Bosse privat

Die in diesem Interviewband versammelten Gespräche lesen sich wie Feldforschungen zu einer Subkultur. Sie reden. »Die da oben« reden. Nicht auf einer Geschäftsversammlung, in einer Talkshow oder einer Pressekonferenz, nicht über Bilanzen, Zahlen und Gewinnerwartungen, sondern in gemütlicher Atmosphäre über Privates, Sorgen und Alltägliches.
Die sogenannte Elite, die movers and shakers der Republik, die Bosse der Bosse, die eigentlichen Machthaber im Staat, plaudern über Eigen- und Fremdwahrnehmung, Lebensphilosophien, berufliche Ziele. Machtmenschen wie Telekom-Chef René Obermann oder Manager Hartmut Mehdorn berichten, wie das so ist, unmenschlich viel zu arbeiten, entsetzliche Verantwortung zu tragen und viele Millionen im Jahr zu verdienen.
In den persönlichen Gesprächen kommt man Menschen näher, die einem vorher so fremd waren wie Ultraorthodoxe oder Taliban-Kämpfer. Nicht unbedingt symphatischer wirken diese Bestimmer und Wirtschaftslenker nach der Lektüre, aber wie Menschen, die wohl doch auch ein Gewissen haben können und unter der Last der Verantwortung schon Mal leiden. Die Kunst der Interviews ist es, die Gesprächspartner kritisch, aber nicht verurteilend zu befragen. Auch Selbstkritik klingt da manchmal an, was ganz erstaunlich ist für Menschen einer Kaste, die doch eigentlich wissen, dass sie nur weiterkommen, wenn sie ihre Ellenbogen weiter gehörig ausfahren.

Barbara Nolte/Jan Heidtmann: Die da oben – Innenansichten aus deutschen Chefetagen. Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2009, 202 Seiten, 12 Euro