Faschisten auf beiden Seiten. Zyperns extreme Rechte

Im Nationalismus vereint

Rechtsextreme Organisationen im griechischen Teil sowie Faschisten und die ­Islamisten im türkischen Teil der Insel versuchen, durch nationalistische Propaganda die zyprische Gesellschaft zu spalten. Eine kritische Auseinandersetzung mit den jeweiligen Feindbildern findet kaum statt.

Sie wollten gegen die »Zerstörung von Kirchen in Nordzypern« und gegen die türkische Besatzung des Nordteils der Insel protestieren, eine antitürkische Stimmung verbreiten und die griechisch-zyprischen Neofaschisten stärken. Die europäischen Neofaschisten, unter der Führung der deutschen NPD und der italienischen Forza Nuova, hatten sich viel von dem Sommercamp versprochen, das sie im vergangenen Jahr auf Zypern veranstalten wollten. Doch dazu kam es nicht. Gegen sie formierte sich schnell Widerstand. Die zypri­sche Organisation Jugend gegen Nationalismus startete eine Kampagne gegen das Camp der Neofaschisten, aus der bald eine breite Front verschiedener Organisationen wurde. Die Mobilisierung war erfolgreich, aber neofaschistische Organisationen bleiben auf Zypern aktiv und versuchen, durch nationalistische Propaganda die zyprische Gesellschaft zu spalten und den Prozess der Versöhnung zwischen dem türkischen und griechischen Teil der Bevölkerung zu stören.

Erst vor kurzer Zeit etablierten sich im griechischen Teil der Insel neben religiösen Nationalisten auch neofaschistische Organisationen. Die bekannteste ist die griechische Gruppe Hrisi Avgi (Goldener Sonnenaufgang, Jungle World 27/08), die in den vergangenen Jahren im griechischen Teil der Insel immer mehr an Einfluss gewonnen hat, insbesondere unter Jugendlichen, wie auch Gewalttaten im vergangenen Jahr zeigten. Diese erreichten ihren bisherigen Höhepunkt mit einem Angriff auf die Universität von Zypern während der Studierendenwahlen im März 2008, als die Faschisten, vermummt und mit Brechstangen und Hacken bewaffnet, Studentinnen und Studenten angriffen.
Seit April 2008 gründeten sich fünf weitere rechtsextreme Plattformen, die versuchen, in politische und gesellschaftliche Prozesse zu intervenieren. Neben Hrisi Avgi organisieren Gruppen wie Erste Linie, Griechischer Widerstand, United Greek Front, Movement for the Salvation of Cyprus Veranstaltungen zu religiösen, politischen und historischen Themen. Unter ihren Anhängern befinden sich allerdings nicht nur nationalistische Schläger, sondern auch Professoren, Anwälte, Politiker und Beamte. Bei diesen öffentlichen »Diskussionsrunden« sowie auf den Homepages dieser Gruppen wird häufig gegen türkische Zyprer und gegen eine politische Lösung des Zypern-Konflikts gehetzt. Die Anzahl der Faschisten auf Zypern ist schwer abzuschätzen, da kaum ein gesellschaftlicher Diskurs über Faschismus geführt wird.
Dass eine nationalistische Stimmung in der zyprischen Öffentlichkeit herrscht, zeigte zuletzt ein Vorfall im März dieses Jahres. Damals versuchte Andreas Dimitriou, Erziehungsminister der Republik Zypern, in einem Rundschreiben an alle Schulen auf historische Fehler in den Schulbüchern aufmerksam zu machen. Ein differenzierter Blick auf die Teilung der Insel, der auch griechisch-zyprischen Extremisten eine Mitschuld zuspricht, sei endlich an der Zeit, regte er an. Die türkischen Zyprer hatten bereits 2004 den Schritt gewagt, die einseitige Geschichtsschreibung in den Schulbüchern zu revidieren und das Bild der hasserfüllten griechischen Zyprer in Frage zu stellen, wonach es diesen nur darum gehe, die türkische Bevölkerung zu eliminieren.
Dimitrou erntete scharfe Kritik seitens der griechischen Nationalisten. Und sogar viele Lehrer sowie der Erzbischof weigern sich, ihren Blick auf die Geschichte aufzugeben, wonach die türkischen Zyprer nichts anderes als Barbaren seien, die allein die Schuld an der Teilung trügen. Es besteht offenbar kein Interesse, die alten Feindbilder aufzugeben.
Im türkischen Teil Zyperns gab es in den vergangenen Monaten zwar keine gewalttätigen Aktionen der Rechtsextremisten, aber auch die türkischen Faschisten sind mit ihren Organisationen auf der Insel aktiv. Es gibt die Grauen Wölfe, den Türkisch-Zyprischen Kämpferverband, die Nationalistische Volksbewegung, den TMT (die einstige Untergrundorganisation der türkisch-zyprischen Nationalisten) sowie deren Zeitung Volkan Gazetesi.
Im türkischen Nordteil wurde ein Erstarken der Rechtsextremen bei den letzten Parlamentswahlen im April deutlich. Die türkischen Zyprer stimmten mit einer deutlichen Mehrheit von rund 44 Prozent für Dervis Eroglou von der Partei der Nationalen Einheit UBP. Für diese Wahl gibt es ideologische und wirtschaftliche Gründe. Zum einen fühlt sich der türkische Teil der Bevölkerung von den Entwicklungen auf dem Rest der Insel ausgeschlossen, da die türkischen Zyprer von dem EU-Beitritt der Republik Zyperns nicht profitieren konnten, zum anderen wird Nordzypern international weiterhin nicht als eigenständiger Staat anerkannt. Zudem werden die türkischen Zyprer langsam eine Minderheit auf ihrem Teil der Insel. Immer mehr Türken wandern vom Festland ein, und ein großer Teil von ihnen bringt eine nationalistische Gesinnung mit. Zwar wurden in letzter Zeit die Gespräche zwischen Staatspräsident Dimitris Christofias und der türkischen Führung unter Mehmet Ali Talat über eine politische Lösung intensiviert, und sogar die UBP hat versprochen, sich nicht querzustellen, dennoch wird man zunächst die Präsidentenwahl im türkischen Teil nächstes Jahr abwarten müssen, um zu sehen, wie es weitergeht.

Neben den Nationalisten auf beiden Teilen der Insel gibt es auch türkische religiöse Fundamentalisten, die versuchen, ihre Forderungen durchzusetzen. Vor einem Monat versammelten sich mehrere Gruppen vor der Zentrale der linken türkisch-zyprischen Lehrer, um gegen den Verband zu protestieren. Die AKP-Regierung in der Türkei hatte über ihre Botschaft in Nordzypern inoffiziell gefordert, mehr Moscheen zu gründen und die Koran-Lehre in öffentlichen Schulen einzuführen. Der Lehrerverband hatte daraufhin die Versuche der türkischen Regierung zurückgewiesen, Einfluss auf die zyprische Politik zu nehmen.
Gegen den Nationalismus regt sich wenig Widerstand auf der Insel. Das liegt unter anderem an dem ständigen Wiederaufkommen alter Feindbilder in der Politik und der Gesellschaft.
Mehrere Nichtregierungsorganisationen versuchen immerhin, eine kritische Öffentlichkeit zu etablierten und an medialem und politischem Einfluss zu gewinnen. Ein paar kleinere Aktionen schaffen es dann gelegentlich auch in die Medienberichterstattung.
Dieses Jahr fand beispielsweise das zweite Antifaschistische Festival auf der Insel statt, dabei ging es vor allem um Toleranz für türkische Zyprer und für die nicht griechisch-orthodoxen Bewohner der Insel. Hier wurden insbesondere die Schulreform und die Lösung des Zypern-Konflikts diskutiert. Alle zwei Monate findet außerdem eine Critical Mass statt, um unter anderem gegen die Faschisten zu protestieren. An den antifaschistischen Veranstaltungen, die sich außerhalb des etablierten Parteien-Spektrums abspielen, nehmen verschiedene Gruppen und Organisationen teil: alternative Linke, Gruppen, die multikulturelle Arbeit betreiben, und eine kleine Gruppe von Anarchisten. Ihnen geht es um Toleranz zwischen den Bevölkerungsgruppen und um eine Aufarbeitung der Geschichte, die die Schuldfrage nicht in den Vordergrund stellt.