Nazis und der Antikriegstag in Dortmund

Bier, Bratwurst und Blockade

Neonazis streiten vor Gericht gegen das Verbot ihres Aufmarschs zum »Nationalen Antikriegstag« in Dortmund. Zwei Demonstrationen, gut 25 Kundgebungen und eine Blockade sind für alle Fälle dagegen angemeldet.

Die rund 1  100 Neonazis, die voriges Jahr zum Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs randalierend durch Dortmund gezogen waren, hatten offenbar noch nicht ausgereicht. Doch seit am »Tag der Arbeit« rund 400 Neonazis, angeführt von den örtlichen »Autonomen Nationalisten«, die DGB-Demonstration überfielen, sieht die Polizeiführung die Dinge anders. »In Anbetracht der Ereignisse am 1. Mai 2009 und der danach zu erwartenden erneuten hohen Gewaltbereitschaft der Versammlungsteilnehmer an der angemeldeten Versammlung der Neonazis sehe ich die Notwendigkeit, die Versammlung am 5. September 2009 zu verbieten«, verkündete der Dortmunder Polizeipräsident Hans Schulze vor ein paar Wochen.
Er führte weiter aus, dass es keine Ersatzveranstaltung »im Zuständigkeitsbereich der Kreispolizeibehörde Dortmund« geben dürfe. Doch die Organisatoren um den Anführer der örtlichen Kameradschaftsszene, Dennis Giemsch, ließen eine Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einreichen, ebenso einen Befangenheits­antrag gegen die Richterinnen und Richter und gleich noch eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Polizeipräsidenten. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bestätigte das Verbot des Aufmarschs und folgte im Wesentlichen der Argumentation des Polizeipräsidenten. Der Hamburger Neonazi Christian Worch, der sich ebenfalls eingeschaltet hatte, kündigte an, gegen das Verbot des Aufmarschs am 5. September »nötigenfalls bis zum Bundesverfassungsgericht« gehen zu wollen.
Gleich mehrere Konzerte mit Neonazibands unterschiedlichster Stilrichtungen sollen das Geld für die Prozesskosten einbringen; zudem will man dabei für den Aufmarsch werben. Am 18. Juli fand ein Konzert mit Bands statt, die sich dem »National Socialist Hardcore« und »Rock Against Communism« zurechnen. Zum Wochenende war das nächste angekündigt. Ganz offensichtlich trauen sich die Neonazis derzeit mehr als früher, als sie noch häufig aus Nordrhein-Westfalen nach Belgien oder in die Niederlande ausgewichen sind, um Konzerte zu veranstalten.

Für die »Autonomen Nationalisten« geht es um einiges. Zum einen würden sie nur zu gern die vermeintliche Macht der Straße in ihrer Hochburg ver­teidigen – nach immerhin rund 50 Aufmärschen in den vergangenen Jahren. Zum anderen ist der Aufmarsch zum Antikriegstag das wichtigste Ereignis für die Szene, wenn es darum geht, Symbole, Aktionsformen und Themen der Linken zu adaptieren. Bereits seit fünf Jahren bemühen sich die Neonazis darum, immer mehr Kameraden zu diesem Ereignis nach Dortmund zu bewegen.
Militante Angriffe von Neonazis haben in der Zwischenzeit aber nicht nur anlässlich von Demonstrationen stattgefunden. Es gab unzählige Angriffe auf vermeintlich Linke und ihre Infrastruktur, zum Beispiel mit Buttersäure oder Stahlkugeln auf linke Büros und Cafés in Dortmund, auf eine örtliche Alternativkneipe und ihre Besucherinnen und Besucher. Zum Glück tun nicht nur Antifaschistinnen und Antifaschisten ihr Bestes dagegen: Anfang Juli wollten Dortmunder Neonazis ihr »nationales Zentrum« in Dorstfeld einweihen. Die Räumlichkeiten des ehemaligen Naziladens »Buy or Die« dienen den Kameraden als allwöchentlicher Treffpunkt, nachdem sie mehrmals von Antifas von anderen Orten vertrieben worden sind. Die Einweihungsfeier fand jedoch ein abruptes Ende, nach Mitternacht kam es zu einer Schlägerei mit Jugendlichen aus der Umgebung – mit ungutem Ausgang für die Neonazis. Als die Polizei eintraf, fand sie nur noch vier verletzte Neonazis vor.

Auch ein Streit unter den Rechten ließ in letzter Zeit Zerfallserscheinungen in der Szene zutage treten und drohte, die Demonstrationsvorbereitungen zu beeinträchtigen: Nachdem das Ratsmitglied Axel Thieme Anfang des Jahres die Dortmunder DVU verlassen hatte und zur NPD gewechselt war, kam es zu Streitereien zwischen den Parteien. Die NPD behauptete, die DVU habe Thieme Geld geboten, um die Fraktionsstärke im Stadtrat zu bewahren. Als zudem verbreitet wurde, der Kreisvorsitzende der NPD für Unna und Hamm, Hans Jochen Voss, habe die Dortmunder »Autonomen Nationalisten« mit 3 000 Euro unter der Voraussetzung gesponsert, dass sie die Konkurrenz von der DVU nicht unterstützten, beklagte Worch, die Methoden der NPD erinnerten ihn »an die Mafia«.
Streiten kann sich indes auch die Linke in Dortmund. Zwei unterschiedliche Bündnisse rufen zu Demonstrationen gegen den geplanten Aufmarsch auf. Lokale Antifa-Gruppen haben sich zu dem Bündnis »S5« zusammengeschlossen und bereiten sich seit Anfang des Jahres auf das große Ereignis im September vor.
»Uns geht es um eine längerfristige antifaschistische Arbeit gegen Nazis vor Ort«, erklärt Luise Berger vom Antifaschistischen Impuls Dortmund. Antifa-Gruppen aus ganz NRW unterstützen das Bündnis. »Die angebliche Antikriegs-Demonstration der Nazis ist im Kontext des Antikriegstages, dem Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen, eine riesige Provokation«, sagt Bernd Meier von der Antifaschistischen Linken Münster. Auch Radiosendungen, ein Informationsticker und eine Demonstration am Vorabend sind gegen »Nation, Krieg & Nazis« geplant. Die Gegenaktivitäten am Samstag beginnen um 11 Uhr am oberen Ende der Katharinentreppe am Hauptbahnhof. Prominen­te Unterstützung erhält das Antifa-Bündnis von der Band Deichkind.
Am unteren Ende der Treppe und bereits eine Stunde vorher will ein Bündnis aus linken Parteien und antiimperialistischen und anderen Gruppen gegen Nazis und Krieg demonstrieren. Unter dem Motto »Dortmund stellt sich quer« versammeln sich dort Linkspartei, DKP und die Föderation demokratischer Arbeitervereine (DIDF). Als Grund für die eigene Demonstration nennt das Bündnis die angebliche »antideutsche Dominanz« im anderen Bündnis. Worin sich diese Dominanz zeigt, ist für viele Außenstehende nur schwer nachvollziehbar.
Unterstützung erhält das Bündnis von Se­nio­rinnen und Senioren der »Aktion 65 plus«, die den Aufmarsch notfalls »konsequent und friedlich« blockieren möchten. Nach einem ersten Gespräch mit der Polizei beklagen die Veranstalter das »de-facto-Verbot« ihrer Veranstaltung. Die Polizei habe den Rentnerinnen und Rentnern »Gewaltbereitschaft« unterstellt, »die angemeldete Demo-Strecke auf einen Spaziergang vom Busbahnhof zum Westpark eingedampft« und den Demonstrantinnen und Demonstranten geraten, dort »bei Bier und Bratwurst den Tag nett ausklingen« zu lassen, beschwerte sich das Bündnis in einer Presseerklärung.