Immer mehr Nazi-Angriffe auf Parteibüros und Jugendzentren

Die Strategie der Einschüchterung

Immer häufiger greifen Neonazis Büros der Linkspartei und alternative Zentren an. Dabei handelt es sich nicht um ein spezifisches Problem der ostdeutschen Provinz, mittlerweile sind auch die Großstädte im Westen der Republik betroffen.

Der Vorfall ist schon fast alltäglich. Am Freitag voriger Woche klirrten die Scheiben des Partei­büros der »Linken«. Vielleicht wirkt es ein wenig ungewöhnlich, dass sich soetwas im Westen der Republik, in Duisburg, ereignete. Noch ungewöhnlicher scheint, dass die Tat am helllichten Nachmittag begangen wurde. Keine 48 Stunden später kracht es in Unna. Diesmal ist das Büro der Grün-Alternativen Liste (GAL) betroffen. Bereits in den frühen Morgenstunden am Sonntag meldet die Homepage des »Nationalen Widerstands Unna«, der eng mit dem örtlichen Kreisverband der NPD kooperiert: »Demokraten vertreiben«. Ebenso deutlich wie drohend heißt es in dem Text: »Langsam, aber sicher sollten die Demokraten verstanden haben, dass sie sich entweder komplett aus dem Kreis Unna verabschieden oder mit weiteren Konsequenzen zu rechnen haben.« Dass es oftmals nicht bei einem einmaligen Angriff bleibt, kann auch Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der »Linken« im Bundestag, bestätigen. In ihrem Wahlkreisbüro in Dortmund wurden bereits mehrfach die Scheiben eingeworfen.

Der inzwischen verbotene, in seinen Resten aber weiterhin aktive »Sturm 34« aus dem sächsischen Kreis Mittweida hatte seine Zielgruppe noch nicht auf alle Demokraten ausgeweitet. In der Verbotsverfügung vom April 2007 hieß es: »Die Mitglieder des Vereins, die zum Teil Mitglieder des NPD-Kreisverbandes Mittweida sind, haben sich zum Ziel gesetzt, gemeinsame politische Ziele zu verfolgen. Erklärtes Ziel ist die Schaffung einer sogenannten ›National befreiten Zone‹ in Mittweida und der umliegenden Region. Die Umsetzung soll dabei in der Form einer ›Säuberung‹ des Gebietes von ›Linken und Zecken‹, ›HipHoppern‹, ›Ausländern‹ und ›allgemeinen (sonstigen) Gegnern‹ erfolgen. Gewalt galt und gilt dabei als einzig probates Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.« Es ging um Einschüchterung. Das im Stadtzentrum gelegene Parteibüro der »Linken«, war das bevorzugte Ziel. Die Scheiben krachten nahezu regelmäßig. Als der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Matthias Kubitz, über die Notwendigkeit der Einführung einer »antifaschistischen Klausel« in die sächsische Verfassung referierte, waren die leeren Fensterhöhlen mit Sperrholz verkleidet. Vorsichtig schauten die Anwesenden, wer denn da Einlass begehrte. Vor der Tür hatten sich ein Dutzend Neonazis aus dem Umfeld des »Sturm 34« als Drohkulisse aufgebaut. Die Demokraten waren noch nicht vertrieben, aber bereits tüchtig eingeschüchtert.
Damals war der Kreis Mittweida eine Ausnahmeerscheinung in Sachsen. Heute ist er ein Schwerpunkt. Allerdings hat eine gewisse Verlagerung stattgefunden. Inzwischen ist es das Büro in Burgstädt, das regelmäßig attakiert wird. Die von der Polizei vorgeschlagenen Schutzmaßnahmen sind vom Kreisverband der Linkspartei nicht zu bezahlen. Die Polizei selbst hat offenbar kapituliert. Bislang schon unverantwortlich reduziert, ist der Personalbestand mittlerweile so dünn, dass die Beamten kaum noch präventive Arbeit leisten können. Man begnügt sich mit der Schadensfeststellung. Die Problemlage dürfte sich weiter verschärfen. Die Landesregierung hat für die kommenden Jahre den Abbau mehrerer tausend Stellen bei der Polizei angekündigt. Das bedeutet, dass sich die ohnehin bereits langen Anfahrtszeiten nach einem Notruf weiter verlängern werden. Für die Täter ist das der Garant dafür, dass nach der Attacke genügend Zeit für den geordneten Rückzug bleibt.

Wohl auch deshalb ist Sachsen noch immer ein Schwerpunkt für Attacken von Neonazis gegen Parteibüros. Längst nicht mehr alle Abgeordneten treten nach einem solchen Angriff an die Öffentlichkeit. Auch wenn es vehement bestritten wird, dürfte die Angst vor einer Wiederholung der Grund sein. Es trifft vor allem die »Linke«, die im ländlichen Raum oft der einzige Verbündete für antifaschistische Jugendliche ist. Die Nazis spekulieren wohl auch auf die Ausrichtung der älteren Parteimitglieder an »Ruhe und Ordnung«. Was auf dem flachen Land seinen Ausgangspunkt hatte, hat sich längst auf Großstädte ausgeweitet. Hier gilt die Parole, dass man die Städte vom Land aus erobern will. In Leipzig, dem Zentrum alternativen Lebens im Freistaat und einer aktiven außerparlamentarischen Linken, ist das Büro jedes Bundes- oder Landtagsabgeordneten der Linkspartei bisher mindestens einmal Ziel einer Attacke mit Glasschaden durch die Neonazis geworden.

Die Strategie der Einschüchterung ist nicht auf den Terror gegen die »Linke« beschränkt. Ebenso trifft es alternative Zentren und Jugendclubs, die sich aktiv und öffentlich gegen die Versuche der Schaffung von »national befreiten Zonen« stellen. Sie sind die eigentliche Gefahr, wenn es um die Schaffung und den Ausbau der Nazi-Bastionen geht. Diese Angriffe werden im Gegensatz zu jenen auf Parteibüros und Politiker in der öffentlichen Darstellung in der Regel entpolitisiert. Es handele sich um Auseinandersetzungen zwischen konkurrierenden Jugendgruppen, lauten die Erklärungen von Lokalpolitikern und Polizei. Die Angriffe auf örtliche antifaschistische Politiker folgen meist erst, nachdem sie Partei für die Opfer ergriffen haben.
Man möge doch bitte die Kirche im Dorf lassen, fordert Kerstin Köditz, Sprecherin für antifaschistische Politik der Linksfraktion im Landtag. »Mir machen inzwischen eigentlich mehr jene Regionen Sorge, aus denen weniger zu hören ist.« Dort seien die Nazis inzwischen dem Ziel »national befreiter Zonen« so nahe gekommen, dass Einschüchterung und Terror als Mittel nur noch in Ausnahmefällen und gegen wenige verbliebene Gegner als notwendig angesehen würden. Als Politikerin sei sie was den Schutz anginge, ohnehin privilegiert. »Wenn ich in Mails als ›Linkenfotze‹ beschimpft werde oder Hakenkreuze in mein Türschild gebrannt werden, sind das doch Kleinigkeiten im Vergleich damit, dass ein 15jähriger Antifaschist bei einem Naziüberfall einen Schädelbruch erleidet.« Vielleicht hätten die Angriffe auf Parteibüros ja auch etwas Gutes: »Ich weiß, dass so mancher Politiker danach zu der Ansicht gekommen ist, selbst mehr gegen Nazis tun zu müssen.«