Berlin Beatet Bestes

David war soo süüüß!

Berlin Beatet Bestes. Spezial-Folge 43. Depeche Mode: The Meaning of Love (1982).

In Andis Zimmer sieht es aus wie in einem Plattenladen. Er präsentiert auch immer einige Singles. Die stehen dann ein paar Monate lang ganz vorne im Regal, und ich betrachte sie beim Telefonieren. Da sieht man Omar & the String Poppers, The Makers mit »Tear Your World Apart« oder »Rube Ruben«.
Nie kenne ich irgendeine Band oder einen dieser tschechischen Interpreten. Aber neulich schrecke ich auf. Was ist das? Da steht Depeche Mode mit »The Meaning of Love«. Depeche Mode – meine Lieblingsband. Andi hatte die Platte kurz vor den Sommerferien für 5 DM auf einem Schulausflug nach Bremen gekauft. 1982. Dann hatte er sie – typisch Teenager – in der Bahn liegengelassen.
Als er dann aus den Sommerferien nach Hause kam, lag die Single in der Küche auf dem Tisch. Dazu eine Expressgutkarte der Deutschen Bahn. Jemand hatte die Platte gefunden und sie ihm geschickt. Das kostete ihn 10,50 DM. Normalerweise hätte er sicher nicht 15,50 DM für »The Meaning of Love« bezahlt.
Ich schon. Ich bin damals auch in die Deutschlandhalle zum Konzert gegangen. Das war mein erstes Konzert, und ich war unglaublich aufgeregt. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, mit David Gahan und den anderen Mitgliedern meiner Lieblingsband in einem Raum zu sein. Meine Freundinnen und ich steigerten uns dementsprechend schon Tage vor dem Konzert in eine angemessene Hysterie. Das Konzert war super. Ich stand in der ersten Reihe und war begeistert. Leider verlor ich meine Freundinnen nach dem Konzert in dem Gewusel und fuhr alleine, aber glücklich nach Hause.
Am nächsten Tag kamen meine Freundinnen zu spät in die Schule. Sie waren total überdreht, steckten dauernd ihre Köpfe zusammen und tuschelten. »Was ist denn mit euch? Was habt ihr denn?« fragte ich. »Hier guck!« schrieen sie und reichten mir einen Foto-Fix-Karton.
»Wir haben gestern nach dem Konzert vor der Deutschlandhalle auf die Jungs gewartet, und dann kamen sie, und wir waren im Tourbus und haben Fotos gemacht, und dann waren wir noch vor dem Hotel, und heute sind wir gleich auf den Ku’damm und haben die Fotos entwickeln lassen, und hier guck’ doch mal. Anja mit David, oh David war sooooo süüüüß.«
Ich konnte es gar nicht glauben. Wir hatten die Mitglieder der Band ordentlich unter uns aufgeteilt. Ich hatte David Gahan, den Sänger, und Anja Martin Gore. David gehörte doch mir! Und jetzt hielt ich ein Foto in den Händen, auf dem David Anja umarmt und in die Kamera grinst. Ich hätte platzen können vor Neid. Dieses Erlebnis schweißte meine Freundinnen zusammen und schloss mich einige Wochen aus.
Dann kam mein Geburtstag. Feierlich überreichten sie mir vier Fotos. Eins mit Martin Gore, den ich schon immer sehr unattraktiv fand, eins von Andrew Flecher (verwackelt), weil er gerade aufsteht und sich nach hinten dreht, eins vom Tourbus und das Foto von Anja und David Gahan. Diese Bilder liegen jetzt zwischen den Privatfotos meiner Teenagerzeit. Immer, wenn ich sie zeige, fragt jemand: »Ähh? Ist das Depeche Mode?« Und ich nicke stumm und erinnere mich an meine Freundinnen.

Julia Tägert ist die Freundin von Andreas Michalke, dem Autor von »Berlin Beatet Bestes«.