Patrick Buchanan und die »Paleocons« in den USA

American Schönhuber

Der protektionistische Isolationismus eines Patrick Buchanan gilt in den USA inzwischen als überlebt. Doch ist die Nachricht vom Ableben der »Paleocons« nicht doch verfrüht gewesen? Serie über Rechtsextremismus in den USA, Folge 2.

Noch in den neunziger Jahren war der Paleokonservatismus mit seinem »America Firstism« immerhin für einige Schlagzeilen gut. Und selbst wenn Pat »Pitchfork« Buchanan noch immer als Kommentator durch zahlreiche Fernsehsendungen geistert – als politisch ernstzunehmende Kraft schien sich der protektionistische Isolationismus, den er verkörpert, spätestens seit dem Ende der Bush-Regierung und der Immobilienblase erledigt zu haben. Patrick J. Buchanan, der vielleicht bekannteste Publizist der amerikanischen Rechten, ist mittlerweile 71 Jahre alt. Seine politisch aktivste Zeit liegt hinter ihm, und so einflussreich wie als Redenschreiber von Richard Nixon oder als Kommunikationsdirektor von Ronald Reagan wird er auch als noch so umtriebiger Pensionär nie wieder werden. Als er im Jahr 2000 für die von ihm gegründete Reform Party bei den Präsidentschaftswahlen kandidierte, endete sein dritter Versuch, ins Weiße Haus einzuziehen, mit einer Bruchlandung: Buchanan kam auf gerade einmal 0,43 Prozent.

Die nationalistische Globalisierungskritik, mit der Buchanan bei den republikanischen Vorwahlen 1992 und 1996 noch spektakuläre Erfolge verbuchen konnte, richtete am Ende weder gegen die Schaffung der Freihandelszone Nafta noch gegen die Immigration von Latinos aus dem Süden viel aus. Im Gegenteil, unter George W. Bush wandte sich die Republikanische Partei sogar von einer totalen Abschottungspolitik ab und achtete sorgfältig darauf, dass der Grenzzaun zu Mexiko den Nachschub für den US-amerikanischen Niedriglohnsektor nicht völlig blockierte. Und dann war da noch der 11. September. Machte er nicht auch dem letzten Isolationisten von Rechtsaußen klar, dass gegen die terroristische Gefahr Abschottung ebenso wenig half wie Appeasement?
Vor diesem Hintergrund erschien Buchanans Politik zuletzt nicht nur als gescheitert, sondern – deswegen die hämische Bezeichnung als Paleokonservatismus – geradezu als steinzeitlich. Das Zeitalter, in das er sich zurücksehnt, ist vor gefühlten 10 000 Jahren zu Ende gegangen. Es war die suburban abgeschirmte Welt des fordistischen Eigenheims, in dem die moralische Autorität des hart arbeitenden Familienernährers noch nicht dem Widerspruch von Frau und Kindern ausgesetzt war. Die »unamerikanischen« Bewegungen der sechziger Jahre spielten diesem »Middle America«, so jedenfalls will es die Legende, übel mit. Das Bündnis aus unproduktiven Eliten und gleichfalls unproduktiven Unterklassen nicht-weißer Herkunft, welches die USA seither beherrsche, habe aus dem ehrwürdigen fordistischen Mann schließlich eine hässliche Spottgeburt namens »Archie Bunker« gemacht: »Ich bin weiß. Ich bin ein Mann. Ich bin protestantisch. Wo bleibt das Gesetz, das mich schützt?« Viel besser als dieses inzwischen sprichwörtliche Ekelpaket der Fernsehserie »All in the Familiy« konnte der 2005 verstorbene paleokonservative Ideologe Samuel Francis Buchanans Rezept für eine weiße Identitätspolitik auch nicht zusammenfassen: »Man kombiniere soziokulturell konservative Wertvorstellungen mit sozialstaatlichen Absicherungen sowie mit Wirtschaftsnationalismus und Protektionismus.«

Für die »soziokulturell konservativen Wertvorstellungen« Buchanans hat die Anti-Defamation League, eine Organisation, die gegen Antisemitismus eintritt, bereits Dutzende von Belegstellen aus Büchern, Kolumnen und Interviews zusammengetragen. Insbesondere nach Buchanans letzten chauvinistischen Hetzschriften wäre es problemlos möglich, die Liste vergleichbarer Äußerungen auf die zehn- oder zwanzigfache Länge auszudehnen. Am analytischen Befund würde eine solche Anstrengung allerdings wenig ändern: Im Zentrum von Buchanans Verschwörungstheorie steht die Wahnvorstellung, dass der weiße und selbstverständlich heterosexuelle Mann endgültig übervorteilt und gedemütigt zu werden droht, wenn er sich nicht schleunigst wieder gegen feindliche Umtriebe im In- und Ausland behauptet.
Man werde »bis zum Zweiten Weltkrieg in den USA und Europa kaum große Männer finden, die die Überlegenheit von Weißen nicht als natürlich angesehen hätten«, schrieb Buchanan beispielsweise in seinem Bestseller »Irrweg Einwanderung. Die weiße Welt am Abgrund«. Der Mann, der Ronald Reagan 1985 dazu bewogen hatte, mit Kohl den Soldatenfriedhof in Bitburg zu besuchen, auf dem nicht nur GIs liegen, sondern auch Soldaten von Wehrmacht und Waffen-SS, betätigte sich immer wieder als Geschichtsrevisionist. So bemühte er sich um eine Rehabilitation derjenigen Kräfte aus der Zwischenkriegszeit, die – wie zum Beispiel der antisemitische »Ozeanflieger« Charles Lindbergh – aus nationalistischen Motiven einen Krieg gegen Nazideutschland verhindern wollten.

Während Neo- und Theocons »Gottes eigenes Land« für auserwählt halten, die Welt zur Demokratie zu bekehren, machen Paleocons wie Buch­anan aus ihrer völkischen Definition eines ausschließlich um sich selbst kreisenden Amerika keinen Hehl. Allein das christlich-europäische Erbe habe Amerika zu dem gemacht, was es ist. Und weiter: »Falls Amerika seinen ethnisch-kulturellen Kern verlieren und eine Nation von Nationen werden sollte, wird es nicht überleben.« Gefahr droht dem weißen, militant antikommunistischen Amerika natürlich auch von vaterlandslosen Gesellen im Innern. Den Aufstieg von Frauen in Machtpositionen bezeichnete Bucha­nan 2007 als »ein Zeichen des Niedergangs der Zivilisationen«. Homosexualität kommt für ihn einem »Todesstil« gleich, wie er 2002 in seinem Buch »Der Tod des Westens« ausführte. Wundert sich vor diesem Hintergrund noch jemand darüber, dass der Mann, der 1990 den Kapitolhügel in Washington als ein »israelisch besetztes Territorium« bezeichnete, sich in seinem jüngsten Buch darüber auslässt, Deutschland sei von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs gezwungen worden, für die »Schmach von Versailles« Revanche zu nehmen?
Von A wie Antisemitismus bis Z wie Zuwandererfeindlichkeit ließen sich Programm und Person Buchanans hierzulande wahrscheinlich noch am ehesten mit der Figur Franz Schönhubers vergleichen. Beide sind rechte Dissidenten rechter Parteien gewesen und haben, bevor sie als Parteipolitiker scheiterten, zum Rechtsruck ganzer politischer Milieus beigetragen. Mehr noch als beim Rundfunkjournalisten Schönhuber handelt es sich bei Buchanan um einen Medienprofi, der ziemlich genau weiß, wie weit er gehen kann und bei welchen Gelegenheiten er seinen Chauvinismus kaschieren muss. Die scharfen Zurückweisungen, die sich beide gefallen lassen mussten, signalisieren allerdings auch, dass das Interesse des Establishments an faschistoiden Hauptdarstellern deutlich geringer ist als an ebensolchen Randfiguren.

Entwarnung sollte gleichwohl nicht gegeben werden. Der Paleokonservatismus in den USA ist so wenig ein Überrest alter Zeiten wie es die Republikaner hierzulande gewesen sind. Vielmehr vermögen die Unterströmungen in Parteien, Kirchen und Gewerkschaften das dumpfe Bauchgefühl all derjenigen weißen US-Amerikaner zu artikulieren, die sich vor der Macht des politisch-ökonomischen Establishments ebenso fürchten wie davor, dass es ihren kleinen Privilegien gegenüber einst diskriminierten Gruppen an den Kragen gehen könnte. »Die Paleocons üben eine plausibel klingende Kritik am expansionistischen Militarismus und steigender staatlicher Repression und verbinden diese mit dem Hass auf Einwanderer sowie der Huldigung traditioneller sozialer Hierarchien«, erklärte schon vor einiger Zeit der US-amerikanische Antifaschist Matthew Lyons und warnte vor den Regenerationspotentialen der Strömung: »Wenn der globale Kreuzzug der Neokonservativen in eine Krise gerät und eine größere Zahl von US-Soldaten dabei ums Leben kommt, könnten die Paleokonservativen davon profitieren.« Nachwuchskräfte, die den Sozialcharakter der Paleocons anzusprechen verstehen, ließen auch in der Vergangenheit nie lange auf sich warten.