Arbeitsmigrantinnen auf Zypern

Die Farbe der Arbeit

Nach dem EU-Beitritt entstand unter mi­gran­tischen Arbeitskräften auf Zypern, insbesondere Frauen, die in der Tourismusbranche tätig sind, eine neue Hierarchie. Arbeiterinnen aus dem europäischen Ausland sind dabei besser gestellt als Drittstaatenangehörige, deren Visum an den Arbeitgeber gebunden ist. Mit Rassismus und Sexismus werden ausländische Frauen gleichermaßen konfrontiert, weshalb viele nicht in Zypern bleiben wollen.

»You are white now!« Diesen Satz sagte Aida*, eine Armenierin, die seit vier Jahren als Kellnerin in der Republik Zypern arbeitete, am 1. Mai 2004 zu ihrer lettischen Kollegin. An diesem Tag wurde Zypern ebenso wie Lettland Mitglied der Europäischen Union. Für die lettische Kollegin bedeutete dies eine enorme Erleichterung ihrer Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen in Zypern, während Aida als Drittstaatenangehörige befürchten musste, fortan deutlich schlechter gestellt zu sein.
Was sich seither in Zypern wie im Rest der EU etabliert hat, kann als Ausdruck eines »europäischen Apartheidsystems« (Etienne Balibar) verstanden werden. Damit beschreibt der französische Rassismusforscher nicht ohne Provokation Formen eines spezifisch »europäischen Rassismus« gegenüber Ausländerinnen und Ausländern aus so genannten Drittstaaten, die deutlich benachteiligt und ausgegrenzt werden.

Zum Zeitpunkt ihres EU-Beitritts hatte die Republik Zypern sich bereits von einem Auswanderungs- zu einem Einwanderungsland gewandelt. 1990 gab es einen radikalen Kurswechsel in der Migrationspolitik der griechisch-zyprischen Regierung. Um die Wirtschaft anzukurbeln, erhielten Migrantinnen und Migranten erstmals in großem Ausmaß die Erlaubnis, in Zypern zu arbeiten. Seither hat die Immigration von Menschen aus den Ländern des Südens und Ostens weiter zugenommen. Bei einer Gesamteinwohnerzahl von 790 000 hat sich die Zahl der legal eingereisten ausländischen Arbeitskräfte von 20 000 im Jahr 1998 auf aktuell etwa 70 000 mehr als verdreifacht. Zu diesen Migranten aus so genannten Drittstaaten kommen noch einmal rund 85 000 EU-Ausländer. Außerdem gibt es internationale Studierende an den zahlreichen Colleges des Landes, die mit einem Studierendenvisum einreisen und dann illegal arbeiten. Zypern verzeichnet zudem proportional zur Bevölkerung die größte Zahl von Asylanträgen aller EU-Staaten, mit deren Bearbeitung die Behörden völlig überfordert sind. Neben Mi­grantinnen und Migranten mit legalem Aufenthaltstitel leben nach unterschiedlichen Angaben zwischen 30 000 und 50 000 »Illegale« in Zypern. Die meisten bekommen schlecht bezahlte Jobs auf dem Bau, in Privathaushalten, in der Landwirtschaft oder in der Sexindustrie. Auch im Tourismus, Zyperns wichtigstem Wirtschaftszweig, gibt es einen hohen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften.
So auch in Polis Chrysochous, einer bei Touristen beliebten Kleinstadt im Nordwesten der Republik Zypern, in der Aida und ihre lettische Kollegin arbeiten. Es gibt vermutlich keinen einzigen touristischen Betrieb auf der Insel, der ohne ausländisches Personal auskommt. In einer Bar zeigt sich besonders deutlich, wie das System der Hierarchisierung in einem neuen EU-Land im Arbeits­alltag bemerkbar wird. Zwei Polinnen, eine Moldawierin und zwei Frauen aus Sri Lanka sind hier beschäftigt. Während die beiden Polinnen sich darauf verlassen können, dass die Bedingungen in ihrem Arbeitsvertrag weitgehend eingehalten werden, sieht die Situation für die Frauen aus Moldawien und Sri Lanka anders aus. Sie bekommen deutlich weniger Geld und müssen mehr arbeiten als vertraglich vereinbart, wobei die Frauen aus Sri Lanka noch einmal schlech­ter gestellt sind als ihre moldawische Kollegin.
Bibiana und Brygida aus Polen sowie Tamara aus Moldawien arbeiten im Service, die beiden Frauen aus Sri Lanka, Beena und Shalini, in der Küche. Der Betreiber lege Wert darauf, im Service junge, attraktive Osteuropäerinnen zu beschäftigen, um Kunden anzuziehen, erzählt Bibiana. Einmal habe er von ihnen verlangt, kurze Röcke zu tragen, wogegen die Frauen sich jedoch erfolgreich wehrten. Sie vermuten, der Barbetreiber habe bei seinen Kunden den Eindruck erwecken wollen, seine Beschäftigten seien für sexuelle Dienstleistungen zu haben. Es kämen häufig gewaltbereite Gäste in die Bar, weswegen die Frauen auch bereits mehrmals die Polizei gerufen hätten. Die habe sich jedoch nur für ihre Papiere interessiert.

Tamara, Bibiana und Brygida sind unzufrieden mit ihrem Arbeitsplatz. Brygida plant, nach Saisonende zurück nach Polen zu gehen, Bibiana will sich im neuen Jahr in einer anderen Stadt einen anderen Arbeitsplatz suchen. Da sie beide aus einem EU-Land kommen, werden sie dies auch ohne rechtliche Probleme tun können. »Als Drittstaatenangehörige ist mein Visum an meinen Arbeitgeber gebunden. Ich kann nicht einfach meinen Job wechseln«, beschreibt Tamara hingegen ihre Situation. Damit gewährleistet sie die Kontinuität, die viele Arbeitgeber an Drittstaatenangehörigen schätzen, während die beiden anderen Frauen dem aus unternehmerischer Sicht häufig formulierten Stereotyp der »unzuverlässigen Polen« entsprechen, die ständig ihren Job wechseln.
Ebenso wie Tamara müssen sich auch die beiden Frauen aus Sri Lanka, die in der Küche arbeiten, mit schlechten Arbeitsbedingungen abfinden. »Unser Boss weiß, dass wir das Geld brauchen. Also sagt er einfach: ›Für euch muss ich eine Lizenz beantragen, also müsst ihr mehr arbeiten als die Europäerinnen. Ihr seid schließlich aus Asien!‹« sagt Shalini. Der EU-Beitritt Zyperns habe für Migrantinnen und Migranten aus Asien nur Nachteile gebracht. Es sei nun sehr viel schwieriger, nach Zypern einzureisen und Arbeit zu finden. »Die Europäer sollen jetzt unsere Arbeit machen. Uns geben sie keine Chance mehr.« Dauerhaft will Shalini aber ohnehin nicht in Zypern bleiben. Zu oft sei sie mit Rassismus konfrontiert worden: »Sie bezeichnen uns als ›Schwarze‹, nicht als ›Menschen‹. Sie denken viel zu viel über die Hautfarbe nach.«
Das Beispiel dieser Frauen verdeutlicht, dass der »europäische Rassismus«, von dem Balibar spricht, nicht nur in der Unterscheidung zwischen EU-Bürgern und Drittstaatenangehörigen zum Ausdruck kommt. Zusätzlich zu der offiziellen Einteilung von Arbeitskräften in EU-Bürger, Noch-nicht-EU-Bürger (wie zum Beispiel solche aus Bulgarien und Rumänien vor 2007) und Niemals-EU-Bürger spielen noch eine Reihe weiterer hierarchischer Differenzierungen wie Geschlecht und Hautfarbe ein Rolle. Junge weiße Osteuropäerinnen werden in Zypern häufig mit Prostitution in Verbindung gebracht, da viele Frauen aus Osteuropa in Zypern als Sexarbeiterinnen tätig sind. Frauen aus Sri Lanka oder den Philippinen werden hingegen eher mit haushaltsnahen Tätigkeiten wie Putzen oder Altenpflege assoziiert und wegen dieser vermeintlich niederen Tätigkeiten in abwertender Absicht als »Schwarze« bezeichnet – genauso wie die Zyprer selbst einst von ihren britischen Kolonialherren »Schwarze« genannt wurden.
Ihrer Hautfarbe entsprechend werden die ausländischen Arbeitskräfte heute auf oder hinter den Bühnen des Tourismus eingesetzt. Nicht zuletzt Rassismus und Sexismus sind die Gründe, warum viele Ausländerinnen – entgegen verbreiteten Befürchtungen – keinesfalls in Zypern bleiben wollen, ganz gleich, ob sie dies als EU-Bürgerinnen neuerdings problemlos dürfen oder ob sie als Drittstaatenangehörige Aussicht auf eine Daueraufenthaltsgenehmigung haben.

*Alle Namen von der Redaktion geändert