Der Holocaust-Leugner Walter Lüftl wurde in Wien geehrt

Im Reich der Vergangenheit

»Land der Hämmer, zukunftsreich«, singt unsere Bundeshymne. Und da ist schon einer, ich schaue nach, ja, es ist ein Hammer: Am 11.12.09 wurde dem Baurat h.c. Dipl. Ing. Walter Lüftl im Festsaal der Technischen Universität Wien das Goldene Ingenieurdiplom verliehen. Ein Orchester hat gespielt. Es fand ein Festakt statt.

Walter Lüftl hat in einer Expertise, die seither öfter bei Prozessen gegen Leugner der Shoa zitiert worden ist (»Holocaust – Glaube und Fakten«), die Feststellung getroffen, dass der Massenmord mit Zyklon B, das u. a. in den Gaskammern des KZ Auschwitz verwendet wurde, »nicht stattgefunden« haben könne. »Dagegen sprechen ebenso die Naturgesetze wie das Fehlen der technischen und organisatorischen Voraussetzungen.« Außerdem hätte das Krematorium diese Menge an Menschen gar nicht bewältigen können. Das Verfahren wegen Wiederbetätigung gegen Lüftl wurde eingestellt. Und seither berufen sich, wie gesagt, Holocaust-Leugner immer wieder auf diesen bewährten und inzwischen geehrten Mann. Das dürfen sie jetzt wieder ganz besonders, weil die TU Wien der Meinung ist, dass Herr Lüftl jene besonderen wissenschaftlichen Verdienste bzw. das hervorragende berufliche Wirken vorzuweisen hat, die laut Satzung der Technischen Universität Bedingung sind, diese Ehrung zu verleihen.
Mein Vater, Dipl. Ing. Dr. Friedrich Jelinek, Halbjude, hat unter größten Schwierigkeiten unter den Nazis sein Studium abschließen dürfen, als Chemiker (als Literaturwissenschaftler z.B. wäre es aus für ihn gewesen: Ostwallbau oder Westwallbau, je nachdem, gegen wen man sich grade eher zur Wehr zu setzen wünschte, gegen Menschen wie meinen Papa offenbar auf jeden Fall) durfte er dann, nach mühevoller und von Schikanen begleiteter Beendigung seines Studiums, als eine Art Edel-Zwangsarbeiter, dienstverpflichtet bei Semperit Traiskirchen, wo er ebenfalls seine ganz eigene Ehre bekommen hatte, und zwar die, gegen seinen Willen an kriegswichtigen Erfindungen für die Nazis mitwirken zu dürfen, sein Teil beitragen, ein Teil, das ihm bis zu seinem Lebensende dann, ihn quälend, gefehlt hat. Man hatte ihm das Studium zur Hölle gemacht, die aber natürlich kein Vergleich war mit dem Inferno, das andere durchmachen mussten. Aber es gab beim Studium Hürden und Gemeinheiten, vorsätzlich gegen ihn gerichtet (allerdings wurde er nie verprügelt oder die Stiegen hinuntergeworfen, soviel ich weiß), die er nur durchgehalten hat, weil meine Mutter (die man oft zur Scheidung gedrängt hatte) ihn immer unterstützt hat. So hat man es mir berichtet. Oft. In allen Details. Auch die Gemeinheiten einzelner Professoren meines Vaters, die ihm den Studienabschluss keinesfalls ermöglichen wollten, aber schließlich doch mussten. Er hatte trotz allem alle Prüfungen bestanden. Man kann es sich ungefähr vorstellen, wie das war. Am selben Tag der Ehrung für Herrn Lüftl übrigens hat auch die Firma Semperit Traiskirchen nach weit über hundert Jahren ihre Pforten geschlossen, wie man so schön sagt. Aber das nur nebenbei. Die Pforten sind sowieso geschlossen, die Akten sind geschlossen, die Menschen sind tot. Aber sie können ja gar nicht getötet worden sein, sie sind nur verschwunden, das haben der Herr Ingenieur und der goldene Herr Ingenieur Lüftl (beide in einer Person vereinigt, eine Zweieinigkeit, wenn noch ein Dritter dazukommt, können sie glatt Gott spielen) ja gezeigt. Das Krematorium hat es nicht fassen können, es hat diese vielen Menschen gar nicht fassen können, es ist technisch unmöglich. Ein Krematorium könne diese Menschenmassen nicht fassen, das sei technisch unmöglich, sagt Herr Ingenieur Lüftl, ich kann es gar nicht oft genug wiederholen. Ich kann es auch nicht fassen. Aber wer bin ich schon. Eine lächerliche Rächerin meines Vaters, die in der Vergangenheit festhängt wie eine Fliege im Bernstein, in einem ewigen Inzwischen als einer Art Wegkreuzung, wo die Linien immer wieder gezwungen werden, einander zu überschneiden, in einem Inmitten, das es so nicht gegeben haben kann, denn wieviele Menschen können inmitten einer Gaskammer stehen? Nicht so viele, wie immer gesagt wird, jedenfalls. Es geht nicht. Sie gehen nicht hinein. Dieses Da des Todes kann es nicht gegeben haben. Es können nicht soviel daran teilgenommen haben, am Tod. Menschen steigen ein, Menschen steigen aus, ich rühre mich nicht vom Fleck, damit man das, was sich da kreuzt, nicht alles auseinanderwirft wie ein Kind seine Bauklötze. Die ich dann womöglich auch noch staunen darf. Stauen geht nicht, denn irgendwie geht das ­Irgendwas irgendwo nicht hinein, das ist technisch bewiesen durch Herrn Lüftl, und ein Hauch frisches Lüfterl (bitte, keine Witze mit Namen! Der Preis für politische Korrektheit ist eh schon so hoch, aber so niedrig müsste er auch wieder nicht sein!) streicht durch den Raum, das man anderswo vielleicht viel nötiger gebraucht hätte. Nein, die Luft ist heute überall gleich verteilt, und sie wird verteilt, ohne Ansehen der Rasse, der Klasse oder des Standes. Es gibt keinen Aufstand deswegen. Es gibt Aufstände wegen sauberen Trinkwassers und reiner Luft, aber wegen gasverseuchter Luft, wegen Zyklon B in der Luft, muss es heute keine Aufstände mehr geben. Machen Sie nicht so einen Aufstand, blöde Dichterin! Es gibt hier wegen nichts einen Aufstand. Was reden Sie dumm in der Dichtung herum! Es ist vollkommen sinnlos, was Sie tun. Das hat man mir oft gesagt. Kein Aufstand also. Das Aufstehen macht auch zu viel Arbeit, wenn man mal gemütlich irgendwo sitzt. Nein, sitzen musste dieser Leugner der Gaskammern, der Herr Ingenieur Lüftl, nie. Bei uns doch nicht!
Dieses Lüftl-Gutachten wird noch oft zitiert werden. Erbringen Sie einmal einen Gegenbeweis! Es gab Hunderttausende Gegenbeweise, aber wen kümmert das schon. Die Menschen werden enteignet, die Menschen werden ermordet, aber das kann nicht sein. Wer hat es gesehen, wer war dabei? Aus der Gaskammer ist keiner zurückgekommen, also keiner, der dabei war. Und so kann es nicht abgelaufen sein, meint Herr Lüftl, der jetzt geehrt worden ist. Es gibt keine Augenzeugen. Und die technischen Wissenschaften erklären, was nicht gewesen sein kann. Die Naturgesetze erklären, was gewesen sein muss, nämlich nichts. Spricht der Baurat h.c. DI Lüftl. Von der alten Alma Mater von meinem Vater. Irgendwie muss ich mich da noch hineinzwängen, bitte entschuldigen Sie, ich konnte nicht anders. Da muss doch irgendwo eine ökologische Nische sein, von der aus ich das derzeit quasi naturhafte Zusammenwachsen der extremen österreichischen Rechten beobachten kann. Unter dieses Dach gehen jetzt noch mehr Menschen hinein als vorher drinnen waren. Und es kommen immer noch welche dazu. In die Gaskammer gehen nicht so viele hinein, wie angeblich drinnen waren, sagt Herr Ingenieur Lüftl. Die Menschen gehen hinein, sie gehen hinaus, da fällt es gar nicht auf, ob welche dabei sind, die nicht mehr gehen, es gehen ja soviele, und so viele wären in die Gaskammer nie hineingegangen, man hätte sie auf diese Weise auch nicht umbringen können, also bitte: Wieso sollten sie dort hineingehen, wenn man sie dann eh nicht alle dort umbringen hätte können. Bitte. Hören Sie auf den jetzt wieder sehr geehrten Herrn Lüftl, der das beweisen kann! Hören Sie nicht auf mich! Was habe ich schon gegen die Naturgesetze, interpretiert vom geehrten Herrn Lüftl, wie er es gelernt hat an der Technischen Universität Wien, zu melden? Ich melde mich zwar freiwillig, aber wen kümmert es.

Der Text entstammt der Homepage der Autorin und wurde uns mit freundlicher Genehmigung der Verfasserin zum Nachdruck überlassen ().