Willy hat mehr zu bieten
Kurz vor der Bundestagswahl bietet es sich an, über Schallplatten zu schreiben, deren Existenz deutsche Parteien zu verantworten haben. In der letzten Woche habe ich eine schmissige Tanzplatte der CDU vorgestellt. Auch auf das Konto von SPD und FDP gehen ähnliche Werbeprodukte.
So verteilte die SPD zur Bundestagswahl 1966 eine Schallfolie, auf der Werner Hass und die Monacos unverhohlen die sexuelle Attraktivität des damals 52jährigen Willy Brandt besangen:
Der Text von »Alle drücken ihm den Daumen« lautete wie folgt: »Schöne Mädchen gehen nicht mit jedem Mann/Nur mit einem, den man wirklich liebt/Nur mit dem, der etwas tun und nicht nur reden kann/Und der weiß, was Mädchen sich wünschen/Er sichert sich den Platz/In den Herzen – für ihn gibt’s keinen Ersatz/ … /Kluge Mädchen wählen doch nicht jeden Mann/Nur den Mann aus der Berliner Luft/Nur den Mann, der zeigt, dass er noch mehr als reden kann/Wenn Sie Ihre Stimme ihm schenken/Kommt auf den ersten Platz/Unser Willy! – für ihn gibt’s keinen Ersatz.« Und er endet mit den Zeilen: »Wir wählen Willy! Wir wählen ihn!«
Der Titel der B-Seite, »Einmal muss man es probieren«, stellt sogar eine Verbindung zwischen erstem Sex und der ersten Wahl her. Trotz dieser Bemühungen unterlag Willy Brandt Ludwig Erhard. Nach Erhards Rücktritt 1966 und der Bildung der ersten großen Koalition wurde Willy Brandt Außenminister und Stellvertreter des Bundeskanzlers Kiesinger.
Die Wahl des Berliner Parlaments vom 12. März 1967 war die erste Wahl nach dem Rücktritt Willy Brandts als Regierender Bürgermeister. Zu Werbezwecken produzierte die FDP eine Flexi-Disc, auf der neben einer anonymen Instrumental-Band auch die Stimmen von Dr. Erich Mende, Theodor Heuss und Hartmut Röseler, dem jüngsten Kandidaten aller Parteien für die Wahlen, zu hören ist. Da sich diese Single hauptsächlich an Jungwähler richtete, kommt zuerst der jüngste Kandidat zu Wort:
»Die FDP wirbt mit den Worten: weltoffen, modern, liberal. Weltoffen, modern, liberal – Attribute der jungen Generation. Junge Menschen lehnen Konformismus, Opportunismus, Kritiklosigkeit und Bequemlichkeit ab. Deswegen FDP. Junge Menschen schätzen Toleranz, Sachlichkeit und Fortschritt. Deswegen FDP.«
Die zwei auf der B-Seite befindlichen instrumentalen Rock’n’Roll-Songs im Stil der Shadows zeigen dann allerdings, wie modern die FDP damals tatsächlich war. Dieser Sound war 1967 längst durch die Beatles, die Stones und Jimi Hendrix abgelöst worden. Jugendliche Beat-Fans konnten mit laschem Ersatz-Rock sicher nicht zu FDP-Wählern gemacht werden. Trotzdem reichte das Wahlergebnis der FDP, um als Koalitionspartner der SPD weiterhin in Berlin zu regieren.
Mir gefällt der holprige Rock’n’Roll dieser Amateur-Band trotzdem, oder gerade deshalb. Allerdings sind Konformismus, Opportunismus und Kritiklosigkeit heutzutage Attribute, die ich am ehesten mit der Streber-Partei verbinde. Auch die Songs von Werner Hass und den Monacos haben einen skurrilen Charme, den ich genieße. Leider gibt aber das gegenwärtige Personal der SPD keine Person her, die eine vergleichbare Hymne wie Willy Brandt verdient.
http://mischalke04.wordpress.com/2008/11/06/werner-hass-und-die-monacos…
http://mischalke04.wordpress.com/2007/12/10/beat-for-you-quartermaster-…
