Rechtsextremismus in den USA: die Rechtspopulisten

Eher Kunstrasen als Graswurzel

Nach zwei Jahrzehnten, in denen der Rechts­populismus in den USA nur sporadisch vertreten war, formiert sich eine neue rechte Bewegung. Auch der Organisierungsgrad von rassistischen und neonazistischen Gruppierungen hat zugenommen. Serie über Rechtsextremismus in den USA, letzte Folge.

Seit Barack Obama zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, sind in den USA die rechtspopulistischen Bewegungen wieder erstarkt. Die größte von ihnen ist die Tea Party, die sich mit ihrem Namen in die Tradition einer berühmten Protestaktion aus der Zeit der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung stellt, bei der Teekisten im Bostoner Hafen versenkt wurden, um gegen die Steuerpolitik der englischen Regierung zu protestieren.

Formiert hatte sich die Tea-Party-Bewegung zu Beginn des Jahres 2009, um gegen Staatsausgaben und Steuerpolitik der neuen Regierung zu protestieren. Erstmals öffentlich sichtbar wurde sie am 15. April 2009, dem sogenannten Tax Day, an dem die Amerikaner ihre Einkommensteuer einreichen müssen. Die Bewegung nutzte den Steuertag für zahlreiche Protestaktionen. Die Tea Party hat als elitäre konservative Kampagne begonnen, die in ihrer Propaganda vorgibt, eine Graswurzelbewegung zu sein. Im Amerikanischen gibt es für diese künstlichen, scheinbar spontanen Graswurzelbewegungen den Begriff Astroturfing, ein Wortspiel, denn Astro Turf ist ein Markenname für Kunstrasen.
Seit dem Tax Day ist aus den Tea Parties tatsächlich eine soziale Bewegung geworden. Seit Herbst vorigen Jahres wurde in den meisten Staaten der USA damit begonnen, Organisationen aufzubauen, und die Aktivisten traten mit den Republikanern in Verhandlungen über politische Absprachen. Wirtschaftsfreundliche Republikaner nutzen die Energie der Tea-Party-Bewegung, um die geplanten Wirtschaftsreformen der demokratischen Regierung zu verhindern. Mittlerweile beanspruchen die Tea Parties, bei der Wahl von Kandidaten der Republikaner in öffentliche Ämter oder bei den Vorwahlen für das Repräsentantenhaus mitzuentscheiden.
Wie viele soziale Bewegungen in der Entstehungsphase ist die Tea Party noch damit beschäftigt, ihre Narrative und Selbstbilder zu entwickeln und ihren politischen Rahmen zu finden, dabei lotet sie auch die Grenzen ihrer politischen Handlungsfelder aus. Ideologisch gesehen ist dieses Amalgam aus schon vorher existierenden Positionen der politischen Rechten noch in der Entwicklung. Die Tea-Party-Bewegung rekrutiert sich aus einem breiten Spektrum, dessen Berührungspunkt die Herkunft aus der weißen amerikanischen Mittelklasse ist. Die Tea Party ist ein Sammelbecken für Marktradikale und Anti-Steuer-Aktivisten. Teil der Bewegung sind aber auch rechtskonservative Christen, die die liberale Sozialpolitik der Regierung ablehnen, und Verschwörungstheoretiker, die eine totalitäre neue Weltordnung halluzinieren. Auch für andere Teile der politischen Rechten gewinnt die Tea-Party-Bewegung zunehmend an Attraktivität. Dazu gehören Befürworter des freien Waffenbesitzes und bewaffnete Bürgerwehren, ultranationalistische Patrioten und die wachsende Bewegung der radikalen weißen Nationalisten.
Die nationale Ausbreitung der Tea-Party-Bewegung wurde seit August 2009 von einer Reihe konzertierter Protestaktionen begleitet, vor allem bei öffentlichen Veranstaltungen, auf denen Politiker über die geplanten Reformen im Gesundheitssystem diskutierten. Ihre Aktivisten behaupteten, Obama sei ein Sozialist, dessen Politik in einem faschistischen totalitären Regime enden würde. Die nationale Gesundheitsfürsorge und die geplanten Kostensenkungen verglichen sie mit der Euthanasie im Nationalsozialismus. Diese Behauptungen sind zwar völlig verzerrt und beruhen auf kruden Verschwörungsphantasien, aber sie waren in den Diskursen der politischen Rechten anschlussfähig.

Die ersten Bilder von Präsident Obama mit Hitlerbärtchen wurden medienwirksam von Aktivisten präsentiert, die aus dem in Deutschland und den USA ansässigen Netzwerk um Lyndon LaRouche kommen. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat der Organisierungsgrad von weißen Rassisten und Neonazigruppen in den USA zugenommen. Es wurden über 120 Milizgruppen gebildet – autonome bewaffnete Zellen, die überwiegend aus weißen Aktivisten der extremen Rechten bestehen. Sie veranstalten paramilitärische Übungen, weil sie befürchten, dass die US-Regierung die politische Tyrannei bereits vorbereite.
Die Tea-Party-Bewegung, Town-Hall-Aktivisten und bewaffnete Milizen erscheinen zwar heterogen, die Vorstellungen jenseits ihrer unterschiedlichen Rhetorik stammen jedoch aus dem gleichen verschwörungstheoretischen Ideenpool des rechtsgerichteten Populismus.

Ihr rechtspopulistisches Klagen ertönt in einer Zeit, in der durch die Konjunkturflaute Millionen Amerikaner arbeitslos oder unterbeschäftigt sind. Die Angst vor dem sozioökonomischen Abstieg treibt auch die weißen republikanischen Aktivisten der Tea-Party um.
Diese Angst wird verstärkt durch Verunsicherung über die Wahl eines schwarzen Präsidenten zu einer Zeit, in der der farbige Bevölkerungsanteil wächst, und im Kontext eines unabgeschlossenen Diskurses über »Rasse« in den USA. Eine Studie der University of Washington zeigt, dass die Vorurteile gegenüber Schwarzen und Latinos bei Anhängern der Tea-Party-Bewegung signifikant weiter verbreitet sind als bei denjenigen, die diese Bewegung ablehnen. Ebenfalls in Unruhe geraten sind jene Sozialkonservativen, die Abtreibung und eine Verbesserung der rechtlichen Situation von Homosexuellen als Sünde ansehen und sich um die Zukunft von Familie und traditionellen, oft als gottgegeben betrachteten Geschlechterrollen sorgen.
Historisch gesehen haben sich rechtsgerichtete soziale Bewegungen entweder institutionalisiert oder in existierende politische oder soziale Bewegungen integriert. Doch vorerst befindet sich die Tea-Party-Bewegung noch im Aufschwung. Wenn die Tea Party bei den Kongresswahlen im November ihre Energie behält, könnte sie genügend Stimmen erhalten, um Obama und dessen Regierung in die Bredouille zu bringen. Mit einer ähnlichen, aber kleineren rechtsgerichteten Bewegung war in den neunziger Jahren auch schon Bill Clinton konfrontiert worden.

Aus dem Amerikanischen von Nicola Helferich