Über ein Gesetz gegen Gotteslästerung in Irland

Das grüne Herz der Finsternis

Zurück ins Mittelalter: Irland hat ein Gesetz gegen Gotteslästerung beschlossen.

Nein, dies ist keine Nachricht aus dem bekannten Herz der Finsternis am Persischen Golf, sondern mitten aus der Europäischen Union. Irland hat vergangene Woche ein Gesetz gegen Gotteslästerung verabschiedet. Bis zu 25 000 Euro Strafe drohen zukünftig demjenigen, der vorsätzlich »religiöse Gefühle verletzt«, Hausdurchsuchungen, bei denen nach blasphemischen Schriften gefahndet wird, werden ausdrücklich gestattet. Die katholische Kirche unterstützte das Vorhaben von Justizminister Dernot Ahern. Im irischen Oberhaus verschafften die an der Regierung mit der bürgerlichen Fianna Fáil beteiligten irischen Grünen aus Koalitionsräson dem Gesetz die fehlende Stimme zur Mehrheit. Der Religionskritiker Richard Dawkins warnte, Irland würde ins Mittelalter zurückfallen.
Dabei haben die Iren, was die formelle Gesetzeslage betrifft, zunächst einmal nur europäisches Normalmaß erreicht. Auch in Deutschland ist der entsprechende § 166 des Strafgesetzbuchs wie wenige andere Themen immer noch für einen Kulturkampf gut. Als vor zweieinhalb Jahren der grüne Abgeordnete Volker Beck vergeblich dessen Abschaffung forderte, sprach der damalige bayerische Innenminister Günther Beckstein von einem »erschreckenden Ausdruck eines fundamentalen Werteverfalls bei den Grünen«. Allerdings war das Gesetz bereits 1969 entschärft worden. Seitdem sind nur noch solche Gotteslästerungen strafbar, die geeignet seien, »den öffentlichen Frieden zu stören«, ein Gummiparagraph, der gleichwohl zum deutlichen Rückgang der Verfahren geführt hat. 2004 erfolgten noch 15 Verurteilungen aufgrund dieses Paragraphen.
In anderen europäischen Staaten ist die Situation ähnlich. Blasphemie wird nur selten tatsächlich verfolgt. Das schließt gravierenden Ärger in Einzelfällen jedoch nicht aus. So wurde der österreichische Karikaturist Gerhard Haderer 2005 in Griechenland wegen eines Jesus-Comics in Abwesenheit zu sechs Monaten Haft verurteilt, in der Berufungsinstanz aber freigesprochen.
Ob das irische Gesetz ähnlich bedeutungslos bleiben wird, bleibt offen – und zwar nicht nur, weil es einen Unterschied macht, ob man ein anachronistisch gewordenes Gesetz nicht abschafft oder Mehrheiten gewinnt, um eine neue Regelung einzuführen. Im erzkatholischen Irland sind gesellschaftliche Liberalisierungsprozesse nur langsam angekommen. Verhütungsmittel waren hier bis 1979 verboten, homosexuelle Handlungen bis 1993, Scheidungen bis 1995. Abtreibungen sind bis auf wenige Ausnahmen bis heute strafbar. Noch 2002 hätte um ein Haar ein Referendum gewonnen, das eine der wenigen Ausnahmetatbestände abschaffen wollte, nämlich die Suizidgefahr der Mutter. In der »NO«-Kampagne vor der ersten Volksabstimmung über den Lissabon-Vertrag 2008 spielte auch das Argument eine Rolle, das Europäische Parlament könne in das irische Abtreibungsrecht eingreifen. Vor dem zweiten Referendum im Oktober dieses Jahres hat sich die irische Regierung daher von der EU ausdrücklich zusichern lassen, dass dies nicht der Fall sein wird. Mit fundamentalistischem Christentum lassen sich in Irland noch immer Abstimmungen gewinnen.
Die im Dezember gegründete Initiative Atheist Ireland hat zwar derzeit Zulauf und fordert, mit einem Referendum das Blasphemiegesetz wieder rückgängig zu machen – Umfragen zufolge wissen die Befürworter des Gesetzes aber eine Mehrheit hinter sich.