Der Abzug der Truppen ist eine Voraussetzung für die Demokratisierung Afghanistans

Nie wieder Deutschland am Hindukusch

Wer sich mit der afghanischen Demokratiebewegung solidarisieren will, muss den Abzug der internationalen Truppen fordern.

»Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt«, lautete in den achtziger Jahren ein beliebter Slogan auf Demonstrationen, als Deutsch­land wegen seiner Vergangenheit noch als nur begrenzt kriegsfähig galt und keine Soldaten in Kriegseinsätze schickte. Heute dagegen gehen auch deutsche Soldaten, etwa das weitgehend un­ter Ausschluss der Öffentlichkeit agierende Kom­mando Spezialkräfte (KSK), in aller Welt ihrem schon von Kurt Tucholsky prägnant benannten Handwerk nach.
Spätestens seit dem von deutschen Militärs zu verantwortenden Massaker an einer unbekannten Zahl von afghanischen Dorfbewohnern dürfte allgemein bekannt sein, dass die Bundeswehr in Afghanistan nicht als bewaffnete Hilfsorganisation tätig ist. Führende Politiker, an der Spitze Bundeskanzlerin Angela Merkel, verbaten sich jeg­liche Kritik aus dem In- und Ausland am Bombardement. Und führende deutsche Militärs legten mit der Bemerkung, dass die in Kunduz getöteten Zivilisten keine Unbeteiligten gewesen seien, das internationale Kriegsrecht in deutscher Tradition aus. Fast gleichzeitig mit dem Kunduz-Massaker wurde im Bendlerblock, dem Sitz des deutschen Kriegsministeriums, ein Ehrenmal für die bei ihrem Job in aller Welt ums Leben gekommenen deutschen Soldaten eingeweiht.

Die Warnungen vor der Entstehung einer neuen deutschen Militärmacht, die vor knapp 20 Jahren die Kampagne »Nie wieder Deutschland« antrieb, haben sich also zumindest in diesem Punkt voll bestätigt. Doch heute hört man von denen, die sich mehr oder minder in diese Tradition stellen, keine Proteste gegen die selbstbewusste deutsche Militärmacht, die arme afghanische Bauern, die sich offenbar etwas Benzin aus gestohlenen Tanklastzügen abzapfen wollten, mit dem Tode bestrafte.
Im Gegenteil. Da benutzt Magnus Klaue in einem Artikel in der Jungle World (Nr. 3/2010) die Phrase von der »Verteidigung der Zivilisation«, die schon 1914 von der SPD-Führung verwendet wurde, um der sozialdemokratischen Basis den Krieg gegen das zaristische Russland schmackhaft zu machen. In der aktuellen Ausgabe der Monatszeitschrift Konkret kreiert Stefan Frank eine jihadistische Weltverschwörung und wirft Obama vor, dieser nicht mit der nötigen Entschlossenheit entgegenzutreten. Sollte man Obama nicht gleich empfehlen, von Deutschland zu lernen? Schließlich hat sich Oberst Klein in Kunduz nicht von den Bedenken von US-Militärs abhalten lassen, die gestohlenen Tanklastzüge und die sie umgebende Menschenmenge bombardieren zu lassen.
Wer meint, der Militäreinsatz diene der Demokratisierung und sei deshalb gerechtfertigt, sollte auf die Demokratiebewegung in Afghanistan hören. Denn die kämpft nicht nur gegen die Taliban, sondern auch gegen die Warlords im Lager des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai und damit auch gegen die westlichen Militärs, die dessen Regierung stützen. Die afghanische Islamkritikerin und parteilose Abgeordnete Malalai Joya, die nach Morddrohungen prowestlicher Islamisten und Warlords untertauchen musste und ihr Mandat verlor, spricht sich in ihrem Buch »Ich erhebe meine Stimme« für einen Abzug aller fremden Truppen aus Afghanistan aus, denen sie vorwirft, nicht die Demokratie, sondern »eine Fraktion der Warlords und Islamisten« zu fördern. Auch die Frauenorganisation Rawa, die den Sturz der Taliban begrüßt hat, spricht sich mittlerweile für einen schnellen Truppenabzug aus.

Auf diese Kräfte kann sich eine emanzipatorische Linke stützen, wenn sie einen schnellen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan fordert. Die in deutschen Medien vielzitierten deutschnationalen Lautsprecher dieser Forderung sollte man dagegen rechts liegenlassen. Etwa Rupert Neudeck, den Chef der Hilfsorganisation Grünhelme, der in der Frankfurter Rundschau über die den Deutschen »aus ausgeprägtem Geschichtsbewusstsein« zutiefst verbundenen afghanischen Stämme schwadroniert. Oder den ehemaligen CDU-Rechtsaußen Jürgen Todenhöfer, der sich in der Taz als Friedensfreund produziert, den Krieg wegen der alliierten Bombardements auf Hanau hassen gelernt haben will und sich nun um das Image Deutschlands sorgt. Seine aktive Unterstützung der afghanischen Islamisten, die Anfang der achtziger Jahre gegen die von der Roten Armee gestützte linke Regierung kämpften, wird in der Taz derweil als »Reise zu afghanischen Freiheitskämpfern« bezeichnet.

Die linke Reformregierung, die 1978 tatsächlich in Afghanistan Rechte für Frauen einführte und eine Bildungs- und Gesundheitsreform realisierte, hätte damals kritischer Unterstützung von links bedurft. Aber bis auf wenige Ausnahmen schlug sich die deutsche Linke damals auf Seiten der Islamisten. Heute dagegen gibt es auf Seiten der afghanischen Regierung keine emanzipatorische oder zivilisatorische Kraft, auf die sich Linke positiv beziehen könnten, sondern allein kleine demokratische Ansätze in der afghanischen Gesellschaft. Diese davor zu schützen, unter die Stiefel deutscher Soldaten oder ins Visier deutscher Bom­ber zu geraten, wäre die Aufgabe der hiesigen minoritären Linken. Und diese Aufgabe beinhaltet, zu verlangen, dass die Bundeswehr abzieht.