Überschätztes Twittern

Wer ein wie auch immer geartetes Anliegen hat, sucht seit den Wahlen im Iran via Twitter Öffentlichkeit. Der Mikro-Bloggingdienst hat schließlich damals dort die Revolution gewonnen – oh, hat er doch nicht? Die Proteste wurden gewaltsam niedergeschlagen? Huch. Das amerikanische Web Ecology Project hatte bereits im Sommer ausgewertet, was vom 7. bis 26. Juni auf Twitter zum Thema Iran wirklich geschah. Zwei Millionen Tweets waren in diesen 18 Tagen zum Thema Iran gepostet worden, davon waren ein Viertel ReTweets, also meist ohne zusätzlichen Kommentar weiterverbreitete Messages anderer User. Mehr als die Hälfte aller Nutzer, die sich unter Verwendung von Hashtags wie Iran und Iranelection beteiligten, taten dies genau ein Mal. Diese singulären Meinungsäußerungen machten 14,1 Prozent aller Iran-Tweets aus. Insgesamt beteiligten sich knapp 480000 User aus aller Welt, wobei die 5000 Aktivisten für 32,9 Prozent der Mikro-Statements sorgten.
Das alles reichte nicht für eine erfolgreiche Revolution – was auch daran liegen könnte, dass die Mehrzahl der Twitter-Nutzer einfach nur News-Junkies sind, die den Dienst nutzen, um schnell über die neuesten Nachrichten informiert zu werden. Entsprechend werden die meisten Accounts nach einer Studie des Online-Werbe­anbieters Chitika auch nur zum Lesen der Tweets der bekannten Medien wie CNN eingerichtet, die für 28 Prozent des Datenverkehrs bei Twitter verantwortlich sind.
Wie belanglos Twitter in Deutschland ist, zeigt eine gerade veröffentlichte Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Nielsen. Im September konnte twitter.com demnach zwar 3,14 Millionen deutsche Besucher verzeichnen, wirklich aktiv sind jedoch nur 185000 Accounts.