Eine Verstärkung der Truppen wird mehr Sicherheit bringen

Die Taliban müssen militärisch besiegt werden

Eine militärische Niederlage wird dem internationalen islamischen Terrorismus seine Aussichtslosigkeit vor Augen führen.

Alle Diskussionen über den Zeitpunkt eines Truppenabzugs, über Aussteigerprogramme für Taliban oder über ein angebliches Missverhältnis zwischen den zivilen und militärischen Bestandteilen des Afghanistan-Einsatzes zeugen entweder von einer so verheerenden Verwirrung über den Sinn des Einsatzes bei den dafür verantwortlichen Regierungen, dass man es mit der Angst zu tun bekommen könnte, oder sie zeugen bloß von deren Bemühen, die Öffentlichkeit mit dem abzuspeisen, was sie zu schlucken bereit und zu verdauen imstande ist. Man darf annehmen, dass et­was von beidem dabei ist. Und man darf hoffen, dass, wenn auch nicht Guido Westerwelle, so vielleicht wenigstens Barack Obama zu unterscheiden weiß zwischen dem, was er sagt, und dem, was er tut. Mehr ist politisch vielleicht überhaupt nicht möglich.

Die Wahrheit des Afghanistan-Kriegs aber ist etwas anderes. Der Kern der Gruppe, die die Anschläge vom 11. September 2001 durchführte, lebte längere Zeit in Hamburg, aber sie handelte nicht auf eigene Faust, sondern im Namen des internationalen islamischen Terrorismus und im Auftrag einer Kommandozentrale, die sich in Kandahar befand, der ersten in den neunziger Jah­ren von der Taliban eroberten afghanischen Stadt. Dort hatte al-Qaida das Hauptquartier aufgeschlagen, um von hier aus ihren Krieg gegen den Westen zu dirigieren. Später wurde dort Mohammed Atta das operative Kommando für die An­schlä­ge in New York von Ussama bin Laden persönlich übergeben; eine Videoaufnahme vom 18. Januar 2000 dokumentiert diese folgenreiche Zusammenkunft.

Amerikanische und britische Streitkräfte nahmen am 7. Oktober 2001 die Stellungen von Taliban und al-Qaida unter Beschuss, nachdem Mullah Mo­hammed Omar, der Taliban-Führer, ein Ultimatum hatte verstreichen lassen, das die Auslieferung Ussama Bin Ladens verlangte. Das Ultimatum war die unverdiente, aber letzte Gelegenheit, sich von der Kriegserklärung al-Qaidas, den Terroranschlägen vom 11. September, zu distanzieren und sich selbst damit einem Krieg zu entziehen. Dieses Angebot war keine Finte, um der Weltöffentlichkeit einen begreiflichen Kriegsgrund vorzutäuschen – anders als im Fall des Irak, wo man es an­derthalb Jahre später für nötig hielt zu behaupten, Saddam Hussein besäße Massenvernichtungswaffen, da man sonst die Zustimmung britischer und amerikanischer Abgeordneter – etwa das Votum der sich begriffsstutzig gebenden Senatorin Hillary Clinton – für den Sturz des Diktators nicht bekommen hätte.
Denn zu Beginn des Afghanistan-Feldzugs war die durch die keine vier Wochen zurückliegenden Anschläge bewirkte Erschütterung noch so unmittelbar zu spüren, der durch den Aufenthaltsort Ussama bin Ladens und die offene Komplizenschaft des Taliban-Regimes gegebene Kriegsgrund so offensichtlich, dass es noch keiner politischen Tricks bedurfte, um sogar die in Deutschland regierende Koalition von Sozialdemokraten und Grünen zu Solidaritätsbekundungen mit den USA zu verpflichten, ehe sie sich besann und vor dem Irak-Krieg eine »Achse des Friedens« schmiedete, die französische und russische Regierung einspannte. Es wäre damals auch noch niemand auf die Idee gekommen, dass es »gemäßigte Taliban« geben könne – so wie bis heute keiner von »gemä­ßigten Terroristen« zu sprechen wagt. Aber wer weiß, auf welche Ideen man in fünf Jahren noch kommen mag.

Fakt ist, dass das Taliban-Regime nun die Konsequenzen seiner damaligen Entscheidungen zu spüren bekommen muss. Die Notwendigkeit dafür folgt keiner Pädagogik, sondern der Logik des Jihad selbst: der Notwendigkeit, den Glauben des Gotteskriegers an seine Allmächtigkeit zu widerlegen. Der Glaube ist Folge des Sieges der mit west­lichen Waffen ausgestatteten afghanischen Mujahedin im Krieg gegen die Sowjetunion. Jetzt muss die Überlegenheit westlicher Waffen beweisen, dass ihr Glaube an ihre Allmacht ein gottverdamm­ter Aberglaube ist.
Um das im Irak zu erreichen, mussten die USA, die auch dort mit zu wenigen Truppen einmarschiert waren, im Sommer 2007 160 000 Soldaten aufbieten. Und das in einem Land, dessen Fläche und Bevölkerung kleiner und einfacher zu handhaben war als die afghanischen Gebirgshöhlen und Paschtunenstämme. Doch aus den Erfahrungen, die im Irak gemacht wurden, konnte eine einfache Formel abgeleitet werden, die Barack Oba­ma von General David H. Petraeus gelernt hat: Mehr Truppen führen zu mehr Sicherheit. Im kom­menden Sommer wird die Zahl der Nato-Soldaten – und das macht Hoffnung auf eine Niederlage der Taliban – in Afghanistan auf 150 000 ansteigen. Darunter fallen allerdings auch Truppen ohne Kampferfahrung und Kampfauftrag, wie etwa das deutsche Kontingent. Aber auf die kommt es ja bekanntlich nicht an.