Die Pro-Bewegung in Nordrhein-Westfalen

Hubschraubereinsatz!

Die rechtspopulistische Pro-Bewegung hofft auf einen Erfolg bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen. Sie setzt dabei auf kostspielige Wahlkampfkonzepte und antiislamischen Aktionismus.

An das Bild wird man sich gewöhnen müssen: Die modernen Kreuzritter schweben per Helikopter auf dem Schlachtfeld ein. »Durchaus als Kreuzzug« jedenfalls möchte Patrik Brinkmann seine Wahlkampftournee verstanden wissen, zu der er Anfang Mai, im vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, aufbrechen will. Dann soll der schwedisch-deutsche Unternehmer 28 Kundgebungen und Veranstaltungen an sieben Tagen für die rechtspopulistische »Bürgerbewegung pro NRW« absolvieren. Das wird zeitlich knapp, und daher, so ließ Pro NRW schon einmal wissen, sei für Brinkmanns Mission auch der Einsatz eines Hubschraubers geplant.
Gegen wen er ins Feld zieht, verriet Brinkmann auch. Es handele sich um »einen Kreuzzug gegen den Islam in Deutschland« – und zwar ­einen »ohne Haken«. Denn mit Hakenkreuzen und »rückwärtsgewandtem« Denken soll die extreme Rechte Deutschlands, so wie Brinkmann sie sich vorstellt, nichts mehr zu tun haben. »Neonazitum«, sagt er, »ist für mich genauso inakzeptabel wie der finstere Islamismus.« Ebenso soll eine »moderne« rechte Bewegung nicht mehr antisemitisch sein, dafür aber konsequent antiislamisch. Bei der NPD, die Brinkmann zunächst unterstützte, konnte er mit dieser Botschaft Anfang vorigen Jahres nicht landen. Die DVU wiederum, wo er anschließend Mitglied wurde, erwies sich nach dem Rückzug Gerhard Freys für seine Ziele als untauglich, wie sich spätestens bei der Europa-Wahl zeigte. Nun also ist Pro NRW mit der Vorläuferorganisation Pro Köln und deren Ableger Pro Deutschland, für den Brinkmann im kommenden Jahr bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl als Spitzenkandidat ins Rennen gehen will, das neue Betätigungsfeld des spendenfreudigen Millionärs.

Bisher hatte vor allem die Kölner Keimzelle von Pro NRW mit ihrer Kampagne gegen den Bau einer Moschee im Stadtteil Ehrenfeld Erfolge erzielen können. Bei der Kommunalwahl Ende August 2009 konnte Pro Köln sogar den Stimmenanteil von 4,7 auf 5,4 Prozent erhöhen. Fünf Mandate haben die Rechtspopulisten seitdem im Stadtrat inne. Köln bildete die Ausgangsbasis für eine Expansion ins Umland. In den benachbarten Großstädten Leverkusen und Bonn zogen 2009 erstmals Pro-Wählergruppen in die Räte ein, dasselbe gelang bei vier Kreistagen am Mittelrhein und vier Stadtvertretungen kleinerer Städte in der Region. Außerhalb des Rheinlands blieb der Erfolg beschränkt. Lediglich in Gelsenkirchen und im ostwestfälischen Lemgo gelang der Einzug in die Räte.
Bei der Landtagswahl am 9. Mai will Pro NRW nun Erfolge erzielen. Eine Änderung des Wahlrechts kommt der Partei dabei entgegen. Bisher konnten die Wähler nur ein Kreuz auf ihrem Stimmzettel machen – mit der Folge, dass Parteien nur dort Stimmen sammeln konnten, wo sie einen Direktkandidaten nominiert hatten. Diesmal wird in Nordrhein-Westfalen – wie bei der Bundestagswahl – mit Erst- und Zweitstimme gewählt, was kleinen Parteien neue Chancen eröffnet. Dennoch hat sich Pro NRW nicht darauf beschränkt, eine Landesliste aufzustellen. Immerhin für 66 der 128 Wahlkreise hat die »Bürgerbewegung«, auch um ihr lokalpolitisches Bemühen zu betonen, Direktkandidaten nominiert. Dabei besteht das Ungleichgewicht zwischen den beiden Teilen des Landes fort: 50 Direktkandidaten wurden im Rheinland nominiert, nur 16 in Westfalen. Ob sie im Mai tatsächlich alle auch auf den Stimmzetteln stehen werden, ist noch nicht einmal sicher: Für jeden Wahlkreiskandidaten müssen 100 Unterstützungsunterschriften gesammelt werden. Hier und da könnte das knapp werden.

In weiten Teilen des Landes ist Pro NRW nach wie vor eine Partei ohne Basis. Der Verfassungsschutz schätzt die Zahl der Mitglieder auf rund 300 – was etwas untertrieben sein dürfte. Pro NRW selbst spricht – was wiederum übertrieben erscheint – von über 1 500 Mitgliedern. Dass Zahlenangaben von Pro NRW mit äußerster Vorsicht zu behandeln sind, hat sich längst herum­gesprochen. Permanent wurden die Teilnehmerzahlen von Kundgebungen oder Saalveranstaltungen nicht nur nach oben gerundet, sondern gleich vervielfacht. So verliefen sich bei der Hauptveranstaltung des »Anti-Islamisierungs-Kongresses« im Mai 2009 maximal 200 Pro-­Anhänger auf einer weitläufigen Fläche in Köln-Deutz. Pro NRW aber sprach von »rund 1 000 Teilnehmern«.
An den damaligen »Erfolg« will Pro NRW mit einer für Ende März angesetzten »Anti-Minarett-Konferenz« anknüpfen. Ein dreitägiges Programm ist angekündigt. Am Freitag, dem 26. März, sollen vor Moscheen und islamischen Gemeindezentren in sechs Ruhrgebietsstädten »Mahnwachen« abgehalten werden. Für Samstag ist der eigentliche »Kongress« geplant. Teilnehmen sollen unter anderem Vertreter rechtspopulistischer Gruppierungen aus Österreich, Belgien, Schweden, Frankreich und der Schweiz. Am Sonntag schließlich soll ein »Sternmarsch« zur Duisburger Merkez-Moschee stattfinden. Von 2000 Teilnehmern spricht die Partei offiziell. Der Polizei wurde eine Zahl von etwa 1 000 genannt.

Die tatsächliche Teilnehmerzahl ist den Anführeren der »Bürgerbewegung« aber womöglich ebenso egal wie die Frage, ob sie am 28. März das Ziel ihres Protests, die Merkez-Moschee, überhaupt zu Gesicht bekommen. Die Partei sieht sich in einer Situation, in der sie nur gewinnen kann. Schon die Ankündigung der Konferenz und der Aktionen hat ihr in den Medien eine Aufmerksamkeit beschert, die mit anderen Mitteln nicht zu erreichen gewesen wäre. Können die Rechts­populisten bis zur Moschee gelangen und dort demonstrieren, werden sie wahrgenommen als die erfolgreichen Tabubrecher wider die Ge- und Verbote der »Political correctness«. Endet der »Sternmarsch« aber etwa wegen der angekündigten Gegenaktionen vorzeitig, inszenieren sie sich als Opfer »antidemokratischer Kräfte«.
Im Buhlen um die Schlagzeilen zum Thema Minarettverbot hat es Pro NRW inzwischen mit Konkurrenz von Rechtsaußen zu tun bekommen. Auch die NPD hat sich des Themas angenommen und will just am Wochenende der »Anti-Minarett-Konferenz« ebenfalls in Duisburg ein »Aktionswochenende« mit einer eigenen Demonstration organisieren. So ähnlich die inhalt­lichen Schwerpunkte beider Parteien in den Wochen vor der Landtagswahl sein mögen – etwas unterscheidet Pro NRW und NPD auffällig: Einen Wahlkampfhubschrauber wird sich die Neonazipartei nicht leisten können.