Oma«.
Samy Deluxe rappt also über seine unmittelbaren Erfahrungen und stellt sich Fragen wie andere politisch interessierte 30jährige auch. Die Integrationsdebatte scheint es ihm als Afrodeutschem besonders angetan zu haben. Und da er inzwischen gerne Stellung bezieht, Bono gut findet, bei »Live Earth« auftrat und sich für den Kampf gegen Aids engagiert, will er jetzt die Rolle des Vorbilds bewusst annehmen und ganz so, wie es sich jeder Politiker von den Grünen bis zur CDU wünscht, andere Afrodeutsche ermahnen: Jammert weniger, bekennt euch zu Deutschland, seid auch ein wenig stolz auf dieses Land. Wenn ein Afrodeutscher wie er sich positiv auf die Bundesrepublik bezieht, ist das durchaus etwas anderes, als wenn das von einem NPD-Mitglied kommt.
Dass er mit dem thematischen Überbau auf seiner Platte dennoch vor allem offene Türen einrennt, scheint er gar nicht zu erkennen. Während der Fußball-WM 2006 wurden Deutschland-Flaggen geschwenkt, auch von Migranten. Dass sich im Nachhinein jemand dafür geschämt hätte, wegen der zwei Weltkriege, so wie das Samy Deluxe sieht, daran kann ich mich gar nicht erinnern. Der Rapper scheint einfach inzwischen ein wenig hinterm Mond zu leben. Deshalb faselt er davon, dass man als Deutscher immer noch dauernd eins mit der ­Erinnerungskeule übergebraten bekäme und in diesem Land alle ganz gebeutelt vor Scham herumtorkelten. In Wahrheit lebt es sich in Deutschland jedoch längst prima mit der deutschen Geschichte, zu der sich um so eifriger bekannt wird, je mehr Vergangenheit sie ist. Eigentlich hätte Samy Deluxe ja »wir haben Na­tionalstolz, und das alles trotz Adolf« rappen müssen.
So meint Samy Deluxe aber, die deutsche Geschichte säubern zu müssen, damit es sich hier besser leben lässt. Adolf war Österreicher, und »es heißt« ja nur, wir hätten beide Weltkriege gestartet, was impliziert: Googel das doch mal, stimmt vielleicht ja gar nicht, vielleicht haben ja auch die Franzosen oder Polen angefangen. Damit hat Samy Deluxe seiner Sache einen Bärendienst erwiesen. Auf dem Hitler-Blog der Taz wird er in den meisten Beiträgen gefeiert wie einst Martin Walser nach seiner Paulskirchenrede von Rechten. Einer der Blogger weist darauf hin, dass die Sache mit den Indianern in Amerika ja auch keine schöne Sache gewesen sei, einer fragt: »Was ist mit den Vertriebenen aus Tschechien, Polen, Pommern?« Klar: Man wird ja wohl mal fragen dürfen.